# taz.de -- Mensch und Tier in der Antike: Der Esel war meistens der Dumme | |
> Die Ausstellung „Einfach unentbehrlich“ in Berlin widmet sich dem Esel in | |
> der Antike. Sie erzählt von Ausbeutung, Gewalt – und ein bisschen Liebe. | |
Bild: Wichtiges Nutztier mit einst schlechtem Leumund: der Esel | |
Bald hat er wieder seinen einen großen Auftritt im Jahr, [1][der Esel], das | |
alte Grautier. Darf vor der Krippe stehen und ein weiches, weißes Maul | |
haben. Dabei können Esel auch anders. Auf einem Relief im Grab des | |
Anchmahor in der ägyptischen Begräbnisstätte Sakkara dreht sich ein Esel | |
um und starrt mit gebleckten Zähnen und angelegten Ohren den Eseltreiber | |
hinter sich an. | |
Vor rund 4.300 Jahren in den Kalkstein gemeißelt, sieht dieser Esel noch | |
immer bedrohlich aus, zumindest wehrhaft. Besser so: Im etwas älteren Grab | |
des Ti am gleichen Ort, etwa 20 Kilometer südwestlich von Kairo am Nil | |
gelegen, zeigt ein Relief einen Hirten, der mit einem Stock auf einen Esel | |
einprügelt, ein anderer zieht ihm an Ohr und Vorderbein. Tierquälerei | |
gehörte zur Hochkultur. | |
Zu sehen sind diese Fotografien alter Grabwände in der Ausstellung „Einfach | |
unentbehrlich. Der Esel in der antiken Welt“ im Neuen Museum auf der | |
Berliner Museumsinsel. Weil der Esel zwar nach Hund, Ziege, Schaf, Schwein | |
und Rind, aber vor Pferd, Kamel und Dromedar domestiziert wurde – | |
vielleicht vor fünf-, sechs- oder gar siebentausend Jahren –, spielte er im | |
Alltag der Bewohner:innen der alten Reiche Ägyptens und Mesopotamiens | |
und auch in der späteren griechisch-römischen Zeit eine tragende Rolle. | |
Also findet er sich auch in den Objekten dieser Epochen, die die | |
Staatlichen Museen Berlin besitzen. Fotografien aus Gräbern, Tontafeln, | |
kleine Terrakottafiguren, Papyri und Tontöpfe haben die Kuratoren aus den | |
Depots von Ägyptischem und Vorderasiatischem Museum geholt, kleine | |
Amulette, einen Eselsattel – kontrastiert mit Eselfotos aus der Jetztzeit. | |
Wie heute war die Haltung der Menschen gegenüber dem Esel zwiespältig. | |
Eine kleine Tonfigur, getöpfert irgendwann zwischen 300 vor und 300 nach | |
Christus in Ägypten, zeigt einen Esel, der zwei Tragekörbe auf seinem | |
Rücken trägt, im Verhältnis riesig groß. Ein Spielzeug? Ein Kultobjekt? Das | |
wissen wir nicht, nur, dass die Figur vom Alltag der Tiere berichtet. | |
Geritten wurden sie in Ägypten eher nicht. Esel schleppten schwere Lasten, | |
Säcke mit Getreide, Olivenöl, Textilien, Bitumen, Holz, Edelsteine, Salz | |
oder Metalle. | |
Die Karawanen, die zu Beginn des 2. Jahrtausends in dem weit verzweigten | |
Handelsnetz zwischen Mesopotamien, Anatolien und Ostsyrien Rohstoffe und | |
Waren transportierten, konnten bis zu 3.000 Esel und Maultiere umfassen, | |
heißt es in dem Katalog [2][zur Ausstellung]. Die Tiere bildeten „das | |
Rückgrat des internationalen Handels und hatten maßgeblichen Einfluss auf | |
das wirtschaftliche Wachstum“. | |
Etwa 20 Prozent seines eigenen Gewichts kann ein Esel tragen. Wie schwer | |
das ist, können Besucher:innen der Ausstellung auf einem runden, grünen | |
Podest ausprobieren. In der Mitte ist eine Ziehwaage angekettet. Wer sein | |
Gewicht kennt, kann so lange ziehen, bis 20 Prozent erreicht sind. | |
Einmal Schwung nehmen und ziehen ist leicht – das Gewicht ein paar Minuten | |
halten hingegen schwer. Die Esel der Karawanen trugen ihre Krüge und Säcke | |
Wochen und Monate durch die trockene Landschaft, bis zu 30 Kilometer am | |
Tag. Leicht hatten sie es nicht, die Esel, vor allem, weil sie regelmäßig | |
überladen wurden. An aufgefundenen Eselskeletten zeigten sich deutliche | |
