# taz.de -- Bebauung von Osnabrücker Grünflächen: Finger weg | |
> Beton statt Natur: Ein wichtiger Freiraum Osnabrücks, Teil der „Grünen | |
> Finger“, soll bebaut werden. Eine Protestkampagne wirft der Politik | |
> Wortbruch vor. | |
Bild: Natur nah an der Stadt: Belmer Bach bei Osnabrück | |
Viele Städte wären froh, besäßen sie, was Osnabrück besitzt: Ein System | |
naturnaher Freiflächen, das die offene Landschaft mit der Innenstadt | |
verbindet – gut für Biodiversität, Stadtklima, Grundwasser und Naherholung. | |
[1][Osnabrück nennt es: „Grüne Finger“]. | |
Das Problem: Freiräume wecken Bebauungswünsche. Derzeit im Visier der | |
Planer: ein Teil des Grünen Fingers „Röthebach/Belmer Bach“, geprägt von | |
Feldern und Wäldchen. Dort soll der „Förderschulcampus Friedensweg“ | |
entstehen, für die Montessori- und die Anne-Frank-Schule, beide | |
sanierungsbedürftig. Grüne, SPD, CDU und Volt haben es im Rat so | |
beschlossen, Anfang Dezember. | |
Das Forschungsprojekt der Hochschule Osnabrück [2][„Produktiv. Nachhaltig. | |
Lebendig. Grüne Finger für eine klimaresiliente Stadt“] hat zwar 2018 bis | |
2021 den ökologischen und sozialen Wert der Grünen Finger bekräftigt. Und | |
es gibt einen Ratsbeschluss von 2022, der die Grünen Finger als | |
„identitätsstiftend“ bezeichnet und ihnen eine „herausragende Bedeutung�… | |
attestiert. Sie seien zu schützen, weiterzuentwickeln. | |
## Vom Freiraum her gedacht | |
Auch Osnabrücks Integriertes [3][Stadtentwicklungsprogramm (Step) | |
„Erkennen. Erhalten. Entwickeln“] hat die Grünen Finger 2024 räumlich fin… | |
definiert, auf der Grundlage von „Produktiv. Nachhaltig. Lebendig“. | |
Osnabrück solle künftig „vom Freiraum her gedacht werden“. Aber der | |
Förderschulcampus zeigt: Es gibt Ausnahmen. | |
Das [4][Umweltforum Osnabrücker Land] ist empört. Die Politik sei | |
„wortbrüchig“ geworden. „Das ist absolut widersinnig“, sagt Andreas Pe… | |
der taz, Vorsitzender des Forums. „Das ist ein Kaltluftentstehungsgebiet! | |
Und da soll jetzt massiv gebaut werden?“ Jüngst hat sich im Forum ein | |
Kampagnenbündnis gebildet, das auf einen Planungs- und Baustopp zielt. Mit | |
dabei: Die Bürgerinitiativen „Naturnaher Schinkel“ und „Schutz des Grün… | |
Fingers Sandbachtal“. | |
„Die Stadt sagt, ihr seien die Grünen Finger wichtig“, sagt Marita Thöle | |
vom Lenkungsteam der Kampagne zur taz. „Aber ständig sind sie beschnitten | |
worden. Und diese Salamitaktik geht weiter.“ Die Politik mache sich | |
unglaubwürdig: „Die tun so, als hätten wir eine zweite Erde.“ | |
## Bach wird renaturiert | |
„Die Grünen Finger haben in den städtebaulichen Planungen der Stadt | |
Osnabrück eine herausragende Bedeutung“, schreibt Simon Vonstein der taz, | |
Sprecher der Stadt Osnabrück. Im Step sei „an wenigen Stellen“ eine | |
Neuabgrenzung der Grünen Finger „zugunsten einer Siedlungsentwicklung“ | |
vorgenommen worden. „Allerdings geschah dies vor dem Hintergrund der | |
Abwägung der Belange des Natur- und Freiraumschutzes.“ Die beeinträchtigten | |
Funktionen, schreibt das Step vor, würden aufrechterhalten: „Der | |
funktionsbezogene Ausgleich innerhalb des Grünen Fingers ist im | |
Bebauungsplanverfahren zu sichern.“ | |
Beim Röthebach/Belmer Bach umfasse das, so Vonstein, dass „der derzeit | |
teilweise verrohrte und stark begradigte Lauf des Röthebaches reaktiviert | |
und renaturiert“ werde. „Die Nord-Süd-Durchlüftungsschneise bleibt | |
erhalten.“ Insgesamt werde „verglichen zur vorherigen, größtenteils | |
landwirtschaftlichen Nutzung eine ökologische Aufwertung erreicht“. | |
„Die Idee des Förderschul-Campus am Standort ist seit Jahren bekannt“, sagt | |
Volker Bajus der taz, Vizevorsitzender der Stadtratsfraktion der Grünen. | |
„Die Kritik kommt daher für uns überraschend.“ Ursprünglich habe die Sta… | |
die Flächen erworben, um dort eine dichte Wohnbebauung zu schaffen. Auf | |
Druck der Grünen sei darauf verzichtet worden. „Mit einer | |
Machbarkeitsstudie wurde untersucht, wie eine Teilfläche schonend für den | |
Förderschulcampus nutzbar ist, während der andere Teil ökologisch | |
aufgewertet und für die Naherholung überhaupt erstmals zugänglich gemacht | |
werden kann.“ | |
## Pufferfläche für Regenfälle | |
Bajus betont: „Wenn das Umweltforum jetzt neue Hinweise hat, dass dies | |
nicht aufgeht, nehmen wir das sehr ernst.“ 100 Hektar planungsrechtlich | |
vorbereiteter Bauflächen, die in den Grünen Fingern lagen, würden durch die | |
Flächendefinition des Step nicht mehr weiterverfolgt. Verblieben seien nur | |
gut 15 Hektar, ein Fünftel davon für den Förderschulcampus. | |
Das „Gesamtergebnis“ bewertet Landschaftsplaner Hubertus von Dressler, | |
emeritierter Professor der Hochschule Osnabrück, der „Produktiv. | |
Nachhaltig. Lebendig“ geleitet hat, „in diesem Punkt positiv“, die Idee d… | |
Ausgleichsmaßnahmen inklusive. | |
In „allen weiteren Punkten“ des Grüne-Finger-Beschlusses von 2022 komme er | |
aber „zu einem negativen Urteil“, schreibt er der taz. Insbesondere habe | |
mit dem Beschluss des Step eine Grüne-Finger-Charta beschlossen werden | |
sollen. „Das ist einfach bisher übergangen worden.“ | |
Das Entwicklungskonzept des Forschungsprojektes sehe das Umfeld des | |
Röthebachs für die Schaffung einer Schwammzone vor, eines Feuchtgebiets, | |
als „großräumige Pufferfläche für Starkregen und zur Kühlung der Stadt�… | |
Aber: Die Chance, den betroffenen Raum „meinetwegen auch in Verbindung mit | |
der vorgesehenen Bebauung der Schulen“ beispielhaft im Sinne der | |
Klimaresilienz von Osnabrück zu entwickeln, werde „offensichtlich vertan“. | |
31 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gruenflaechen-in-der-Stadt/!5867846 | |
[2] https://www.fona.de/de/massnahmen/foerdermassnahmen/Klimaresilienz/gruenefi… | |
[3] https://entwickelt.osnabrueck.de/de/stadtraeume-gestalten/stadtentwicklungs… | |
[4] https://umweltforum-osnabrueck.de/ | |
## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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