# taz.de -- Misshandlungen in Augsburger Gefängnis: Schon länger Indizien fü… | |
> Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hatte wohl früh Hinweise | |
> zur JVA Augsburg-Gablingen. Dort sollen Gefangene schwer misshandelt | |
> worden sein. | |
Bild: Mitarbeitern der JVA Augsburg-Gablingen wird die Misshandlung von Häftli… | |
Berlin taz | Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hatte mutmaßlich | |
schon im Sommer Hinweise auf Folter im Gefängnis in Augsburg-Gablingen. Im | |
August besuchten Mitglieder des unabhängigen Gremiums die | |
Justizvollzugsanstalt, obwohl sie erst Ende 2022 dort gewesen waren. Zwei | |
Besuche innerhalb von zwei Jahren – das ist ungewöhnlich. | |
Die Nationale Stelle beschäftigt sich mit der menschenwürdigen Behandlung | |
und Unterbringung in rund 13.000 Einrichtungen, die der staatlichen | |
Kontrolle unterstehen – Pflegeeinrichtungen, Wohngemeinschaften für | |
Jugendliche, vor allem aber Justizvollzugsanstalten. Dafür hat sie zehn | |
ehrenamtliche Mitglieder, die nicht mehr als 60 Besuche im Jahr bewältigen. | |
Auskunft über den Besuch im August in der JVA Augsburg-Gablingen möchte die | |
Nationale Stelle nicht geben. Der Bericht werde zeitnah fertiggestellt, | |
sagte ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle der taz. Danach hat das | |
Justizministerium in Bayern als Aufsichtsbehörde zwei Monate Zeit, um | |
Stellung zum Bericht zu nehmen. Erst dann wird das Papier inklusive | |
Stellungnahme des Ministeriums veröffentlicht – etwa Mitte Februar also. So | |
ist das reguläre Prozedere. | |
Ende Oktober hatten Medien berichtet, dass Gefangene in Gablingen in | |
sogenannten „besonders gesicherten Hafträumen“ (bgH) nackt auf dem Fußbod… | |
schlafen mussten. Als Klo diente ein Loch im Boden. Der Raum – inklusive | |
Toilettenloch – war unter ständiger Kameraüberwachung. Seitdem kamen immer | |
mehr Details an die Öffentlichkeit. [1][Ehemalige Insassen der JVA | |
Gablingen berichteten der taz] unter anderem von Schlägertrupps, die | |
Gefangene vor der Unterbringung in den besonders gesicherten Hafträumen | |
zusammengeschlagen hätten. | |
## Missstände auch in anderen Gefängnissen | |
Nach den Medienberichten wurde die Leiterin der JVA freigestellt. Am | |
Freitag wurde bekannt, dass gegen sie nun „wegen des Tatvorwurfs der | |
Körperverletzung im Amt“ ermittelt wird. Die Zahl der Beschuldigten liegt | |
inzwischen bei 17, teilte die Staatsanwaltschaft Augsburg mit. | |
Gefangene kommen in solche Krisenräume, wenn sie etwa als akut | |
suizidgefährdet gelten oder gewalttätig sind. Nach einer [2][Recherche von | |
Frag den Staat und Deutschlandfunk Kultur] kamen Gefangene im vergangenen | |
Jahr in ganz Deutschland mindestens 7.275 Mal in besonders gesicherte | |
Hafträume. Die jeweilige Dauer geht aus den Zahlen nicht hervor. | |
Eigentlich sollen die Gefangenen ein paar Stunden, höchstens ein bis zwei | |
Tage isoliert werden. Doch in ihrem [3][Jahresbericht 2023] schreibt die | |
Nationale Stelle zur Prävention von Folter, sie habe solche sogenannten | |
Absonderungen von mehreren Wochen bis Monaten festgestellt. „Derart lange | |
Absonderungen ohne verstärkte Bemühungen, diese zu vermeiden, sind | |
menschenrechtlich nicht vertretbar“, heißt es im Bericht. Die Vereinten | |
Nationen sprechen in ihren [4][Mindestgrundsätzen für die Behandlung von | |
Gefangenen] bei einer Einzelhaft von mehr als 15 aufeinanderfolgenden Tagen | |
von Folter. | |
