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# taz.de -- Bundestagswahlkampf der SPD Berlin: Gnadenlos abgestraft
> Berlins Ex-Regierender Michael Müller fällt bei der SPD-Listenaufstellung
> für die Bundestagswahl durch. Spitzenkandidat wird ein nahezu
> Unbekannter.
Bild: Ins Aus geschossen: SPD-Ex-Landeschef und Ex-Senatschef Michael Müller
Berlin taz | Gut möglich, dass Berlins SPD am Mittwoch das Ende der
Bundeskarriere ihres ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller
besiegelt hat. Müller sitzt seit 2021 im Bundestag – und will das
eigentlich auch weiterhin.
Allein, eine Mehrheit der rund 260 Vertreter:innen der Hauptstadt-SPD,
die am späten Abend im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg über ihre
[1][Landesliste für die vorgezogene Bundestagswahl] abstimmten, ließ ihn
mit seiner Bewerbung abblitzen.
Bei einer Kampfkandidatur um den für einen Einzug in den Bundestag
aussichtsreichen Listenplatz 3 zog Müller den Kürzeren. Eine weitere
Kandidatur um einen weniger sicheren Platz weiter hinten kam für den
Ex-Chef der Landespartei und Ex-Senatschef dann schon nicht mehr infrage.
Müller war eingeschnappt, zog seinen Mantel an und verließ das
Parteitreffen vorzeitig. Die Reaktionen der Genoss:innen schwankten
zwischen „Was für ein peinlicher Abgang!“ und „Warum sollte er sich die
Versammlung noch weiter antun?“
## Müller vor dem Aus
Fest steht: Sofern Müller am 23. Februar nicht seinen 2021 direkt
gewonnenen Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf verteidigt, war es das für
ihn. Die Chancen, dass ihm das gelingt, stehen mittelprächtig. Nach
derzeitigem Stand ist fraglich, ob die SPD in Berlin überhaupt einen
Wahlkreis holen kann.
In dem Fall würden ausschließlich die Kandidat:innen der Landesliste in
den Bundestag kommen. Und auch hier gelten aktuell nur die ersten vier
Plätze als sicher. Umso größer war im Vorfeld das Gerangel um eben diese
Plätze.
Am Mittwoch setzten sich schließlich auf den Plätzen 1 bis 3 die [2][von
großen Teilen der Parteilinken und mehreren mitgliederstarken, vornehmlich
Westberliner Kreisverbänden] unterstützten Kandidat:innen durch.
Müller – zwar ebenfalls aus einem einflussreichen Westbezirk, aber in der
SPD-Bundestagsfraktion beim in Berlin unbeliebten konservativen
Parteizusammenschluss „Seeheimer Kreis“ angedockt – hatte das Nachsehen.
## Ruppert Stüwe führt die Liste an
Wie zuvor intern abgesprochen, wurde der Bundestagsabgeordnete Ruppert
Stüwe aus Steglitz-Zehlendorf auf den ersten Listenplatz gewählt, über den
ein Genosse am Rande des Parteitreffens zur taz sagte: „Unseren
Spitzenkandidaten kennt doch draußen niemand.“
Auf Platz 2 folgte [3][die ehemalige Jusos-Chefin Annika Klose aus Mitte],
die wie Stüwe 2021 über die Landesliste in den Bundestag einzog. Im Kampf
um Platz 3 setzte sich – eben gegen Michael Müller – der Abgeordnete Hakan
Demir durch, der damals seinen Wahlkreis Neukölln direkt gewonnen hatte.
Absprachen hin oder her: Dass Ruppert Stüwe am Ende das Rennen um Platz 1
machen würde, war keinesfalls sicher. Denn auch er sah sich mit einer
Kampfkandidatur konfrontiert.
Kurz vor dem Parteitreffen hatte [4][die im Zuge der Wiederholungswahl
Anfang 2024 aus dem Bundestag geflogene Ex-Abgeordnete Ana-Maria Trăsnea]
aus Treptow-Köpenick bekanntgegeben, sich ebenfalls um Platz 1 bewerben zu
wollen. Es sei wichtig, dass die Partei mit einer Frau an der Spitze der
Landesliste in die Wahl zieht, erklärte Trăsnea.
## Kampfkandidatur um Platz 1
Der 46-jährige Stüwe rührte in seiner Bewerbungsrede dann zwar die linken
Herzen, indem er nicht mit Kritik an der eigenen Partei sparte, namentlich
am Wahlprogramm. So betonte er, dass er es vermisse, dass von der SPD „das
Thema ÖPNV groß gemacht wird“. Zudem warb er dafür, das kostenlose
Schulmittagessen nach dem Vorbild Berlins bundesweit einzuführen, denn:
„Wir von der SPD machen Politik dafür, dass es den Menschen besser geht.“
Den beeindruckenderen Auftritt hatte allerdings Trăsnea. „Ich habe fast
alles zu verlieren“, erklärte sie. „Für mich ist die Situation gerade wie
David gegen Goliath.“ Sie stehe auch dafür, dass die SPD zeigt, dass sie es
ernst meint mit dem Anspruch, eine vielfältige Partei sein zu wollen – für
die Frauen, die immer Platz machen sollten, und überhaupt für alle, „die
keine Lobby haben“.
Ostberlinerin, geboren in Rumänien, Kind einer Alleinerziehenden, erst 30
Jahre alt: Die als parteiflügel-unabhängig geltende Ana-Maria Trăsnea
lieferte die komplette Palette – und unterlag dann doch mit 128 zu 133
Stimmen gegen Stüwe.
Bei einer weiteren Kampfkandidatur um Platz 4 punktete sie immerhin fast
ebenso knapp gegen Sinem Taşan-Funke aus Tempelhof-Schöneberg, die zweite
ehemalige Jusos-Chefin in der Gesamtaufstellung der Parteilinken.
## „Kämpfen, kämpfen, kämpfen“
Sinem Taşan-Funke hatte in ihrer Rede mehrfach „die Superkraft der
Sozialdemokratie“ [5][gegen die Merz-CDU] beschworen und betont: „Ganz
viele haben uns bei dieser Bundestagswahl schon abgeschrieben. Was für ein
Irrtum.“
Ähnlich hatte es zuvor Landeschefin Nicola Böcker-Giannini formuliert. „Wir
haben eine Chance und eine klare Aufgabe und die heißt: kämpfen, kämpfen,
kämpfen“, sagte Böcker-Giannini und versuchte, die Genoss:innen zu
ermuntern, „mit Zuversicht, Mut und Optimismus in den Wahlkampf ziehen“.
Optimismus wird die Berliner SPD brauchen. In den letzten Umfragen wollten
gerade mal 13 Prozent der Berliner Befragten der Partei bei der
Bundestagswahl ihre Stimme geben. Ein formidabler Absturz im Bundestrend:
Vor etwas mehr als drei Jahren holte die SPD in der Hauptstadt noch 23,4
Prozent.
19 Dec 2024
## LINKS
[1] https://spd.berlin/magazin/aktuelles/lvv/
[2] /Bundestagswahlkampf-der-SPD-Berlin/!6054392
[3] /Verschaerfte-Sanktionen-im-Buergergeld/!6022897
[4] /SPD-Berlin-vor-der-Wahl/!5991378
[5] /Bundestagswahl-am-23-Februar/!6056240
## AUTOREN
Rainer Rutz
## TAGS
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SPD Berlin
Kai Wegner
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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