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# taz.de -- Death-Metal-Band aus den Neunzigern: Über fleischfressende Maden k…
> Wer die frühvollendete Band Death aus Florida nicht kennt, kann nun das
> wiederveröffentlichte Gesamtwerk entdecken. Ihr Death Metal ballert
> dreckig.
Bild: Death 1989 mit Chuck Schuldiner (2. v.l.)
Metal ist ein paradoxes Genre. Erhaben und albern, todernst und komisch,
theatralisch und von einem ausgeprägten Authentizitätsanspruch getrieben.
Primitiv und virtuos, was die musikalischen Herangehensweisen angeht.
Virtuosität kann allerdings auch Musikräume verengen. Dann bekommt man
etwas, das wirkt, als hätten die Menschen an den Instrumenten jeweils einen
rechten Winkel mit appliziertem Metronom im Hintern stecken. Je
kompliziertere Melodieläufe und perfekter durchkomponierte Breaks man
aufreiht, ohne dass alles auseinanderfliegt, desto besser. Das nennt sich
dann Progressive Metal, was ein wenig in die Irre führt, weil das
Musikverständnis in solchen Fällen ja ein sehr konservatives ist.
Virtuosität hat [1][Metal] zuletzt jedenfalls mehr und mehr infiziert.
Nicht flächendeckend, aber auch an den Rändern, den grimmigsten Spielarten,
Black und Death Metal. Mit mal tollen, mal faden Ergebnissen.
Ganz wesentlich beigetragen zur Verprogung auch der räudigsten Musik haben
bereits in den Neunzigerjahren des letzten Jahrtausends Death, eine
Death-Metal-Band aus Florida um den erfinderischen Gitarristen Chuck
Schuldiner. Der Bandname ist programmatisch, Death haben der Welt einige
der traumhaftesten Metal-Alben [2][in der Geschichte des Genres]
hinterlassen.
Wieder auf Vinyl
Fast das Gesamtwerk, aus Rechtegründen mit Ausnahme des Albums „Symbolic“,
ist von Relapse Records 2024 wieder auf Vinyl veröffentlicht worden. Wer
chronologisch vorgeht, [3][kann hören], wie eine Band ihre Möglichkeiten
mehr und mehr erweitert und so ihren eigenen musikalischen Kosmos erfindet.
Die ersten drei Alben sind noch schön-dumpfer Old-School-Death-Metal. Das
[4][Debüt „Scream Bloody Gore“] klingt wie vieles, was 1987 erschienen ist.
Grummelgitarren, Gekreische (Chuck Schuldiner keift seit jeher),
Prügelschlagzeug und Texte wie aus der Schmierkladde eines 15-jährigen
Splatterfans abgeschrieben: „Dreams of hate/Misery/Fill my mind/ Puke in
your face in disgust/It's time to die“ und so weiter und so fort.
So ging es dann auf den nächsten beiden Alben [5][„Leprosy“] und
[6][„Spiritual Healing“] weiter. Mit [7][„Human“] aber transformierten
Death 1991 sich selbst und das Genre gleich mit. Alles wurde rhythmisch
vertrackter, manisch kreisender, irrwitziger.
Man kann die Musik der letzten vier Death-Alben, die bis zum Krebstod Chuck
Schuldiners 2001 erschienen sind, auch anhand der diesen Sound wesentlich
mitbestimmenden Schlagzeuger beschreiben. Auf „Human“ legt Sean Reinert,
der ansonsten in der Progressive-Rock-Band Cynic tätig gewesen ist, die
Basis: abrupte Tempiwechsel, Double-Bass-Geboller, unterhaltsame Breaks und
die Suggestion, dass eigentlich alles spielbar ist, wenn man es will.
Auch die Gitarre beginnt auf „Human“ schon freizudrehen, zum Beispiel auf
dem irre schnellen „Together as One“. Mit diesem Werk kündigte sich bereits
an, was Death von vielen technisch versierten Metal-Bands unterscheidet.
Bei allem Virtuosentum ballert die Musik dennoch mit Nachdruck und wirkt
immer noch dreckig.
Melodien zugelassen
[8][„Individual Thought Patterns“] und „Symbolic“ schraubten Mitte 1990…
das Tempo vorübergehend runter, mit einem Mal waren Melodien zugelassen.
Schlagzeuger Gene Hoglan nahm den Ball auf, den Sean Reinert liegengelassen
hatte, und führte eine Verschleppungsästhetik ein. Immer wieder wird
gebremst und gestoppt, das Schlagzeug stolpert, die Songs zerfasern, bevor
der Sound mit Gewalt nach vorne durchbricht.
[9][„The Sound Of Perseverance“], drei Jahre vor Schuldiners Tod 2001
erschienen, löst die Strukturen dann auf. Bildlich gesprochen: Was man
damals unter Death Metal verstand, wird gedehnt und gebogen, ohne zu
brechen. Richard Cristy trommelt vor allem Breaks, und dass diese Musik
auch in den Hochgeschwindigkeitspassagen trotz allem schwer groovt, ist ein
kleines musikalisches Wunder. Befeuert durch einen hochmelodiösen Jazzbass,
gespielt von Scott Clendenin, den man im Metal so nie wieder gehört hat.
Schuldiners Songtexte waren ebenfalls modifiziert, vielleicht im Wissen,
dass man mit 31 nicht mehr nur über fleischfressende Maden singen kann. Der
Gestus aber bleibt der Gleiche: Es wird gekeift, unermüdlich, nur jetzt
eben nicht mehr irgendwelche unterhaltsamen Splatterfantasien, sondern
Tiefgründiges und Zwischenmenschliches („Enforce the words no more / Be
free alone, you might just find serenity / To forgive is to suffer / To
accept another day“).
Die letzten vier Alben bilden so etwas wie den Zenith. Musik, ohne die etwa
Mastodon, Today Is the Day oder Gojira nicht denkbar wären. In diesem Sinne
verhält es sich mit Death ähnlich wie mit den Beatles: Eine Band, die den
Grundstein für alles Weitere legt, spielt das Genre schon mal bis zum Ende
durch.
1 Jan 2025
## LINKS
[1] /Roadburn-in-Niederlanden/!6007990
[2] /Heavy-Metal-in-Nordischen-Botschaften/!5947239
[3] https://death.bandcamp.com/
[4] https://death.bandcamp.com/album/scream-bloody-gore-deluxe-reissue
[5] https://death.bandcamp.com/album/leprosy-reissue
[6] https://death.bandcamp.com/album/spiritual-healing-reissue
[7] https://death.bandcamp.com/album/human-reissue-2
[8] https://death.bandcamp.com/album/individual-thought-patterns-reissue-2
[9] https://death.bandcamp.com/album/the-sound-of-perseverance-reissue-2
## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
## TAGS
Musik
Metal
Heavy Metal
Festival
Heavy Metal
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