Dass die Räume karg eingerichtet sind, soll dem Schutz der Gefangenen | |
dienen. So darf es keine Möbel mit scharfen Kanten geben. Daher gibt es | |
meist lediglich eine Matratze am Boden und Papierkleidung. „Eine Matratze | |
muss mindestens vorhanden sein“, sagt Pascal Décarpes der taz, Mitarbeiter | |
der Nationalen Stelle. Auch Kissen und Decke müssen sein. Außerdem ein | |
Sitzmöbel, zum Beispiel aus Schaumstoff, auf jeden Fall in üblicher | |
Sitzhöhe. „Wir heben positiv hervor, wenn es darüber hinaus andere Möbel | |
gibt: einen Schreibtisch, ein Bett“, sagt Décarpes. Beides ohne scharfe | |
Kanten, beispielsweise aus Hartplastik und im Boden verankert. | |
## Streit um Verpixelung der Kameraaufnahmen | |
Das bekommen die Mitglieder der Nationalen Stelle vor Ort allerdings eher | |
selten zu sehen. Meist gibt es immerhin eine Matratze, selten ein Sitzmöbel | |
– mehr fast nie. Im Jahresbericht 2023 schreiben sie, dass die Gefangenen | |
in den besonders gesicherten Hafträumen in mehreren JVAen nicht einmal | |
Kissen und Decke hatten. Als Toilette dient in der Regel ein Loch im Boden. | |
Besonders gesicherte Hafträume sind in der Regel kameraüberwacht. Vor allem | |
in Nordrhein-Westfalen wird der Toilettenbereich noch immer nicht | |
verpixelt. Das Justizministerium begründete das gegenüber der Nationalen | |
Stelle mit Sicherheitsaspekten. Da die meisten anderen Bundesländer indes | |
keine Sicherheitsprobleme sehen und verpixeln, sei die Begründung NRWs | |
„nicht nachvollziehbar“, heißt es im Jahresbericht. | |
„Das ist eine Verletzung des Schamgefühls“, sagt Décarpes. „Und es ist | |
unnötig.“ Die Verpixelung könne ganz punktuell erfolgen. Sollte sich ein | |
Gefangener beim Toilettengang etwas antun, dann könne man das | |
beispielsweise an Armen oder Beinen sehen, die ja weiterhin unverpixelt | |
seien. | |
Einen großen Unterschied sieht die Nationale Stelle zur Prävention von | |
Folter zwischen Justiz- und Gesundheitsministerien. In den Justizbehörden | |
stehe die Sicherheit im Vordergrund. In den Gesundheitsbehörden würden | |
Sicherheit und Würde der Patient*innen mehr miteinander abgewogen. Die | |
Gesundheitsministerien sind für [5][den sogenannten Maßregelvollzug] | |
zuständig. Dort werden psychisch kranke Straftäter untergebracht, die nicht | |
schuldfähig sind, aber von Gerichten als gefährlich eingestuft wurden. | |
Insgesamt kämen [6][Patient*innen im Maßregelvollzug häufiger und vor | |
allem länger in Isolationsräume] als Insassen in regulären Haftanstalten, | |
mutmaßlich, weil sie psychisch kränker sind, sagt Décarpes. Doch im | |
Maßregelvollzug seien die Räume auch besser ausgestattet. | |
Ein leicht positives Fazit zieht Décarpes gegenüber der taz: Die meisten | |
JVAen reagierten auf die Besuchsberichte der Nationalen Stelle, indem sie | |
Praktiken änderten oder Änderungen ankündigten. „Es geht langsam vorwärts… | |
2 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gefaengnisskandal-in-Augsburg/!6049180 | |
[2] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2024/11/besonders-gesicherte-haftr… | |
[3] https://www.nationale-stelle.de/fileadmin/dateiablage/Dokumente/Berichte/Ja… | |
[4] https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Nelson_Mandela_Ru… | |
[5] https://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/Nelson_Mandela_Ru… | |
[6] /Personalmangel-und-Ueberbelegung/!6041136 | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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