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# taz.de -- Missbrauch in der Antifa: „Wie alt warst du, als er dich angefass…
> Ein erwachsener Mann hat in der Berliner Antifa in den 90er Jahren
> dutzende Jungen sexuell missbraucht. Jetzt tun sich Betroffene zusammen,
> damit sich das nicht wiederholt
Bild: Sie schweigen nicht mehr: Betroffene, die als Kinder und Jugendliche bei …
In diesem Text werden Missbrauch und sexuelle Übergriffe gegenüber
Minderjährigen beschrieben. Seien Sie achtsam, wenn Sie das Thema betrifft.
Als Manuel Richter den Aufkleber auf dem Stromkasten vor einer Berliner
Schule sah, erstarrte er: „Mein erster Gedanke war: Er versucht es wieder –
wie bei uns damals. Erst wurde mir schlecht, dann packte mich der Zorn“,
beschreibt der 46-Jährige mit dem raspelkurzen Haar seine Gefühle.
Was ihn so aus der Fassung brachte, war der Text auf dem Sticker:
„Antifaschistische Jugendliche gesucht! Für ein neues Projekt suchen wir
Schüler, die Lust haben, sich an antifaschistischen Aktionen zu beteiligen.
Gegen Rassismus, Nazis und Antisemitismus“, steht neben dem Foto eines
schmalen Jungen in T-Shirt und gestreifter Hose, der einen Mittelfinger in
Richtung des Betrachters reckt.
Auch Manuel Richter war mal so ein Junge: frech, renitent und auf der Suche
nach einer politischen Betätigung [1][gegen die Neonazischläger] in seinem
Ostberliner Viertel und die allgegenwärtige rassistische Gewalt auf den
Straßen. Damals ging das Jahr 1990 gerade zu Ende, eine wilde Zeit in der
frisch wiedervereinigten ehemaligen Mauerstadt.
In Friedrichshain im Osten waren in der Mainzer Straße nach tagelangen
Straßenschlachten mehrere besetzte Häuser geräumt worden. Auf einer
Protestveranstaltung, die er mit linksgerichteten Freunden seiner Mutter
besuchte, sah Richter einen Aufkleber in Do-it-yourself-Optik, ähnlich dem
an der Schule: Die Antifa Jugendfront suchte engagierte Jugendliche! Mit
einem Freund fuhr er zur angegebenen Adresse in Kreuzberg und fragte sich
durch.
Im linken Hausprojekt Mehringhof lernte er einen etwa 30-jährigen Mann
kennen, der sich als „Pipo“ vorstellte. So begann für den damals
13-Jährigen eine Phase, die er rückblickend selbst als „meine Jahre in der
Antifa-Sekte“ bezeichnet. Zusammen mit einem guten Dutzend Gleichaltrigen
bastelte Richter eine Autonomenzeitung, verteilte Flugblätter; am
Wochenende traf man sich auf Konzerten oder im Umland, um linke Jugendclubs
vor Naziüberfällen zu schützen.
Manuel Richter heißt eigentlich anders. Die Namen aller Betroffenen in
diesem Artikel sind Pseudonyme. Wir verwenden sie zu ihrem Schutz.
Politisch war die Antifa Jugendfront in ein Netzwerk aus anderen
[2][Berliner Antifa-Gruppen] eingebettet, auch ein paar Ältere waren dabei.
Man diskutierte in langen Plena und war nicht immer einer Meinung. „Pipo“
und „seine Jungs“ blieben dabei immer öfter unter sich: Die etwa zwanzig
11- bis 17-Jährigen trafen sich nachmittags und an den Wochenenden in
„Pipos“ WG in einer Wohnung im Berliner Osten.
Ein paar Kids zogen bald ganz dort ein, darunter auch Richter. 1991
gründete „Pipo“ die „Edelweißpiraten“, benannt nach der historischen
NS-Widerstandsgruppe. Undogmatischer und lustiger als die existierenden
Autonomengruppen wollte man sein, organisierte sich in bündischer Tradition
in lokalen „Stämmen“, erst in Berlin, dann im weiteren Bundesgebiet.
Im ersten „Edelweiß-Rundbrief“ heißt es: „Die Bewegung soll möglichst …
feste ideologische Richtung vertreten. Wir kämpfen gegen die Faschisten,
gegen rassistische und sexistische Politik der Herrschenden und für das
Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Menschen.
## Im Stuhlkreis
Doch können wir keine rein linksradikale Bewegung sein, denn es gibt
durchaus auch andere Menschen, die z. B. christlich sind (…).“ Die „Epis�…
wie sich selbst nannten, waren eine eingeschworene Gemeinschaft, und die WG
in der Ackerstraße ein Ort für Kids, die es zu Hause schwer hatten oder in
der Schule aneckten, weil sie „anders“ waren. Eigentlich eine gute Sache.
Wäre „Pipo“, der einzige Erwachsene in der Gruppe, nur nicht ein Päderast
gewesen.