Überlastungsschäden. | |
## Esel waren teuer | |
Versteht sich, dass ein solch kräftiges Nutztier teuer war. Zwei Tontafeln | |
der Ausstellung, gebrannt zirka 2.600 bis 2.500 vor Christus in | |
Mesopotamien, zeigen das. Die Tafeln entstammen der Buchhaltung der | |
Tempelverwaltung der antiken Stadt Schuruppak, im heutigen Irak gelegen. | |
Die Verwaltung nannte 320 Esel ihr Eigen, die sie gegen Geld oder | |
Arbeitsleistungen an die Bauern der Stadt vermieteten. | |
Eigene Esel konnten sich die Landwirte nicht leisten, spannten diese aber | |
lieber vor ihre Pflüge als Rinder, weil sie leichter zu hüten und zu | |
erziehen waren und sich im Zweifel sogar selbst gegen Raubtiere verteidigen | |
konnten. Deshalb liehen sie die Tiere bei der Tempelverwaltung. Die | |
Geschäftsbeziehungen wurden in Verträgen penibel verhandelt und | |
dokumentiert. | |
Ein Papyrus aus dem ägyptischen Soknopaiou Nesos von 33 nach Christus | |
berichtet von einem Stotoetis, der einem Phasis für sechs Monate eine weiße | |
Eselin und ihr Fohlen vermietet. Phasis muss monatlich drei Drachmen zahlen | |
sowie die Kosten für den Unterhalt der Eselin und alle anfallenden Steuern | |
begleichen. | |
Nach Ende der Mietzeit, besagt der Vertrag, müssen beide Tiere gesund, gut | |
genährt und unbeschädigt an Stotoetis zurückgegeben werden. Der Wert der | |
Eselin wird mit 120 Drachmen, der für ihr Fohlen mit 48 Drachmen angegeben. | |
Das war viel Geld – ein Schwein etwa war schon für 20 Drachmen zu haben. | |
## Schlechter Leumund | |
So wertvoll und nützlich die Esel waren, so schlecht war ihr Leumund. Neben | |
anderen Tieren verliehen sie dem Wüstengott Seth Gestalt, einer | |
zwielichtigen Figur, die Chaos und Verderben brachte, allerdings auch | |
Schutzgott der Oasen war. Die Ausstellung zeigt verschiedene Skarabäen, | |
Glück bringende kleine Amulette aus Stein in Form von Mistkäfern, die | |
Bilder von Tieren tragen. Ein wenig Fantasie ist nötig, um in den | |
Ritzungen Esel zu erkennen, denn auch andere Tiere hatten die zweifelhafte | |
Ehre, den Chaos-Gott zu symbolisieren, Hunde, Antilopen oder Schweine etwa. | |
Dem Esel auf jeden Fall hat seine Gottesnähe nichts genutzt, im Gegenteil. | |
„Die Jagd auf Wildesel hatte im Alten Ägypten auch eine religiöse | |
Bedeutung“, schreiben die Kurator:innen im Ausstellungskatalog, „… ihre | |
Tötung wurde mit der Beseitigung des Chaos gleichgesetzt.“ Mit einem | |
Papyrus aus der Sammlung des Ägyptischen Museums quittiert der staatliche | |
Jäger Dionysos der Stadtverwaltung, dass er von ihren Arbeitskräften bei | |
der Eseljagd unterstützt worden war. Wie [3][Wildpferde oder Wildrinder | |
wurden Wildesel als große Pflanzenfresser unerbittlich gejagt]. Als | |
Nutztiere waren sie wichtig, als Konkurrenten um Land oder als Gefahr für | |
die Nutztierherden hingegen wurden sie beseitigt. | |
Heute ist der afrikanische Wildesel, die Stammform aller Hausesel, akut vom | |
Aussterben bedroht. Lebte er einst in weiten Teilen Nordafrikas, am Roten | |
Meer und in Somalia, finden sich derzeit nur noch wenige Hundert Tiere in | |
Äthiopien, Eritrea, dem Sudan und auch in Ägypten. Als Nutztier [4][wird | |
der Esel dort noch immer verwendet], wie in vielen Ländern des Globalen | |
Südens. Bei uns dient er als Freizeittier – und natürlich alle Jahre wieder | |
als Schmuck der Weihnachtskrippe. | |
26 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!6000122 | |
[2] https://www.smb.museum/ausstellungen/ | |
[3] /Beziehung-von-Mensch-und-Pferd/!5813495 | |
[4] /!5998511/ | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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