# taz.de -- Indie-Musikfestival in München: Stern des Südens | |
> Indie-Klassentreffen: Für das Festival „Alien Disko“ holten die | |
> umtriebigen Acher-Brüder (The Notwist) MusikerInnen aus der ganzen Welt | |
> nach München. | |
Bild: Sie hat den Space-Glam: Die südafrikanische Sängerin und Rapperin Moonc… | |
Jedes Jahr um diese Zeit stellen sich Musikfans in München die gleiche | |
bange Frage: „Kennst du die Bands, die heuer bei der Alien Disko auftreten? | |
Ich leider wieder nur ein paar!“ Dann haben Markus und Micha Acher von der | |
Band The Notwist als Kuratoren des Alien Disko-Festivals wieder etwas | |
richtig gemacht. | |
18 weitgehend unbekannte, bisher im Süden kaum aufgetretene Formationen | |
spielten am 6. und 7. Dezember im Münchner Volkstheater. Inklusive zweier | |
Comebacks aus dem Umfeld der Weilheimer Acher-Brüder: Console gaben | |
erstmals seit über einem Jahrzehnt ein Konzert. Das war die Band des | |
Ex-Notwist-Elektronikers Martin Gretschmann, bevor er nach Berlin zog und | |
seitdem als Acid Pauli die Welt bereist. Console führten ihr | |
Durchbruchsalbum „Rocket In The Pocket“ auf, inzwischen 25 Jahre alt. Auch | |
die Zugabe wurde schwer bejubelt: ihr fast ebenso alter Club-Hit „14 Zero | |
Zero“. Tags drauf spielten 13 & God – der HipHop-Ableger der Achers – mit | |
ihren Freunden vom US-Alternative-Rap-Label Anticon; auch um diese Gruppe | |
war es die letzten Jahre still geworden. | |
Das Notwist-Universum ist so weit verzweigt, dass mit Yuko Ikema feat. | |
Hochzeitskapelle und Sun zwei weitere Nebenprojekte zu sehen waren: Sun ist | |
das Projekt von Notwist-Drummer Andi Haberl und die [1][Hochzeitskapelle] | |
die Brass Band von Markus und Micha Acher. Die Brüder waren am | |
Festivalwochenende im Dauereinsatz – auch nach den regulären Konzerten in | |
den drei Theaterräumen. Wie schon im Vorjahr holten sie sich für die | |
Spätschicht Unterstützung von einer weiteren Münchner Kapelle: von G.Rag & | |
Die Landlergschwister und deren Ableger G.Rag & Zelig Implosion Deluxxe. | |
Zum Abschluss des Festivals führten sämtliche MusikerInnen einen | |
„Soundclash“ im Restaurant des Volkstheaters auf. Das „Schmock“ wurde d… | |
in zwei Hälften unterteilt: Kaum war auf der einen Seite der Auftritt mit | |
Fehler Kuti (das musikalische Alter Ego von Julian Warner, künstlerischer | |
Leiter des Brecht-Festivals Augsburg) zu Ende, schon jammte die Kapelle auf | |
der anderen Seite mit neuen Gästen los. Die zum Teil noch nie in ihrem | |
Leben von Bläsern begleitet worden sind. Diesmal mit dabei: Schorsch | |
Kamerun, dessen [2][Goldene Zitronen] am gleichen Abend in der Stadt | |
gespielt hatten. Überraschung: Peter Thiessen war auf einmal da und gab | |
„Die Summe Der Einzelnen Teile“ – den Hit seiner Band Kante. Er begleitete | |
beim Festival den einzigartigen südafrikanischen Klangkünstler Garth | |
Erasmus, der mit seinen Schläuchen, in die er hineinsingt, so etwas wie | |
Microphone Art macht. | |
Dieser „Soundclash“, der bis tief in der Nacht läuft, ist ein einzigartiges | |
Social Music Event. Auch wenn manche Acts mitunter „kneifen“: die | |
Neo-Krautrock-Band Beak> feierte bei der [3][Alien Disko] ’23 lieber den | |
Geburtstag ihres Mitglieds Geoff Barrow (Kopf von Portishead) in einer | |
Kneipe im benachbarten Schlachthofviertel. Es ist überhaupt die | |
Besonderheit des Festivals, dass es in die Stadt hineinwächst: Gegenüber im | |
Café Mari präsentierte die Fanzine-Macherin Jimmy Draht die Ausstellung | |
„Glitzerbox / Tamoko Mori“, Alien-DJs legten in der Favorit Bar auf und im | |
soeben mit dem 1. EMIL-Schallplattenladenpreis ausgezeichneten „Optimal“ | |
spielten am Nachmittag unter anderem Bex Burch vom tollen US-Jazz-Label | |
International Anthem. Ein herrlich intimes Festival-Outlet hinter | |
angelaufenen Schaufensterscheiben. | |
Vom Plattenladen zog dann die „Alien Parade“ über den befreundeten | |
Plattenladen „Gutfeeling“ zum Volkstheater, um den zweiten Abend zu | |
starten: reclaim the streets. Auf den Bühnen glänzten die südafrikanische | |
Rapperin und Sängerin Moonchild Sanelly (ein zukünftiger Star mit blauem | |
Afro als Markenzeichen, Minhwi Lee mit Folk aus Südkorea, das Münchner | |
Noise-Duo Spinnen, die verspult-elektronische Astrid Sonne aus Dänemark, | |
Organi mit 60s-US-Dream-Pop, das französische Free-Jazzrock-Damen-Trio | |
Nout, die japanische Instrumental-Band Popo. Die Londoner Girlgroup The | |
Orielles brachte Space-Disco zu Gehör und die englischen Damen von The | |
Pegwells Americana-Sound. Außerdem gab es Spiritual Kammerjazz, | |
Improvisiertes und Cumbia aus Kolumbien und viele andere tolle Sachen zu | |
hören. | |
Einmal mehr zeigte sich bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals: Alien | |
Disko ist das süddeutsche Klassentreffen der Indiefans. Es erzeugt ein | |
dringend benötigtes Gemeinschaftsgefühl und ist ein Glücksfall für die | |
Stadt München, die gar nicht richtig zu schätzen weiß, was ihr die Brüder | |
Acher für einen Gefallen erweisen. Wann sonst im Jahr kommen Fans | |
alternativer Sounds aus Berlin, Hamburg oder Wien extra nach München zum | |
Musikhören, Musikmachen und Musikerleben? Nur fürs Notwist-Festival. | |
8 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Summer | |
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