In einem Laden für Nachbarschaftsprojekte in Berlin-Schöneberg sitzen an
einem Sonntagnachmittag im Juni 2024 zwei Frauen und 13 Männer im Kreis
zusammen. Alle sind in ihren Vierzigern, manche haben ihre Partner*innen
oder ihre Kinder mitgebracht.
Im Stuhlkreis tauschen sie sich aus: „Wann bist du zu den Edelweißpiraten
gekommen? Hast du in der ersten, der zweiten oder der dritten WG gewohnt?
Warst du schon auf der Gruppenfahrt in der Slowakei dabei oder erst bei den
späteren nach Tschechien und Polen?“ Und: „Wie alt warst du, als er dich
angefasst hat?“
Die meisten im Raum haben sich lange nicht gesehen, viele sind in
Feindschaft auseinandergegangen, als sich die „Edelweißpiraten“ 1996
auflösten. Doch nachdem er vor etwa fünf Jahren den Aufkleber am
Stromkasten und noch einen weiteren vor einem Gymnasium entdeckte, hat
Manuel Richter mit ein paar anderen die alten Netzwerke wieder aufgefrischt
und ein Treffen organisiert.
Sie wollen endlich darüber sprechen, was damals passiert ist. Die
individuellen Geschichten abgleichen und die Muster dahinter offenlegen.
Solidarisch miteinander sein. Je offener in der Gruppe über die
„Piratenjahre“ gesprochen wurde, desto mehr zeigte sich: Hier geht es nicht
um ein paar Einzelfälle, sondern um ein System. Deshalb entschied die
Gruppe schließlich, die Öffentlichkeit zu suchen.
Seit Anfang 2024 treffen sich rund 30 ehemalige „Edelweißpiraten“
regelmäßig zum Austausch. Sechs Männer geben an, im Alter von 11 bis 15
Jahren im Rahmen ihrer Arbeit mit den Edelweißpiraten von „Pipo“ sexuell
belästigt oder missbraucht worden zu sein. Ihre schriftlichen
Erfahrungsberichte liegen der taz vor, mit fünf von ihnen hat die taz auch
persönlich gesprochen.
Die Anschuldigungen der Männer wiegen schwer. Von gezielter, aufs Sexuelle
zielender Kontaktanbahnung (Grooming) ist die Rede, von psychischer
Manipulation, sexueller Belästigung bis zur Vergewaltigung. Und es dürfte
noch weitaus mehr Fälle geben. Einige der Antifa-Kids von damals sind
inzwischen tot oder unauffindbar, andere kommen nicht zu den
Gruppentreffen, vielleicht weil sie die Vergangenheit lieber ruhen lassen.
Sexueller Missbrauch bei der Antifa? Obwohl Vorstellungen von wehrhafter
Männlichkeit und moralischem Rigorismus gerade bei den Autonomen sehr
verbreitet sind, ist das für viele undenkbar.
## „Pädos rein, Spießer raus!“
Und waren die schwarz gekleideten Linksradikalen zusammen mit den
Feministinnen nicht so ziemlich die einzigen, die in den siebziger und
achtziger Jahren der Unterwanderung linksalternativer Szenen durch
Pädosexuelle entgegentraten? In Studien und Publikationen zu sexuellem
Missbrauch in der Linken finden sich immer auch Verweise auf
„Antifa-Kommandos“, die in Kreuzberg „Pädos“ von Kinderbauernhöfen
verjagten oder mit Prügeln aus politischen Versammlungen vertrieben.
Man könnte das Selbstjustiz nennen – oder Selbstreinigung. Ein bisschen ist
es aber auch politische Folklore, wie ein Blick ins Archiv des Schwulen
Museums in Berlin zeigt. Dort lagern in einer Kiste Flugblätter und
Broschüren der „Autonomen Pädophilen“ aus den achtziger und neunziger
Jahren.
Offenbar gingen Militanz und politischer Pädo-Aktivismus eine Zeitlang doch
gut zusammen: Da wettern verschiedene Gruppierungen aus den frühen
Achtzigern wie „das Kinderbedürfnistelefon Berlin“, der „Kinderfrühling
Berlin“ oder die „Oranienstraßenkommune“ gegen ein Gesellschaftssystem a…
„unterdrückung: erziehung, geld, kontrolliertes leben, konkurrenz und
angst, regierungen, schulzwang und kaufhäuser“ oder fordern „freie
Pädofilie für alle“.
Die Pamphlete sind versehen mit selbst gemalten Comics, Antifa-Zeichen und
Sternen in punkig-linksradikaler Optik. Auf Flyern der „Morgenlandbande“
oder der Antifa Jugendfront vermischen sich Fotos von bockig
dreinblickenden kleinen Jungs, gern auch mal mit Zwille in der Hand, mit
Forderungen wie: „Pädos rein, Spießer raus!“
„Es gibt eine direkte Verbindung von der Kinderrechteszene um die
Nürnberger Indianerkommune und anderen Projekten zur Autonomenszene der
neunziger Jahre“, sagt Sven Reiß. Der Wissenschaftler hat viel zu
Missbrauch in bündischen Jugendgruppen und der [3][Pfadfinderbewegung]
geforscht. 2021 veröffentlichte er zusammen mit Iris Hax im Auftrag der
staatlichen Aufarbeitungskommission eine Recherche zu „Programmatik und
Wirken pädosexueller Netzwerke in Berlin“.
