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# taz.de -- Beirat der Rom*nja und Sinti*zze: Minderheit soll mitreden
> Kurz vor Jahresende erfüllt sich eine lang gehegte Forderung der
> Rom*nja- und Sinti*zze-Community: Sie hat ab sofort einen eigenen
> Beirat.
Bild: Bedrohtes Mahnmal – hier bei einer Gedenkveranstaltung im Jahr 2022
Berlin taz | Ein Beirat für Romn*ja und Sinti*zze wird dem Senat
zukünftig bei der Arbeit auf die Finger schauen. Damit räumt Berlin der
Minderheit ein offizielles und gesetzlich geregeltes Mitspracherecht ein.
Angemessen wäre das schon lange gewesen: Zu oft labelt die selbsterklärte
Mehrheitsgesellschaft alles, was Romn*ja und Sinti*zze betrifft, als
„irgendwas mit Integration“. Sinti*zze und Romn*ja leben aber seit
Hunderten von Jahren auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.
Ein vergleichbares Gremium gibt es bisher bundesweit nur in
Baden-Württemberg, dort existiert es im Rahmen eines Staatsvertrags.
Berlins Beirat geht auf die langjährige Initiative und Arbeit der
Selbstorganisationen von Romn*ja und Sinti*zze zurück. Der Beirat sei
„ein Meilenstein“, heißt es aus der Senatsverwaltung für Partizipation und
Antidiskriminierung. Dass es ihn gibt, ist im Gesetz zur Förderung der
Partizipation in der Migrationsgesellschaft des Landes Berlin (PartMigG)
verankert. Dort ist auch die Wahlordnung festgelegt.
Seit dieser Woche gibt es den Beirat nun ganz konkret: Am Montag hat
erstmals die Wahl dafür stattgefunden. Dazu waren fünf Berliner Vereine und
der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg aufgerufen,
die sechs stimmberechtigten Mitglieder sowie stellvertretende Mitglieder zu
wählen (s. Kasten). Jeder Verein hatte je sechs Stimmen, die sie allerdings
auf mehrere Personen verteilen mussten, um nicht nur die eigenen
Vertreter*innen zu wählen. Die Mitglieder sind für drei Jahre gewählt,
der Posten ist ehrenamtlich. Ende Januar soll die konstituierende Sitzung
folgen.
## Im Gesetz verankert
„Wir freuen uns“, sagt Isidora Randjelovič, Vorsitzende des feministischen
Vereins RomaniPhen. „Wichtig war uns, dass der Beirat tatsächlich im Gesetz
verankert ist. Das heißt, der ist bleibend“, sagt sie. „Die nun gewählten
Mitglieder repräsentieren eine gute Mischung: Darunter sind
Vertreter*innen der unterschiedlichen internationalen Berliner
Communitys und Herkunftsländer, aber auch viel Kompetenz aus der Bildung
und der Kultur“, findet Randjelovič. Aus feministischer Perspektive begrüße
sie insbesondere die Wahl von Petra Rosenberg, Hajdi Barz sowie von
Magdalena Lovrić. Lovrić ist Projektkoordinatorin bei der Stiftung
Erinnerung, Verantwortung, Zukunft.
Petra Rosenberg, selbst Vorsitzende des Berlin-Brandenburgischen
Landesverbands, hat am meisten Stimmen bekommen. An zweiter Stelle steht
Hajdi Barz, Mitglied von RomaniPhen, an dritter Stelle Milan Raković vom
Rroma Informations Centrum. Die Wahlordnung legt fest, dass mindestens die
Hälfte der gewählten Personen weiblich ist, außerdem sieht sie weitere
Quotierungen nach Hintergrund vor.
„Wir hoffen, dass wir mit dem Beirat dann offener, flexibler und schneller
auf Belange der Community reagieren können“, sagt Randjelovič. „Aktuell i…
ja auch immer noch unser Denkmal in Gefahr. Es ist wichtig, dass das Thema
wird.“ Am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma
Europas im Tiergarten soll unterirdisch eine S-Bahn-Trasse entlang führen.
Schon jetzt ist absehbar, dass im Zuge der Bauarbeiten Bäume im Umfeld des
Denkmals gefällt werden.
[1][Initiativen sehen dadurch das Denkmal an sich bedroht] und protestieren
seit Jahren für einen vollständigen Erhalt. Der bundesweit agierende
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hingegen zeigte sich unter bestimmten
Bedingungen zu Zugeständnissen bereit. Dies wiederum hatte tiefe
Verwerfungen in der Community offenbart.
