# taz.de -- Abgeordnetenhauswahl 2026: Basis soll wirklich Boss sein | |
> Ein Realo-Antrag zum anstehenden Parteitag der Grünen fordert, die | |
> Spitzenkandidatur für die Wahl 2026 erstmals per Mitgliederbefragung zu | |
> klären. | |
Bild: Bislang entschied sich bei Parteitagen, wer Spitzenkandidatin wird. Die G… | |
Berlin taz | „Basis ist Boss“ ist ein bei den Berliner Grünen immer wieder | |
gehörter Slogan. Geht es nach Vertretern des Realo-Flügels, soll der auch | |
bei der Wahl des Spitzenpersonals für die Abgeordnetenhauswahl 2026 gelten. | |
„Der Nominierung einer Person als Spitzenkandidat*in soll eine | |
Mitgliederbefragung vorausgehen“, fordert [1][ein Antrag des Kreisverbands | |
Mitte] für den Parteitag am Samstag. | |
Treibende Kraft in diesem Kreisverband, dem mit über 2.300 Mitgliedern | |
größten im Landesverband, ist die Gruppierung Grüne Realos Mitte, kurz | |
„Gr@m“, die von ihren politischen Gegner auch als „Ultrarealos“ bezeich… | |
wird. Der Landesvorstand ist von dem Vorstoß offenbar nicht begeistert. Im | |
Kreisvorstand weist man gegenüber der taz darauf hin, dass der Antrag bei | |
einer Mitgliederversammlung mit rund 100 Teilnehmern mit nur einer | |
Gegenstimme beschlossen worden sei. | |
Der [2][Landesparteitag in einem Moabiter Hotel] beschäftigt sich zwar noch | |
nicht im Schwerpunkt mit der Berlin-Wahl in mutmaßlich weniger als 22 | |
Monaten. Auch die Listenaufstellung für die nahende Bundestagswahl am 23. | |
Februar ist erst bei einem weiteren Parteitreffen im Dezember vorgesehen. | |
Doch der Landesvorstand hat für Samstag [3][ein Papier vorgelegt], das den | |
Prozess hin zur Abgeordnetenhauswahl beschreibt. Darin heißt es, man wolle | |
„im Herbst 2025 darüber entscheiden, in welcher Formation und mit welchem | |
Spitzenpersonal wir in die nächste Wahl gehen“. Genau an dieser Stelle | |
fordert der Änderungsantrag aus Mitte den Zusatz, vorweg die Mitglieder zu | |
befragen. | |
2021 nominierten die Berliner Grünen ihre damalige Spitzenkandidatin | |
Bettina Jarasch bei einem Landesparteitag. Der hat 149 Delegierte, die | |
Partei ist inzwischen auf rund 14.000 Mitglieder gewachsen. Zum Beschluss | |
über Kandidatenlisten wie auch zur nahenden Bundestagswahl lädt der | |
Landesvorstand zwar üblicherweise zu einer Mitgliederversammlung. Doch | |
daran nimmt nur ein Bruchteil der Mitglieder teil. | |
Selbst als es 2017 in einem viel beachteten Duell [4][um die | |
Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl ging] – Jarasch unterlag dabei der | |
heutigen Bundesfamilienministerin Lisa Paus – war die Mitgliederversammlung | |
zwar so gut wie nie zuvor besucht. Die 1.100 Teilnehmer waren aber dennoch | |
noch nicht einmal ein Fünftel der damals schon über 6.000 Mitglieder des | |
Landesverbands. | |
## Unter den Delegierten dominiert der linke Flügel | |
Der Vorstoß aus dem Kreisverband Mitte will das ändern und die Mitglieder | |
schriftlich direkt entscheiden lassen. Eine Begründung ist dem Antragstext | |
nicht beigefügt. Die Parteispitze um die Landesvorsitzenden Nina Stahr und | |
Philmon Ghirmai soll dem Vorstoß bei einem Antragstellertreffen am Montag | |
ablehnend gegenüber gestanden haben, hieß es aus dem Teilnehmerkreis. Sie | |
hätten unter anderem auf die Kosten einer Mitgliederbefragung verwiesen. | |
Timur Ohloff, Mitglied des Grünen-Kreisvorstands in Mitte, begründete auf | |
taz-Anfrage den Antrag folgendermaßen: „Eine Mitgliederbefragung motiviert | |
die stark wachsende Partei und bildet die Breite der Stadt besser ab“. Von | |
der taz um eine Bewertung des Antrags gebeten, äußerten sich die | |
Landesvorsitzenden Stahr und Ghirmai so: „Wir führen Antragsverhandlungen | |
im Rahmen der dafür vorgesehenen internen Verfahren. Wir werden als | |
Landesverband gemeinsam über eine Kandidatur entscheiden.“ Die Wahl 2026 | |
liege aber noch in weiter Ferne – „unser ganzer Fokus gilt nun dem | |
Bundestagswahlkampf.“ | |
Mutmaßliches Ziel des Antrags ist es, über den Weg einer Befragung die | |
Mehrheit des linken Flügels unter den Parteitagsdelegierten zu umgehen. So | |
ließe sich auch eine dort nicht genehme, weil möglicherweise als zu | |
bürgerliche geltende Person für die Spitzenkandidatur durchsetzen. Das | |
speist sich aus der Hoffnung darauf, dass die Mehrheit unter den inzwischen | |
fast 14.000 Mitgliedern weniger links orientiert ist. | |
Wirkliche Klarheit über die Zusammensetzung der Mitgliedschaft gibt es | |
allerdings nicht. Das gilt auch für andere Parteien: Bei der Berliner SPD | |
setzte sich im Mai bei einer Befragung ein Duo vom rechten Parteiflügel für | |
den Landesvorsitz durch, Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini. Das | |
passierte sogar deutlich mit 58 Prozent und kam überraschend: Unter den | |
Delegierten des Landesparteitags und im Landesvorstand ist der linke | |
Parteiflügel in der Mehrheit. Die Sozialdemokraten sind auch die Messlatte | |
für Kreisvorstandsmitglied Ohloff: „Wir Bündnisgrüne sollten nicht weniger | |
Demokratie wagen als die Berliner SPD.“ | |
An der Mitgliederbefragung der SPD beteiligten sich im ersten Wahlgang 47,6 | |
Prozent, [5][im zweiten 52,5 Prozent der Mitglieder] – also fast dreimal so | |
viele wie bei der erwähnten Grünen-Mitgliederversammlung mit | |
Rekordbeteiligung. Die Befragung der SPD-Mitgliedschaft war zwar kein | |
offizieller Entscheid und hatte keinen bindenden Charakter. Der darauf | |
folgende Landesparteitag der Sozialdemokraten aber mochte sich nicht gegen | |
das Basisvotum stellen – und bestätigte es. | |
(aktualisiert um 15:07 Uhr) | |
26 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://berlin.antragsgruen.de/LDK24-2/berlin-ist-fur-dich-da-aufbruch-2026… | |
[2] https://berlin.antragsgruen.de/LDK24-2 | |
[3] https://berlin.antragsgruen.de/LDK24-2/berlin-ist-fur-dich-da-aufbruch-2026… | |
[4] /Gruene-kueren-Spitzenkandidatin/!5392194 | |
[5] https://spd.berlin/pressemitteilung/ergebnis-der-mitgliederbefragung-stichw… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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