# taz.de -- Film mit KI-generiertem Putin: Best-of der bösen Taten | |
> Der polnische Regisseur Patryk Vega hat einen Film mit einem teilweise | |
> computeranimierten Putin in die Kinos gebracht. Leider muss man vor ihm | |
> warnen. | |
Bild: Der polnische Transportunternehmer Slawomir Sobala (links) ist Putin tats… | |
Ist das der Film, vor dem die KI-Apokalyptiker gewarnt haben? Er beginnt | |
mit Szenen in einem Moskauer Krankenhaus, eine Einblendung gibt die | |
Jahreszahl 2026 an. In einem gut bewachten Zimmer liegt ein Mann in | |
vollgekackten Windeln. Sein Kopf hat das Antlitz von Wladimir Putin. Das | |
Tamtam um den Einsatz von [1][künstlicher Intelligenz] bei der | |
Bildproduktion nötigt dazu, von einer verblüffenden Ähnlichkeit zu | |
sprechen. | |
In Wahrheit aber ist in Patryk Vegas Film „Putin“ die Montage eigentlich | |
noch ganz gut zu erkennen. Was wahrscheinlich weniger mit den Möglichkeiten | |
der Technik zu tun hat als mit dem Budget, das der polnische Regisseur und | |
Produzent hier einsetzte. Jedenfalls wirkt die Figur dieses fiktiven Putin | |
dann doch sehr roboterhaft. | |
Der Körper zum computergenerierten Gesicht stammt vom polnischen | |
Transportunternehmer Slawomir Sobala, der sich seit Jahren mit einer | |
gewissen Ähnlichkeit zum russischen Präsidenten durch Auftritte in | |
Werbespots und dergleichen ein Zubrot verdient. Wer sich für Putin | |
interessiert und eventuell schon mal gesehen hat, wie dieser sich bewegt, | |
wird den Doppelgänger allein an der völlig anderen Körpersprache ausmachen | |
können. Aber vielleicht liegt darin ja schon der Denkfehler: Wer sich für | |
Putin interessiert, sollte diesen Film eigentlich nicht schauen. | |
Schon die Bezeichnung Biopic scheint kühn. Dass sein Film eher zur Sorte | |
Spekulation gehört, verbirgt Vega erst gar nicht. Schließlich beginnt er | |
als eine Art [2][Science-Fiction] mit „2026“. Das Bild dieser nahen Zukunft | |
ist denkbar düster: Nicht nur dass Putin sich in Windeln am Boden windet, | |
ganz Russland liegt offenbar danieder. An der Grenze stauen sich die | |
Menschen, die das Land verlassen wollen, rapportiert ein von Thomas | |
Kretschmann verkörperter Mann in Uniform. | |
## Von Schreckensszenario zur Kindheit Putins | |
Seine vorgeschlagene mediale Gegenstrategie besteht in schlechten | |
Nachrichten aus anderen Ländern: In England seien nun Fahrräder das | |
Hauptverkehrsmittel, könnten Häuser nicht beheizt werden und die Inflation | |
sei auf den historischen Höchststand von dreißig Prozent gestiegen. In den | |
USA sei es wegen der globalen Erwärmung zur Überschwemmung der Küsten und | |
zum Massenexodus gekommen. So habe sich bewahrheitet, dass die Sanktionen | |
gegen Russland ihnen selbst am meisten geschadet hätten. Putins Reaktion | |
auf diese Infos lässt sich im CGI-Gesicht nicht wirklich ablesen. | |
Vom Schreckensszenario der nahen Zukunft wechselt der Film dann zurück in | |
die frühen sechziger Jahre und die harte Kindheit des kleinen Wladimir in | |
einem ärmlichen, von ewigem Winter geschlagenen Leningrad. Wladimir wird | |
verprügelt und gemobbt. Aber sein Widersacher, ein dicklicher Junge mit | |
spitz zulaufender Filzmütze, die an die Kopfbedeckung der berüchtigten | |
Reiterarmee erinnert, wird von da an zu seiner inneren, ihn zu | |
Macho-Gebaren stärkenden Stimme. Bei einer Begegnung mit dem sturztrunkenen | |
Jelzin im Kreml etwa flüstert der Filzmützenjunge als eingebildeter Freund | |
in sein Ohr: „Hättest du auf mich gehört, würde dir dieser Stuhl bereits | |
gehören.“ | |
Ein weiterer „Geist“, weiblich und mit Pelzmütze, tanzt dazu des Öfteren | |
durch den Raum. Auch Jesus taucht irgendwann auf; der kleine Wladimir | |
bereut es, nicht getauft worden zu sein, was er später heimlich nachholt. | |
Es wird überhaupt viel geflüstert und beschworen in diesem Film, der | |
ungelenk zwischen Zeiten und Orten hin und her springt, zwischen Moskau und | |
Leningrad, zwischen Beginn der sechziger und Ende der neunziger Jahre und | |
weiteren, zunehmend beliebig scheinenden Daten. | |
## Da kann die KI nichts für | |
Handlungstechnisch, so weit man davon überhaupt sprechen kann, hält Vega | |
sich ans Best-of der bösen Taten, die man Putin so nachsagt. In Dresden | |
vernichtet er KGB-Dokumente, in Moskau orchestriert er Terroranschläge, um | |
als Präsident gewählt zu werden, in Leningrad biedert er sich Bürgermeister | |
Anatoli Sobtschak an, den er später umbringen lässt. Um seiner mafiösen | |
Entourage zu imponieren, organisiert er eine Jagd auf als Playboy-Bunnies | |
verkleidete junge Frauen, was Vega mit spürbaren Genuss nachstellt. | |
In der Sobtschak-Episode kommt es zu der in gewisser Weise | |
repräsentativsten Szene des Films. Sobtschak – der seinerzeit als | |
progressiver, liberaler und beliebter Reformer galt – schlingt im Kreise | |
seiner Speichellecker löffelweise den Kaviar hinunter, während er | |
gönnerhaft die notorischen Versorgungsprobleme der späten Sowjetunion | |
erklärt: „Wir leben in seltsamen Zeiten, in denen wir uns mit Delikatessen | |
vollstopfen, aber nichts haben, um uns den Arsch abzuwischen!“ Putin löst | |
sie mit krimineller Energie – und erscheint zum nächsten Bankett mit einer | |
Kette Klopapier um den Hals. | |
Wenn „Putin[3][“ etwas belegt, dann dies, dass die] künstliche Intelligenz | |
ein mächtiges Mittel sein mag, aber ein Film immer noch ein Drehbuch und | |
ein gewisses Gespür für Inszenierung braucht. Der von Patryk Vega | |
vorgetragene Anspruch, etwas zu Putin und dessen „dunkle Seiten“ zu sagen | |
zu haben, verliert sich in dieser geschmacklosen Montage raunender | |
Pseudo-Bedeutsamkeit. Da kann die KI nichts dafür. | |
12 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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