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# taz.de -- Festival für neue anatolische Musik: Crowdfunding soll das einmali…
> Das Festival für neue anatolische Musik ist ein Erfolgsprojekt, denn das
> İÇ İÇE füllt eine Lücke in der Musikszene. Es gibt keine Fördergelder
> mehr.
Bild: Superstimmung letzten Juni beim Festival für neue anatolische Musik İÇ…
Berlin taz | Der Saal ist gefüllt mit Personen, die Schulter an Schulter
singen oder mit verschränkten Fingern Halay oder Dabke, traditionelle
Volkstänze verschiedener Ethnien, tanzen: Das [1][Festival für neue
anatolische Musik İÇ İÇE] ist ein Erfolgsprojekt. Bei dem ausverkauften
Event im Festsaal Kreuzberg im letzten Jahr stand ein internationales
Line-up aus mehrheitlich queeren und FLINTA*-Künstler*innen mit Bezug zum
anatolischen oder arabischen Raum auf der Bühne. Sogar auf Deutschlandtour
ging İÇ İÇE mit Veranstaltungen wie zuletzt in Köln und Heidelberg.
Dann der Schock: Auch für dieses Festival wird es 2025 aufgrund der
Kulturkürzungen keine Gelder mehr geben. Wo letztes noch „ein hoher
fünfstelliger Betrag aus Bundesmitteln zur Verfügung stand“, blicken
Melissa Kolukisagil, die Gründerin und künstlerische Leiterin, und ihr Team
nun in eine ungewisse Zukunft. Ein Crowdfunding soll das erste Festival für
neue anatolische Musik in Deutschland retten.
„İÇ İÇE füllt eine Lücke in der Berliner Musikszene“, sagt Kolukisagi…
Gespräch mit der taz. „Diese Leerstelle habe ich selbst sowie viele
Menschen aus migrantischen Communitys gespürt, weil wir keine Orte gefunden
haben, an denen die Musik, mit der wir aufgewachsen sind, gefeiert wurde.
Ich habe mich gefragt, wie ein Raum aussehen würde, der meine
Lebensrealität wirklich widerspiegelt. Aus dieser Vorstellung ist İÇ İÇE
entstanden.“
Die erste Edition des Festivals konnte 2021 mit einem Jahr Verzug durch die
Pandemie stattfinden. Dem Namen entsprechend – İÇ İÇE bedeutet auf Deutsch
etwa „ineinander verschränkt“ oder „miteinander verwoben“ – waren vi…
verschiedene Communitys, Musikrichtungen und Themen repräsentiert. „Es gibt
nicht die eine anatolische Erzählung“, sagt Kolukisagil. „Der Name des
Festivals bezieht sich auf die Verwobenheit der verschiedenen Communitys im
anatolischen Raum, die bis nach Deutschland reicht.“
## „İÇ İÇE ist eine Art lebendes Archiv“
Die Geschichte anatolischer Musik in Deutschland lässt sich bis in die
1960er zurückverfolgen und ist geprägt von Menschen, die als
Gastarbeiter*innen und Asylsuchende nach Deutschland kamen. Ihre
Geschichten wurde unter anderem von Regisseur Cem Kaya in dem [2][Film
„Aşk, Mark ve Ölüm“] dokumentiert. İÇ İÇE knüpft maßgeblich an die…
vorheriger Generationen an, und Kolukisagil macht auf diese Kontinuitäten
aufmerksam. So vermischen sich beim Festival die Generationen sowohl auf
der Bühne als auch im Publikum. „İÇ İÇE ist eine Art lebendes Archiv, das
aus einem Mosaik aus vielen verschiedenen Stimmen besteht.“
Seit der ersten Ausgabe hat sich das Festival zu einem Treffpunkt für
marginalisierte Personen an verschiedenen Intersektionen entwickelt. Das
spiegelt sich in der Kuration des Programms wider. Eine 80-prozentige
FLINTA*-Quote auf der Bühne konnte Kolukisagil letztes Jahr mit
Leichtigkeit erreichen. Zudem sind viele queere Stimmen vertreten. „Das
Festival soll auch ein Wohlfühlort für queere Personen sein“, sagt
Kolukisagil. Damit alle Gäste sich sicher fühlen, gibt es vor Ort ein
Awareness-Team.
İÇ İÇE ist auch ein Ort des Zusammenkommens und der Hoffnung. „Angesichts
der aktuellen politischen Lage sind diese Orte noch wichtiger geworden und
dürfen nicht wegfallen“, sagt Kolukisagil. „Die Kürzungen, die Wahlen –
Deutschland ist verdammt kalt geworden in den letzten Jahren. Das macht
Angst, aber wir bleiben widerständig.“
Mit einer Crowdfunding-Kampagne kämpft Kolukisagil und ihr Team um den
Erhalt von İÇ İÇE. „Es geht dabei um mehr als nur eine Bühne. Unsere Arb…
schafft Räume, die es sonst nicht geben würde. Dasselbe gilt für andere
queere, migrantische, postmigrantische Initiativen.“ Wenn die einzigen
Orte wegfallen würden, an denen Menschen, die in Deutschland sonst nur
Ausgrenzung erfahren, sich zugehörig fühlen, dann würde das tiefe Risse in
die Berliner Stadtgesellschaft reißen.
## Kämpfen für den Erhalt des Festivals
Und es sind meist ebendiese Orte, die sich für Diversität und eine offene
Gesellschaft einsetzen, die Kürzungen als erste spüren. So wurde kürzlich
ebenfalls die gesamte Förderung für Initiativen der queeren Jugendarbeit
in Berlin wie die inter*trans* Beratung Queer Leben, LSVD und weitere
gestrichen.
„Wir sind ein Festival für und von mehrfach marginalisierten Menschen und
damit zwangsläufig politisch. İÇ İÇE gibt es nicht ohne Solidarität mit
kurdischen, palästinensischen und queeren Communitys. Damit machen wir uns
leider auch zur Angriffsfläche des rechten Kulturkampfs“, so Kolukisagil.
Mit dem Rückhalt der Community konnte das İÇ İÇE-Crowdfunding bereits in
den ersten Tagen 10 Prozent der angestrebten 35.000 Euro sammeln. Wenn das
Ziel erreicht wird, kann das Festival wie gewohnt im Juni stattfinden. „Es
fühlt sich nicht gut an, unsere Communitys nach Geld fragen zu müssen, wenn
unser Fest doch eigentlich ein Geschenk für sie sein sollte“, sagt
Kolukisagil.
Was passiert, wenn nicht genug Geld zusammenkommt, ist noch unklar. Aber
feststeht, dass Kolukisagil und ihr Team weiterhin für den Erhalt des
Festivals und diesen Ort der Hoffnung kämpfen werden.
13 Mar 2025
## LINKS
[1] https://itsch-itsche.com/
[2] https://www.askmarkveolum.de/
## AUTOREN
Ilo Toerkell
## TAGS
Kürzungen
Musikfestival
Musikgeschichte
Förderung
Feminismus
Jamel
Musik
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