Auf drei Seiten zeichnen die Verfasser*innen darin den Weg vom
„Kinderfrühling Berlin“ über die „Morgenland-Bande“ zur „Jugendanti…
Edelweißpiraten“ nach. „Erst spät haben wir verstanden, dass hinter den
Missbrauchsfällen in diesen Kleinstgruppierungen ein und dieselbe Person
steckt“, sagt Sven Reiß am Telefon.
## Taten sind verjährt
In der Studie heißt es über diesen Mann und seinen Bezug zu den
Edelweißpiraten: „Der Gründer der Gruppe identifizierte sich offen mit
pädosexuellen Positionen, warb um Kinder und Jugendliche, die mit ihm
zusammenwohnen wollten, und suchte Mitstreiter, um Kinder aus Heimen und
Elternhäusern herauszuholen.
In den folgenden Jahren engagierte er sich unter wechselnden Pseudonymen
stark in der linksautonomen Szene. Er gründete verschiedene politische
Jugendgruppen und erwarb sich Zeitzeugen zufolge den Ruf, erfolgreich
jugendliche Mitstreiter werben zu können, u. a. für die Antifa Jugendfront
und insbesondere für die Edelweißpiraten, einer Berliner Antifa-Gruppe, die
sich besonders auch jüngeren Jugendlichen zuwandte.“
Mit den Edelweißpiraten und ihrem Gründer hat sich also bereits die
Aufarbeitungskommission beschäftigt. Als er hört, dass sich eine Gruppe
ehemaliger Edelweißpiraten-Mitglieder zusammen gefunden hat, um den
erlebten Missbrauch aufzuarbeiten, sagt Sven Reiß: „Das ist sicherlich kein
leichter Weg und erfordert Mut, ist aber wichtig!“
Schon seit Mitte der neunziger Jahre kursieren in Berlins linker Szene
Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen gegen den Mann, der
sich ständig neu erfand, sich mal „Paschai“, mal „Corleone“, mal „Pi…
Pong“ und meistens „Pipo“ nannte. Mit bürgerlichem Namen heißt er Andre…
Robert K., heute nennt er sich Aro.
Er schreibt lokalhistorische Bücher, ist in Stadtteilinitiativen aktiv,
bloggt, schreibt Artikel und fährt Taxi. Der mittlerweile 63-Jährige lebt
unbehelligt im Berliner Norden, niemand interessiert sich für seine
Vergangenheit. Rein juristisch sind die damaligen Taten verjährt. Doch der
Aufkleber weckte bei Betroffenen die Furcht, K. könne weiterhin Jungen
sexuell missbrauchen. Als der vor ein paar Jahren an zwei Schulen in K.s
Wohnumfeld erstmals auftauchte, mit der E-Mail-Adresse [email protected],
die seiner Website „Berlin Street“ zuzuordnen ist, wandte sich bereits eine
Gruppe ehemaliger Edelweißpiraten an die taz.
Die taz hat K. mit den Vorwürfen konfrontiert. In einer ersten
Stellungnahme räumt er ein: Ja, er sei „ein Missbraucher“ gewesen, habe
„unangemessene sexuelle Beziehungen zu Jugendlichen“ gehabt. Dabei sei ihm
„menschliche Nähe“ stets wichtig gewesen, nicht nur seine „Sexerlebnisse…
Dass eine gleichberechtigte Beziehung nicht möglich sei, sei ihm erst spät,
„nach dem Bruch mit den Jungs“, wirklich bewusst geworden. Er habe sich
dann psychologische Hilfe gesucht. Heute sei ihm bewusst, dass er große
Fehler gemacht und Menschen traumatisiert habe. „Seitdem habe ich mein
Leben darauf ausgerichtet. Keinerlei Freundschaften mehr zu Jugendlichen,
damit es gar nicht erst zu problematischen Situationen kommt. Beziehungen
und Sex gibt es seitdem ausschließlich mit Erwachsenen.“
Das klingt nach Problembewusstsein und Reue – doch schon die Wortwahl
„sexuelle Beziehungen“ und „menschliche Nähe“ lässt leise Zweifel
aufkommen. Ebenso der in der Mail wie beiläufig eingestreute Hinweis,
seinen Ausschluss aus der Antifa-Szene hätten damals zwei Mitglieder
betrieben, „die sich immer weiter radikalisiert hatten und mit denen ich
deshalb ständig Auseinandersetzungen hatte.
