# taz.de -- Doku über deutsche Entertainer-Ikone: Das deutsche Trauma weggelac… | |
> 20 Millionen Zuschauer schauten zu, wenn Heinz Schenk die alte BRD mit | |
> Nonsens und sexistischen Witzen unterhielt. Eine Doku erinnert an sein | |
> Werk. | |
Bild: Lia Wöhr als Wirtin und Heinz Schenk als Oberkellner in der Sendung „B… | |
Man kannte ihn. Es war ja auch wirklich schwer, an [1][Heinz Schenk] | |
vorbeizukommen. Drei TV-Programme gab es damals in der alten | |
Bundesrepublik. Im Ersten sang man, witzelte und trank Äppler aus dem | |
Bembel, im ZDF kam vielleicht ein US-Spielfilm in der xten Wiederholung und | |
das Dritte lieferte eh noch kein vollwertiges Programm. | |
Und so kam es, dass nicht selten 20 Millionen Menschen eingeschaltet | |
hatten, wenn Heinz Schenk zu seiner Show „Zum Blauen Bock“ lud. Ein | |
Phänomen, dem sich der hessische Rundfunk [2][mit einer Doku] zum 100. | |
Geburtstag dieses Königs der Schlüpfrigkeiten zu nähern versucht. | |
Einer Frau allzu offensichtlich in den Ausschnitt starren, eine kleine | |
Anzüglichkeit darüber, wie das Eheleben unter der geteilten Bettdecke | |
aussehen kann oder irgendeine Bemerkung über die Qualifikation von Frauen | |
beim Einparken von Autos: Auf Schenk war Verlass. | |
Die unmöglichsten Pointen reihte der Sprücheklopfer, der seine Haare mit | |
feinster Brillantine fest am Schädel zu befestigen pflegte, aneinander. Er | |
wusste genau, was er da in den sagenhaften 208 Ausgaben seiner Show von den | |
1960er- bis 1980er-Jahren präsentiert hat. Und dass man eigentlich | |
[3][nicht sagen durfte], was er da abgesondert hat. | |
Und so nuschelte er nach seinen billigen Pointen immer etwas ins Mikro, das | |
wie eine Entschuldigung klang: Ist doch nicht so ernst gemeint. Die | |
Botschaft war klar: Wir sind anständige Leute und wollen hier bloß einmal | |
unseren Spaß haben. | |
Den sieht man den Menschen an, die in den Ausschnitten, die Regisseur Sven | |
Waskönig zusammengestellt hat, kräftig mitklatschen, wenn Schenk oder seine | |
Gäste einen volkstümlichen Schlager vortragen und ihre Körper in Wallung | |
bringen, als wären sie leistungsorientierte Schunkler. Oder wenn Freddy | |
Quinn sie mitnimmt zu einem frivolen Ausflug auf die „Reeperbahn nachts um | |
halb eins“. | |
## Typisch deutsche Geschichte | |
Es ist zu sehen, wie sie sich diebisch freuen, wenn die vier schwarzen | |
Männer des Golden Gate Quartetts das deutsche Volkslied „Schwarzbraun ist | |
die Haselnuss“ vortragen. Grauenhaft? Schon. Aber auch nachvollziehbar. Das | |
meint Tina Bode in der Doku, die Publizistin, die sich Zeit ihres Schaffens | |
mit den Leiden der Kriegsgeneration beschäftigt hat. Die Leute wollten | |
weglachen, -klatschen, -trällern, was sie erlebt und getan hatten. | |
Schenk hat auch so eine typische, deutsche Geschichte. Über die hat er nur | |
ungern gesprochen. Er war Soldat und kam aus einer Familie, die man zu | |
seiner Zeit wohl als zerrüttet bezeichnet hätte. Mit seiner Frau Gerti | |
lebte er in einer Villa mit Swimmingpool in Wiesbaden, die so | |
Gelsenkirchnerisch barock eingerichtet war, dass man sie auch zu seinen | |
Lebzeiten gewiss nicht als nobel bezeichnet hätte. | |
Kinder hatte das Paar nicht. Warum eigentlich nicht, wird er einmal | |
gefragt. Sie hätten es schon probiert, so sei es ja nicht, antwortet Schenk | |
mit geschürzten Lippen und erntet einen Lacher. Ein echter Schenk. | |
Wer das nicht ausgehalten hat, konnte sich bald umorientieren. Die Zahl der | |
Sender wuchs. Freunde der Beatmusik hatten sich da längst aus der | |
Schlagerhölle des „Blauen Bocks“ verabschiedet, in denen Gewächse wie das | |
Volksmusikduo Marianne und Michael ihre ersten großen Auftritte hatten. | |
Auch wenn Schenk in der Doku als aus heutiger Sicht beinahe unerklärliches | |
Phänomen geschildert wird, das mit der letzten Sendung ein Ende gefunden | |
hat, so lebte er doch weiter in all den Volksmusiksendungen, den | |
Ballermannschlagern, dem besoffenen Sexismus, der in alkoholgetränkter | |
Stimmung in Bierzelten bei einem zünftigen „Leyla“ laut herausgegrölt wir… | |
Es kann eben auch heute noch so schrecklich lustig sein wie zu Heinz | |
Schenks Zeiten. Darauf einen Äppler! | |
10 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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