| # taz.de -- Aktivistin über Minderheitenbeteiligung: „Das war längst überf… | |
| > Um Rechte von Rom*nja und Sinti*zze durchzusetzen, hat Berlin nun | |
| > einen eigenen Beirat. Der ist gut vorbereitet, sagt Mitglied Hajdi Barz. | |
| Bild: Roma-Day am 8. April 2023 in Berlin. Auch an diesem Dienstag läuft eine … | |
| taz: Frau Barz, was ist aus Ihrer Sicht nötig, um Sinti*zze und Rom*nja | |
| in Berlin zu schützen und ihre Lage zu verbessern? | |
| Hajdi Barz: Wichtig und dringend ist das Bleiberecht: Die Ausländerbehörde | |
| soll Handlungs- und Ermessensspielräume nutzen, um Kettenduldungen zu | |
| beenden und Aufenthalte zu ermöglichen. Wir fordern auch die Wiedereinreise | |
| von Rom*nja, die Berlin trotz Schulbesuch und Ausbildung abgeschoben hat – | |
| oder trotz Gesundheitsbeschwerden. Auch für Menschen, die das Land | |
| ausweist, obwohl ihre Familie hier lebt oder obwohl sie hier geboren sind. | |
| Die Landesregierung soll Abschiebungen von Rom*nja sofort beenden und | |
| anerkennen, dass sie in den Herkunftsländern nicht sicher sind. | |
| taz: Was macht die Situation von Rom*nja so prekär? | |
| Barz: Das sind kumulative Verfolgungsgründe: Diskriminierungen auf dem | |
| Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche, im Bildungssystem, in der | |
| Gesundheitsversorgung oder im Alltag verstärken sich gegenseitig. Und das | |
| über Generationen hinweg. Das Konstrukt „Sichere Herkunftsländer“ | |
| funktioniert einfach nicht. | |
| taz: Was wollen Sie im [1][Beirat für Rom*nja und Sinti*zze] nun | |
| besonders vorantreiben? | |
| Barz: Wir haben uns bisher zur konstituierenden Sitzung getroffen und dabei | |
| auch die Themen abgesteckt, die uns erst mal am wichtigsten sind. Und ich | |
| muss sagen, da hat die [2][Unabhängige Kommission Antiziganismus] schon gut | |
| vorgearbeitet. Das war ein bundesweites Gremium, das auch für die Länder | |
| einige Empfehlungen erarbeitet hat. | |
| taz: Die [3][Kommission hat ihre Empfehlungen 2021] vorgestellt. | |
| Barz: Persönlich denke ich, Berlin hätte sich auch vorher schon daran | |
| machen können, die Empfehlungen daraus umzusetzen. Hamburg ist schon etwas | |
| weiter: Sie haben dort den Bericht bereits partizipativ besprochen und sind | |
| dabei, die Empfehlungen in einer Gesamtstrategie umzusetzen. | |
| taz: Was läuft gut in Hamburg? | |
| Barz: Gut finde ich zum Beispiel die Wahrheitskommission zum Unrecht nach | |
| 1945, das heißt dort „Selbstreflexion der Verwaltung“. Da geht es um die | |
| Frage, welche Institutionen Unrecht ausgeübt haben. Das wäre unser | |
| Anliegen, das ernst zu nehmen. Da geht es um die Frage, was ist das | |
| fortgesetzte Unrecht, wer sind die Opfer und wer sind die Täter? Und was | |
| sind die Konsequenzen daraus? Auch nach 1945 haben Institutionen Rom*nja | |
| noch nahegelegt, sich sterilisieren zu lassen. Es kann auch symbolische | |
| Gutmachung sein. Das muss in die Hände der Länder, denn es geht um die | |
| Verstrickung etwa von Jugendämtern, Schulen und Polizei. Und dazu braucht | |
| es Geld. | |
| taz: Wo hängt Berlin noch hinterher? | |
| Barz: Berlin hätte zum Beispiel einen unserer Verbände als klageberechtigt | |
| im Sinne des Landesantidiskriminerungsgesetzes anerkennen können. Das ist | |
| wichtig, um Betroffene von Diskriminierung dabei zu unterstützen, ihre | |