Der Missbrauchsvorwurf wurde öffentlich gemacht und ich wurde aus den
politischen Zusammenhängen ausgeschlossen. Mir wurden allerdings auch
völlig absurde Vorwürfe gemacht, wie der, ich wäre ein Spitzel von Nazis
oder des Verfassungsschutzes.“
Alles nur ein Rachefeldzug zweier Irrläufer mit Paranoia – oder das
Ablenkungsmanöver eines Menschen, der stets strategisch denkt?
„Er hat uns so manipuliert, dass wir lange dachten, es sei normal, was in
der Gruppe abging“, fasst bei dem Treffen der Betroffenen in Schöneberg
einer zusammen, der noch immer angezogen ist wie ein Autonomer: schwarzer
Kapuzenpulli, schwarze Hose, Springerstiefel. Sein Nebensitzer ergänzt
sarkastisch: „Wir waren jung und selbstbestimmt – war ja alles
freiwillig, oder?“
Die Freiwilligkeit zogen schon damals manche in Zweifel. Eine Frau, die als
einziges Mädchen in der Ackerstraßen-WG lebte, sagt: „Irgendwie war schon
klar, dass der euch ausgenutzt hat, aber die meisten von uns sahen es nicht
so.“
Obwohl er der einzige Erwachsene war, habe K. sich oft selbst wie ein
Teenager benommen: War er frisch verliebt, schwärmte er laut – auch vom
tollen Sex. Wies ihn ein Junge ab, zelebrierte er seinen Liebeskummer und
drohte mit Suizid. Die Kids fühlten sich dann verantwortlich, ihn zu
trösten.
Paul Maier, mit Abstand der Älteste in der Runde, kennt K. schon seit den
1980ern aus Berlin-Kreuzberg: „Der Mann ist ein Urgestein der linken Szene
und nutzt politische Arbeit als Deckmantel, um an Jungs ranzukommen“, ist
er sich heute sicher. 1986, bei den Proben seiner Punkband, sprach der
damals 25-Jährige K. mit den strähnigen Strubbelhaaren den 15-Jährigen an
und holte ihn zur Antifa Jugendfront.
Wenig später haute Maier von zu Hause ab. K. verhandelte mit den Eltern und
dem Jugendamt und meldete den Jungen zum Schein im Rauch-Haus, einem
alternativen Wohnprojekt für Jugendliche in Kreuzberg, an. In Wirklichkeit
lebte der 15-Jährige mit K. in seiner 1-Zimmer-WG, später noch in zwei
anderen Wohnungen in Kreuzberg. Ihm gegenüber habe K. es bei ein paar
Annäherungsversuchen belassen, sagt Maier, manchmal habe K. auch trotzig
neben ihm onaniert.
Er erinnert sich an die räumliche Enge: „Auf dem Schlafpodest schlief man
wie im Ehebett. Dauernd schlief er in meinem Beisein mit anderen Jungs
zwischen 12 und 17 Jahren. Je älter die wurden, desto mehr verlor er das
Interesse.“ Zunächst sei ihm der Altersabstand gar nicht so aufgefallen:
„Wir waren jung und wütend und bewegten uns außerhalb der Gesellschaft, da
passte er sehr gut rein.“
K. hatte damals keinen festen Job; statt zu arbeiten, hing er mit Freunden
ab, klaute auch mal im Supermarkt – ein erstaunlich unerwachsener
Kumpeltyp, der zudem gut vernetzt und anerkannt war in Berlins autonomer
Szene. Damals bezeichnete er sich selbst noch als schwulen „Pädo“. Paul
Maier sagt, ihm sei das egal gewesen.
## Er droht mit Suizid
Nur die ständigen Gefühlsdramen hätten genervt, „mal stand er verheult im
Flur, mal drohte er, sich vor die U-Bahn zu werfen“. Aber: „Ich war auf den
Deal mit dem Jugendamt angewiesen. Außerdem mochte ich ihn und er tat mir
leid“. Auch als Volljähriger blieb Maier dem Älteren gegenüber loyal –
selbst, als dieser 1991 wegen Jungs im Zimmer hochkant aus dem autonomen
Wohnprojekt Rigaer Straße geworfen wurde. „Erst spät habe ich kapiert, dass
ich ein Missbrauchsnetzwerk mit gestützt habe.“
„Ich hab ihn auch viel zu lang verteidigt“, sagt ein Dunkelhaariger, der
wütend wirkt. Er spricht von einem Nebel, der ihn seit den „Epi“-Jahren
umgebe, den er vergebens mit Alkohol und Drogen bekämpft habe. Es ist ihm
wichtig, seine Geschichte zu Protokoll zu geben: „Ich war damals 11.“ Wir
nennen ihn Jens Tiede.
Tiede erzählt, wie er 1992 in Begleitung seines 13-jährigen Bruders zu den
Edelweißpiraten stieß. Wie sexualisiert die Atmosphäre in der WG gewesen
sei, dem sozialen Zentrum der Gruppe: „Alle begrüßten sich mit Kuss auf den
Mund, überall lagen schwule Pornocomics herum. K. machte dauernd sexuelle
Anspielungen, tatschte uns an. Er testete, bei wem er seine Übergriffe
versuchen konnte.
