# taz.de -- Festnahme in Südkorea: Der stoische Präsident | |
> Mit Yoon Suk Yeol ist erstmals ein formal amtierender Präsident Südkoreas | |
> festgenommen worden. Nun könnte er mit Verschwörungstheorien Erfolg | |
> haben. | |
Bild: Polizisten und Korruptionsermittler am frühen Mittwochmorgen vor der ver… | |
Seoul taz | Man muss sich Yoon Suk Yeol als stoischen Mann vorstellen. Als | |
die Weltöffentlichkeit auf seine Verhaftung wartet, die Fahnder der | |
Antikorruptionsbehörde (CIO) bereits mit tausend Polizisten vor seiner | |
Einfahrt stehen, reagiert der suspendierte Präsident mit erstaunlicher | |
Gelassenheit: Er schmiert seinem Anwaltsteam erst einmal zehn | |
Thunfisch-Sandwiches. So schildert es einer der konservativen Abgeordneten, | |
die den 64-Jährigen am Mittwochmorgen in seiner Residenz in Seoul besucht | |
haben. | |
[1][Dabei befindet sich Yoon seither in Staatsgewalt:] Nach zähen | |
Verhandlungen und mehreren kleineren Rangeleien ist es den Ermittlern | |
[2][im zweiten Anlauf] gelungen, erstmals in der Geschichte des Landes | |
einen formal noch amtierenden Präsidenten festzunehmen. In einem schwarzen | |
Geländewagen fuhren die Ermittler Yoon schließlich an diesem bitterkalten | |
Morgen über den Han-Fluss in den südlichen Vorort Gwacheon. Dort wird er | |
nun von Mitarbeitern der Antikorruptionsbehörde verhört. Amtsmissbrauch und | |
Aufruhr lauten die Vorwürfe, keine Kleinigkeiten also. | |
Doch der ehemalige Staatsanwalt Yoon verliert auch weiterhin nicht seine | |
Fassung. Während der Mittagspause, als die Fahnder dem suspendierten | |
Präsidenten gerade eine Lunch-Box überreicht hatten, musste die CIO in | |
einem Briefing einräumen: Bislang habe der Beschuldigte von seinem | |
Schweigerecht Gebrauch gemacht. Aussagen gab es nicht. | |
Gegenüber der Öffentlichkeit gibt sich Yoon hingegen überaus gesprächig: | |
Noch ehe er abgeführt wurde, hatte er eine kurze Videobotschaft | |
aufgenommen, in der er die Ermittlungen gegen ihn „illegal“ nannte. Der | |
Rechtsstaat in Südkorea sei „vollständig zusammengebrochen“. Dennoch habe | |
er sich dazu entschieden, dem Verhör der Ermittler Folge zu leisten, um ein | |
„Blutbad“ zu verhindern. | |
## Yoon: „Das Kriegsrecht ist kein Verbrechen“ | |
Wenige Stunden später veröffentlichte sein Team auf Facebook einen | |
handgeschrieben Brief, der sich wie die Notizen eines Mannes las, der alles | |
unter Kontrolle hat. Darin verteidigte Yoon zum wiederholten Male jenes | |
[3][Vorgehen, mit dem er in den Nacht des 3. Dezember sein Land in eine | |
tiefe Krise stürzte]: „Das Kriegsrecht ist kein Verbrechen. Es ist eine | |
Ausübung der Autorität des Präsidenten zur Bewältigung einer nationalen | |
Krise.“ | |
Es ist erstaunlich, wie gut Yoons Kommunikationsstrategie bislang aufgeht. | |
Geschickt lenkt der geschasste Präsident davon ab, dass er – ohne reale | |
Gefahrenlage – Spezialeinheiten zur Nationalversammlung geschickt hat, um | |
diese abzuriegeln. Dass er Haftbefehle gegen Abgeordnete und auch | |
Journalisten ausgegeben hat. Und, so behaupten es zumindest einige | |
Politiker, auch einen Schießbefehl in den Raum gestellt hat. | |
Insbesondere bei Yoons Anhängern spielt dies kaum eine Rolle. Hunderte von | |
ihnen haben rund um die Uhr vor der Einfahrt seines Anwesens kampiert, wo | |
sie trotz zweistelliger Minusgrade ausharrten. Jeden Samstag ziehen | |
weiterhin mehrere zehntausende Demonstranten vors Rathaus, um Yoon als | |
Verfechter der Freiheit und gegen eine kommunistische Verschwörung zu | |
zelebrieren. | |
Bei der breiten Mehrheit werden solche Narrative – zu Recht – als | |
Verschwörungstheorien abgetan. Doch kritisieren auch moderate Stimmen in | |
Teilen das aggressive Vorgehen der Antikorruptionsbehörde: Sie können nicht | |
verstehen, warum die Fahnder inmitten eines laufenden | |
Amtsenthebungsverfahrens vorpreschen wollen. | |
## Opposition unter Manipulationsverdacht | |
Der Verdacht eines taktischen Timings liegt im Raum: Je schneller es | |
nämlich zu Neuwahlen kommt, desto sicherer kommt der linke | |
Oppositionsführer Lee Jae Myeong ins Präsidentenamt. Gegen ihn läuft | |
derzeit ebenfalls ein Strafprozess. Ein Schuldspruch vor einem möglichen | |
Wahltermin würde den 61-Jährigen disqualifizieren. | |
Und was wird aus Yoon? Die Antikorruptionsbehörde muss den suspendierten | |
Präsidenten nach maximal 48 Stunden entweder freilassen oder – und das ist | |
der wahrscheinlichere Fall – eine formale Festnahme beantragen. | |
Doch neben den Ermittlungen wegen Aufruhr und Machtmissbrauch läuft auch | |
noch das Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon. Beim Verfassungsgericht | |
urteilen die derzeit acht aktiven Richter in einer finalen Entscheidung | |
über sein politisches Schicksal. Mindestens sechs von ihnen müssten die | |
Amtsenthebung bestätigen. Andernfalls würde Yoon wieder ins Präsidentenamt | |
zurückkehren. | |
Für den morgigen Donnerstag ist nun der nächste Gerichtstermin angesetzt. | |
Dann hat Yoon die Chance, den Richtern seine Sicht der Dinge darzulegen. | |
Oder aber erneut zu schweigen. | |
15 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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