| Rechte durchzusetzen. | |
| taz: Wie wichtig ist denn der Beirat für Berlin? | |
| Barz: Der Beirat ist wichtig. Er war längst überfällig, wir haben ihn lange | |
| gefordert. Es wird unsere Rolle als zivilgesellschaftlicher Teil des | |
| Gremiums sein, darauf zu drängen, dass unsere Anliegen umgesetzt werden. Es | |
| gab aber auch vorher schon eine aktive Zivilgesellschaft, mit der der Senat | |
| Vorhaben hätte umsetzen können. | |
| taz: Ist der Beirat also doch eher Symbolpolitik? | |
| Barz: Ich denke, der Beirat kann in Berlin zu einer starken | |
| Professionalisierung in der Zusammenarbeit mit Rom*nja und Sinti*zze | |
| führen. Das ist eine gute Gruppe, und es geht jetzt darum, wer | |
| mitentscheiden und mitdiskutieren darf und wie wir die Expertise vor Ort | |
| gut einbinden, um auf lokale Bedarfe einzugehen. Das Potenzial ist da, es | |
| ist viel anzugehen. Und das Gute ist: Es ist alles schon aufgeschrieben, | |
| wir müssen nur anfangen, die Dinge umzusetzen und herausfinden, was gut | |
| funktioniert. Das Rroma-Info-Centrum e. V. plant auch weiterhin das | |
| parlamentarische Frühstück, um uns bei den Abgeordneten zu etablieren. | |
| Jetzt ist der Zeitpunkt, um die Sachen anzugehen – so schnell wie möglich. | |
| taz: [4][Antidiskriminierungsarbeit hat viel mit Bildung] zu tun. Was | |
| fordert der Beirat für die Arbeit an Schulen? | |
| Barz: Auch hier haben wir schon eine große Expertise. Der Landesverband | |
| Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, das Rroma- Informations-Centrum, | |
| RomaniPhen und AmaroForo, aber auch die Gedenkstätte Zwangslager | |
| Berlin-Marzahn machen schon lange Bildungsmaterialien und Fortbildungen – | |
| eigentlich für die ganze Bundesrepublik. Die Frage für uns ist: Wie kriegen | |
| wir das Fachwissen in die Schulen? Sinti*zze und Rom*nja kommen in den | |
| Lehrplänen inzwischen vor. Aber viele Lehrer*innen haben kaum Fachwissen | |
| dazu und verwenden dann teils rassistische Materialien. Hier müssen die | |
| Initiativen noch mehr angefragt werden. Auch wenn es um Expertise für | |
| Schulbücher geht. Wir sehen auf der anderen Seite, wie Kinder und | |
| Jugendliche sich engagieren und sich dagegen wehren, wenn etwa eine | |
| [5][Vertreterin der AfD an ihrer Schule sprechen soll]. Wie wir | |
| Schüler*innen vor rechter Gewalt schützen können – das ist eine Frage, | |
| die inzwischen wohl noch mehr drängt als vor ein paar Jahren. | |
| taz: Die [6][Bahn plant den Bau einer S-Bahn-Trasse, die Arbeiten werden | |
| das Denkmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma beeinträchtigen]. | |
| Barz: Uns ist der Schutz des Mahnmals sehr wichtig. Und es gab bisher kein | |
| pädagogisches Begleitmaterial für Besucher*innen. Der Verein RomaniPhen hat | |
| eine umfassende App für das Denkmal entwickelt, in die sind viele | |
| Recherchen eingeflossen. Die kann dann vor Ort genutzt werden. Darin gibt | |
| es Informationen, aber auch Interviews mit Menschen, die erzählen, was | |
| ihnen das Mahnmal persönlich bedeutet. | |
| taz: Aber der Stand ist, dass das Mahnmal von den Bauarbeiten | |
| beeinträchtigt werden wird. Wird sich der Beirat dagegenstemmen? | |
| Barz: Selbstverständlich. | |
| 7 Apr 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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