Mich versuchte er einmal, mit Zunge zu küssen, als wir zu zweit waren. Ich
fand das eklig.“ K. habe stets einen Jungen gehabt, den er der Gruppe als
seine aktuelle Beziehung präsentierte – als ob das ein ganz normales
Liebesverhältnis sei.
Bei den Übrigen soll er es mit Anspielungen, Übergriffen bis zur
Vergewaltigung probiert haben – je nachdem, auf wie viel Selbstvertrauen
und Widerstand er traf. Wem diese Seite der „Epis“ nicht passte, dem wurde
in der Regel bürgerliche Verklemmung oder Schwulenfeindlichkeit
vorgeworfen.
Schwul sei er selbst nicht gewesen, sagt Tiede, wie die meisten in der WG.
Aber als einer der Jüngsten habe er unbedingt zum inneren Kreis gehören
wollen. „Er hat mich bei meiner Eitelkeit gepackt, mir erzählt, wie
reflektiert ich für mein Alter sei.“
Zwei sexuelle Übergriffe habe er erlebt, die ihn wie versteinert
zurückgelassen hätten. Es habe ihn 20 Jahre gekostet, zu erkennen, dass
das schwerer sexueller Missbrauch gewesen sei – obwohl er ja
„freiwillig“ mitgemacht habe. „Aber“, fragt Tiede heute, „wie freiwil…
entscheidet man mit 11, noch dazu, wenn man jemanden bewundert?“
Dem autonomen Selbstverständnis nach hatten die Edelweißpiraten keine
Leitung, trotzdem war „Pipo“ klar der Anführer. Einer aus der Gruppe
erinnert sich: „Er war insgesamt der Dreh- und Angelpunkt der Epis. Er war
der Einzige mit Führerschein und Auto, der einzige Geschäftsfähige, er
hatte die Wohnung in der Ackerstraße organisiert, die meisten Kontakte in
die Szene …“
Die günstige Miete wurde durch K.s Arbeitslosengeld bezahlt sowie durch den
Handverkauf des Stadtmagazins zitty und durch einen Mailorderversand, den
die Edelweißpiraten betrieben: Sie verschickten Plakate, Aufnäher,
Kapuzenpullis oder das Buch „Antifa: Diskussionen und Tipps aus der
antifaschistischen Praxis“ quer durch die Republik.
Sechs bis acht Jugendliche lebten in dieser Zeit dauerhaft in der
Ackerstraße. Wenn das Geld mal nicht reichte, klaute man Lebensmittel im
Supermarkt. In der Nachbarschaft fiel die ungewöhnliche WG nicht auf; in
den besetzten Häusern ringsum ging es ebenfalls bunt und prekär zu; ein
paar Ecken weiter in der Bergstraße existierte sogar ein Ableger des
berüchtigten alternativ-pädophilen Wohnprojekts Indianerkommune, das sich
nach der Wende von Kreuzberg in den Osten Berlins verlagert hatte.
## „So ganz einvernehmlich“
Manuel Richters Mutter lud die Jungs aus der Ackerstraße ab und zu sonntags
zum Essen ein: „Die freuten sich, wenn ich den Tisch schön gedeckt hatte –
und für mich war es wichtig, den Kontakt halten zu können“, sagt die
zierliche Frau, die in der Werkstatt ihres Sohnes auf dem Sofa sitzt.
Beide wirken ernst und nachdenklich beim Zurückdenken an diese Zeit. Die
Mutter erzählt davon, wie ihr Sohn, [4][der an seiner Ostberliner Schule
von Neonazis gezielt verfolgt und gemobbt wurde], irgendwann nur noch
schwänzte. Sie wandte sich an den Schuldirektor, der das Naziproblem an
seiner Schule kleinredete, und dann ans Schulamt – das auch nichts
unternahm.
Die Alleinerziehende und die zuständigen Behörden waren gleichermaßen
überfordert mit der Situation. Und Manuel? War immer öfter mit seinen neuen
Antifa-Freunden unterwegs – und brachte irgendwann „Pipo“ nach Hause mit.
„Der Name ‚Pipo‘ wurde beschwärmt“, sagt sie. „Und dann stand da ein
erwachsener, dicklicher Mann in meinem Wohnzimmer, der mir nicht in die
Augen sehen konnte.
Er erklärte, er würde meinen Sohn lieben und auch mit ihm schlafen, wenn er
das denn wolle, so ganz einvernehmlich.“ Ihr Sohn war da noch keine 14.