Der Beirat soll den Senat bei „Fragen der Partizipation und
gleichberechtigten Teilhabe von Rom*nja und Sinti*zze im Land Berlin“
beraten. Er soll auf Hürden und Diskriminierung hinweisen und diese
abbauen. Das Gremium wird mehrmals pro Jahr tagen und muss sich noch eine
Geschäftsordnung geben. Neben den sechs gewählten Mitgliedern sind noch der
Staatssekretär für Antidiskriminierung und für Partizipation, Max Landero
Alvarado (SPD), die Staatssekretärin für Bildung, Christina Henke (CDU),
sowie die Beauftragte für Partizipation, Integration und Migration,
Katharina Niewiedzial, Teil des Beirats.
## Berlin mit Vorbildfunktion
Sie gratuliere allen gewählten Vertreter*innen, schreibt Susanna Kahlefeld,
Sprecherin für Beteiligung und Engagement der Grünen-Fraktion im
Abgeordnetenhaus in einer Mitteilung. „Rom*nja und Sinti*zze sind eine
der größten und ältesten Minderheiten Europas und weiterhin von
Marginalisierung und vielfacher Diskriminierung betroffen.“ Berlin nehme
damit eine Vorbildfunktion ein. Der Beirat, der auf eine Initiative von
Rot-Rot-Grün zurückgehe, sei das Ergebnis „der guten Zusammenarbeit
zwischen Initiativen und Akteur*nnen der Community, der Politik und der
Verwaltung“.
Auch die Linke gratuliert und lobt, dass es den Beirat nun gibt.
Gleichzeitig fordert sie vom Senat eine entsprechende Politik ein: „Viele
andere Anliegen von Rom*nja und Sinti*zze und strukturelle Veränderungen
für den Kampf gegen Antiziganismus und Rassismus gegen Rom*nja und
Sinti*zze hat der Senat nicht umgesetzt“, kritisiert Elif Eralp,
Sprecherin für Migration und Partizipation sowie Antidiskriminierung der
Linke-Fraktion. „Rom*nja und Sinti*zze erfahren in allen Lebensbereichen
Diskriminierung, vor allem im Kontakt mit Leistungsbehörden und in
Schulen“, sagt sie.
Die Dokumentationsstelle Antiziganismus fordere daher schon seit Langem die
Abschaffung einer sogenannten Arbeitshilfe für die Jobcenter mit dem Titel
„Bekämpfung von bandenmäßigem Leistungsmissbrauch im spezifischen
Zusammenhang mit der EU-Freizügigkeit“. Diese sei diskriminierend – das
sehe auch die beim Senat angesiedelte LADG-Ombudsstelle so –, der Senat
halte aber trotzdem daran fest. Eralp fordert außerdem, dass der Senat
seine Beschäftigten etwa an den Schulen und in der Bildungsverwaltung mehr
als bisher zu Antiziganismus schulen müsse.
## „Tragen große Verantwortung“
„Wir tragen mit Blick auf die deutsche Geschichte eine große Verantwortung
für Rom*nja und Sinti*zze“, sagt ein Sprecher der Senatsverwaltung für
Vielfalt und Antidiskriminierung. Dieser Verantwortung könne Berlin jetzt
mit der Gründung des Beirates noch besser gerecht werden.
Welche Themen der Beirat selbst in den Blick nehmen wird, wird sich zeigen,
wenn er Anfang des Jahres seine Arbeit aufnimmt. Außerdem erstmals
eingesetzt wird eine Ansprechperson des Landes zu Antiziganismus. Laut
Verwaltung wird sie voraussichtlich im 1. Quartal 2025 ihr Amt antreten und
eng mit dem Beirat zusammenarbeiten.
„Wir sind gespannt, wer Ansprechperson für Rom*nja und Sinti*zze beim
Senat wird“, sagt RomaniPhen-Vorsitzende Randjelovič. Offen sei auch noch,
wo die Geschäftsstelle des Beirats angesiedelt werde. „Die wird ja eine
wichtige Koordinierungsstelle.“ Auch hier sei denkbar, dass sie bei einer
der zivilgesellschaftlichen Initiativen ihr Büro bekommen könnte.
23 Dec 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Uta Schleiermacher
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Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti
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Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Rassismus
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