Fassungslos sei sie gewesen, vor allem, als sie einen Liebesbrief von
„Pipo“ im Zimmer ihres Sohnes fand. („Ich möchte mit Dir enger zusammen
sein! Und länger! Und zärtlicher. Und ehrlicher. Und überhaupt …“)
Manuel Richter aber verweigerte sich jedem kritischen Gespräch – „du warst
völlig manipuliert“. Als ein weiterer Liebesbrief auftauchte, in dem der
ältere Mann seinen Suizid ankündigte („die Zeit war zu lang, wo niemand bei
mir war“), sei der Junge heulend aus der Wohnung gelaufen. Kurz nach seinem
14. Geburtstag zog er in die Piraten-WG. Mit dem Jugendamt gab es einen
Deal, dass er dort wohnen konnte, sofern er eine Schule besuchte.
Besorgt sei sie schon gewesen, sagt die Mutter heute. Aber eine befreundete
Psychologin habe ihr geraten, nicht die Polizei einzuschalten. „Das waren
doch seine Feinde.“ Um den Kontakt zu ihrem Sohn nicht ganz zu verlieren,
lud die Mutter ihn und seine Mitbewohner zum Essen ein. „Hätte ich mehr tun
können? Ich weiß nicht.“
Andere Eltern versuchten, ihren Kindern die Übernachtung in der WG zu
verbieten, meist erfolglos. Doch zur Anzeige kam es nie – auch weil die
Minderjährigen fest zu „Pipo“ standen. „Wir waren auf dem Standpunkt:
Gewalt wendet er nicht an, also ist es freiwillig. Auf die Idee, dass es so
was wie ein Machtungleichgewicht gibt, kamen wir nicht“, sagt Paul Maier.
## Niemand wollte zur Polizei gehen
Wer keinen Sex wollte, war „schwulenfeindlich“; wer Kritik übte, wurde mit
Vertrauensentzug bestraft; wer „Erwaxene“ ins Vertrauen zog, war ein
Verräter: Der Anführer hatte seine minderjährige Truppe voll im Griff. In
einem internen Papier, in dem einige Edelweißpiraten ihre ambivalente
Beziehung zu K. aufarbeiten, heißt es trocken: „Der Umgang mit Kritik war
immer einfach – es gab keine!“
Zu den Treffen anderer Gruppen ging man nur selten, denn das waren
„Dogmatiker“ oder „Automaten“, so K.s Schmähwort für die harte
Autonomenfraktion. Die Edelweißpiraten waren innerhalb der autonomen Szene
Berlins isoliert, galten als Sonderlinge. Dass nichts nach außen drang, lag
auch am speziellen Hass der Autonomen auf den Staat und seine Vertreter.
„Du konntest damals nicht zur Polizei gehen, ohne die eigene Struktur
auffliegen zu lassen“, beschreibt Thomas Schlingmann. Viele im Milieu
hätten ja selbst Straftaten verübt: Autos angezündet, Nazis verprügelt,
solche Sachen. Der Gründer des Vereins Tauwetter, der Jungen und Männern
hilft, die sexuelle Gewalt erlebt haben, kommt selbst aus der
linksradikalen Szene.
Aus seinem Büro im Mehringhof schaute er direkt in die Räume, in denen die
Edelweißpiraten ihre Zeitung produzierten. Um K. habe es immer Gerüchte
gegeben, sagt er. Irgendwann hätten sich ihm ein paar Jungs anvertraut.
„Ich fand es unerträglich, dass in meiner politischen Heimat Missbrauch
toleriert wurde“, sagt Schlingmann.
Mit ein paar anderen Autonomen verfasste er 1995 einen anonymen Brief und
verteilte ihn an linken Treffpunkten. „Achtung! Dieser Mann hat mehrere
Kinder und Jugendliche sexuell mißbraucht! Päderast, 36 Jahre alt. Er nennt
sich P. Wohnt in Berlin-Mitte. Er mißbraucht seit ca. 15 Jahren Jungen im
Alter von ca 9 bis 16. Es bleibt uns keine andere Möglichkeit, als P. zu
veröffentlichen und alle aufzufordern, ihn aus linken Zusammenhängen
auszugrenzen“. Unterschrieben waren die vier getippten Seiten mit
„tauwetter, Fraktion gegen Nebenwidersprüche“.
An diese Outing-Aktion schloss sich eine szeneinterne Auseinandersetzung
an, die 1995 in der Hausbesetzerzeitschrift Interim über mehrere Ausgaben
hinweg ausgetragen wurde. An pointierten Wortmeldungen fehlte es nicht: Man
stritt sich über die richtige Definition von sexuellem Missbrauch, über
Pädophilie und Mackertum, es kursierten Manifeste und Erklärungen. Über
Monate ging es hin und her – auch der Beschuldigte, in der Debatte stets
als „XY“ bezeichnet, meldete sich zu Wort.
Er beklagte eine Hetzkampagne und schrieb: „Daß ich mich bis vor etwa acht
Jahren selber als ‚Pädo‘ bezeichnet habe, lag vor allem an meinem Irrtum,
was dieser Begriff beinhaltet. Ich weiß auch nicht, wie Leute darauf
kommen, mir Pädophilie vorzuwerfen. Denn dabei geht es um Beziehungen bzw.
Sexualität mit Kindern (nicht mit Jugendlichen) und dies lehne ich ab.“ Er
lebe, schrieb er, nur mit über 18-Jährigen zusammen. Außerdem habe er eine
Entwicklung durchgemacht: „Menschliche Beziehungen sind für mich niemals in
erster Linie sexuelle Beziehungen. Das war vielleicht mal vor 10, 15 Jahren
so, aber ich sehe das heute anders.“
In der Studie von Sven Reiß heißt es dazu: „Anfang der 1990er Jahre begann
in der Berliner linksautonomen Szene eine breite, jedoch zähe und
kontroverse Auseinandersetzung um den Aktivisten. Dabei wurde deutlich,
dass er im Laufe seiner langjährigen Szenezugehörigkeit zahlreiche Jungen
sexuell ausgebeutet und missbraucht hatte. Die Debatte wurde zugleich zu
einer Grundsatzdiskussion zu ‚Pädophilie, Päderastie und sexuellen
Missbrauch‘ innerhalb der linksautonomen Szene Berlins.“
Wie so oft in linken Kreisen wurde die Debatte scharf und kleinteilig
geführt, blieb aber folgenlos. Für die Betroffenen war das frustrierend,
berichtet Thomas Schlingmann. „Es ist einfach nichts passiert. Obwohl
konkrete Fälle benannt wurden.“ Nicht einmal die Polizei, die aus
Überwachungsgründen die Interim mitgelesen habe, wurde tätig.
## Der Königsmord
Der Verein Tauwetter veranstaltete im Januar 1996 schließlich ein Symposium
über Pädophilie und Päderastie, mit szenischer Lesung von
Betroffenenschicksalen. Einige der Zuschauer waren Edelweißpiraten, die
nach dem Abend anfingen, sich untereinander auszutauschen. Erste
Absetzbewegungen entstanden, die von K. aber geschickt eingefangen wurden.
Verräter und Extremisten wollten ihn fertig machen – diese Lesart
beherrschte die Gruppe und führte dazu, dass die Jugendlichen sich
untereinander beharkten. Alles blieb, wie es war.
Ein Kreis von sechs Edelweißpiraten plante schließlich den Königsmord. Sie
verfassten einen langen Brief auf pinkfarbenem Papier und warfen ihn bei
Eltern, Szenetreffpunkten und Nachbar*innen ein.
Der Brief aus dem Oktober 1996, der der taz vorliegt, war ein Versuch der
Antifa-Kids, ihren übergriffigen Gruppenleiter mit eigener Kraft
loszuwerden. Auf 13 eng betippten Seiten berichten „Elvi, Schmada, Döhnki,
Ole, Schugar, Teddy, Dirk und einige mehr“ über Psycho-Machtspiele und
problematische Beziehungen, über gezielt geschürten Hass auf Eltern oder
Mädchen, das Mitleid, das „Pipo“ durch den Verweis auf seine schlimme
Kindheit und „seine Jugend im Strichermilieu“ zu erzeugen suchte – und den
Druck, den er auf die Jungen aufbaute, intime Beziehungen einzugehen.
Die Verfasser*innen schreiben: „Als unsere Konsequenz sehen wir nur
einen Ausweg. Weil wir nicht mehr mit ‚Pipo‘ zusammenleben können und
wollen, werden wir ihn auffordern, aus unserer WG auszuziehen!“ Weiter
heißt es in dem Brief: „Dinge, die wir früher anders sahen, sind für uns
jetzt klarer geworden. Wir hoffen, dass diesmal der Text eine erste
wirkliche Auseinandersetzung mit ‚Pipo‘ und den Vorwürfen des (sexuellen)
Missbrauchs zur Folge hat“.
K. kam seinem Rauswurf zuvor und verließ die WG freiwillig. Kurz darauf
waren die Edelweißpiraten Geschichte, zerbrochen am Streit um ihre
Hauptfigur. Wenig später gründete K. die nächste Gruppe. Sie hieß
„Unkraut“, neben ein paar verbliebenen Loyalen waren neue Jugendliche
zwischen 13 und 15 Jahren dabei. Doch ein militanter Auftritt älterer
Edelweißpiraten störte das Gründungstreffen. Das war 1996.
„Unkraut“ sei als Gruppe nie auf die Beine gekommen, es gab weder ein
festes Büro noch einen privaten WG-Treffpunkt. K., da schon weitgehend von
der Szene isoliert, lebte wieder in einer 1-Zimmer-Wohnung. Einmal, in den
Herbstferien, organisierte er noch eine Gruppenfahrt nach Theresienstadt.
Dann liefen die Antifa-Aktivitäten langsam aus.
K. suchte anschließend in anderen Kontexten nach Jugendlichen: Im Sommer
1996 bewarb sich der ehemalige Antifaschist beim Katholischen Ferienwerk
Nord-Ost als Freizeitleiter für Jugendfahrten, das Schreiben liegt der taz
vor. Er hebt darin seinen „meist guten Draht zu Kindern/Jugendlichen“
hervor und äußert Interesse an der Begleitung von 8- bis 15-Jährigen.
Angenommen wurde er nicht, es gab bereits genug Gruppenleiter für die
Fahrt. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er an künftigen Ferienfahrten
in diesem oder anderen Kontexten beteiligt war.
Heute betreibt K. die Webseite „Berlin Street“, die Adresse auf seinen
Aufklebern führt dorthin. Auf der Seite findet sich Harmloses –
Stadtgeschichte, Erinnerungskultur, Alltägliches. Dazwischen die typischen
Comicfiguren: freche kleine Jungs mit wuscheligen Haaren, die Bildsprache
ist fast identisch mit den frühen Flyern aus Kreuzberger Tagen.
Immer wieder erscheinen dort Geschichten von jugendlichen Strichern. Oder
die von „Peterchen“, einem Sodomisten, dem die Gesellschaft seine Lust am
Sex mit Tieren übelnimmt. Die Moral: „Und so sollten wir uns alle fragen,
ob wir (…) uns nicht erbarmen und diese armen Menschen tolerieren und ihnen
unsere Pfote reichen sollten …“
Ist das der alte linke Minderheitendiskurs – Pädos, Stricher, Sodomisten
als unterdrückte Minderheiten? Zählt K. sich auch dazu, obwohl er sich
schon sehr lang nicht mehr als „Pädo“ bezeichnet? Auf die Frage, warum er
vor Schulen Aufkleber klebe, reagiert er mit widersprüchlichen Aussagen:
Die Sticker seien Bestandteil seiner Arbeit für einen
erinnerungspolitischen Verein, man habe mit Schülern an einem Projekt über
jüdisches Leben im Kiez arbeiten wollen, was aber dann so nicht realisiert
worden sei, und nur zufällig habe er dafür seine private Mailadresse
genutzt. Dabei hat der Verein, zu dessen Anliegen der stinkefingerzeigende
Junge auf dem Aufkleber gar nicht passen will, eine eigene funktionierende
Kontaktmailadresse – K. betreibt auch diese Website.
Für den „Aufbau neuer Strukturen“, schreibt K. weiter, fehle ihm ohnehin
die Zeit: Er sei mit Angestellten-Job, Kleingewerbe, Vereinsarbeit und
„einer festen Beziehung (er ist 29)“, voll ausgelastet. Und er ergänzt:
„Ich frage mich, was eigentlich hinter dem geplanten Artikel steckt. Bei
einigen kann ich es mir schon denken, sie sind ja bis heute politisch sehr
extremistisch und hassen alle und jeden, der einer anderen Meinung ist.“
Dieses Freund-und Feind-Denken führe „zu ungeheuerlichem und unmenschlichem
Vorgehen gegen Andersdenkende“ – bis heute sei er Ziel davon.
Im Schöneberger Stuhlkreis wird klar, wie sehr die Jahre bei den
Edelweißpiraten die Anwesenden geprägt haben. Viele quälen sich mit
schlimmen Erinnerungen oder Schuldgefühlen, an manchen nagt Hass. Einer
berichtet von Depressionen, andere von Suchtproblemen und langen Therapien.
Auch nach mehr als 30 Jahren ist ihr ehemaliges Idol noch omnipräsent. Jens
Tiede erzählt, wie das ehrenamtliche Flüchtlingshilfenetzwerk, für das er
sich engagiert, im Sommer 2015 eine syrische Familie zu ihm schickte. Der
freiwillige Fahrer war K., der einen Taxischein besitzt. „Ich konnte nur
ein Wort sagen: ‚Raus!‘ – dann schloss ich mich in meinem Zimmer ein und
hatte eine Panikattacke“, sagt Tiede.
Die Gruppe, die sich zusammengefunden hat, weiß: Strafrechtlich ist alles,
was damals in der WG und anderswo geschah, längst verjährt. Das hat ihnen
eine Anwältin mitgeteilt. Manche überlegen jetzt, ob sie ein
zivilrechtliches Verfahren einleiten. Damit K. nie wieder mit Jugendlichen
arbeiten kann. Die meisten aber befassen sich mit ihrem Verhältnis
untereinander; viele erzählen zum ersten Mal nach all den Jahren davon, was
ihnen geschehen ist.
Es ist ein geschützter Raum, aber es ist auch viel Ratlosigkeit zu spüren.
Manche gehen alten Spuren nach, etwa der von Till, einem 13-jährigen Punk,
der damals zeitweise in der WG lebte und eines Tages einfach verschwand.
Oder sie folgen den Aktivitäten ihres ehemaligen Gruppenleiters im Internet
– auf der Suche nach Beweisen, dass er auch heute noch Kontakt zu Teenagern
sucht.
Wenn Sie selbst von sexuellem Missbrauch betroffen sind, können Sie sich an
das [5][Hilfe-Portal] [6][Sexueller Missbrauch] wenden, Telefon: 0800 22 55
530.
15 Dec 2024
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[5] https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite
[6] https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite
## AUTOREN
Claudia Burghard
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