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# taz.de -- Skandal um Rechercheplattform OCCRP: Investigativjournalismus am Ge…
> Einer Recherche zufolge übt die US-Regierung Einfluss auf die größte
> Investigativplattform aus. Auch der NDR ist von den Enthüllungen
> betroffen.
Bild: US-Regierungen wie die künftige von Donald Trump haben von der OCCRP nic…
Der Skandal begann mit der Enthüllung eines offenen Geheimnisses. Das
Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), das größte
internationale Netzwerk für Investigativjournalismus, wird rund zur Hälfte
von der US-Regierung finanziert, [1][berichtete die französische Plattform
Mediapart]. Das OCCRP hatte diese Finanzquellen zwar in seinen jährlichen
Berichten offengelegt, war damit aber nicht hausieren gegangen.
Das Neue an den Enthüllungen von Mediapart waren die Anforderungen und
Bedingungen, die mit der Finanzierung einhergehen. So zeigte Mediapart,
dass sich die US-Regierung im Gegenzug vorbehält, über den jährlichen
Arbeitsplan von OCCRP mitzubestimmen und bei der Ernennung von „wichtigem
Personal“ ein Veto einzulegen.
Auch auf die Recherchen hat sie wohl Einfluss. „Nicht nur wird die
US-Regierung von der Berichterstattung des OCCRP weitgehend verschont, sie
kann auch die Themensetzung der NGO steuern, indem sie Mittel bereitstellt,
die das OCCRP für Recherchen über bestimmte Länder verwenden muss“,
schreibt Mediapart. Die Gründung der Organisation sei mit Geldern aus dem
US-Außenministerium erfolgt.
Das OCCRP wurde 2007/08 von dem Amerikaner Drew Sullivan und dem Rumänen
Paul Radu in Sarajevo ins Leben gerufen. Der Fokus lag zu Beginn auf
Recherchen in osteuropäischen Ländern. Seitdem war das OCCRP an großen
Investigativgeschichten beteiligt, etwa am „Panama Papers“-Skandal, der
massiven Steuerbetrug öffentlich machte, oder an „Cyprus Confidential“,
einer Recherche zu russischen Oligarchen. Die Organisation hat ein
jährliches Budget von rund 20 Millionen Euro, zu dem auch europäische
Regierungen und die EU beitragen.
Das OCCRP wehrt sich gegen Vorwürfe der Einflussnahme. Sullivan sagt, die
gezahlten Gelder hätten keinen Einfluss auf die Berichterstattung.
## Sullivan gesteht Probleme ein
Die Enthüllungen über das Netzwerk gehen ursprünglich auf eine Recherche
von NDR-Journalisten zurück – obgleich der Sender in der Vergangenheit
selbst mit dem OCCRP kooperierte. Die Journalisten hatten 2023 Interviews
mit Sullivan und Mitarbeitern der US-Entwicklungsbehörde USAID geführt, die
freimütig über die Finanzierung des OCCRP sprachen.
Sullivan gestand laut Mediapart damals ein, dass diese Art der Finanzierung
ein strukturelles Problem darstelle, weil es möglich sei, dass die Gelder
gestrichen würden, wenn eine Recherche für Unmut sorge. „Wir müssen die
Zahl der Regierungsgelder in unserem Portfolio reduzieren“, habe Sullivan
dem NDR gesagt. Schon 2015 hatte der bekannte Investigativreporter Lowell
Bergmann OCCRP den Rücken gekehrt, als er vom Ausmaß der Beteiligung durch
die US-Regierung erfuhr.
Die Debatte über das OCCRP wirft Fragen zur öffentlichen Finanzierung von
Journalismus auf. Für Sullivan ist sie eine Existenzgarantie, laut ihm gäbe
es das OCCRP ohne US-Gelder nicht. Die Qualität der Recherchen selbst will
auch Mediapart nicht in Abrede stellen.
Das Medium zeigt aber, wie der Einfluss der Regierung auf das OCCRP wirkt.
Mal subtil, wenn OCCRP-Journalisten im Hinterkopf haben, dass sie
unangenehme Recherchen über Verstrickungen der US-Regierung die Hälfte
ihrer Finanzierung kosten können. Enthüllungen à la Wikileaks über massive
Überwachungsprogramme oder Kriegsverbrechen der US-Regierung wären auf
dieser Arbeitsgrundlage kaum denkbar. Zu recherchieren gäbe es genug,
bezeichnete das Internationale Netzwerk Investigativer Journalisten die USA
2022 doch als [2][weltweit größte Steueroase].
Mal ist der Einfluss der Geber unmittelbarer, etwa wenn gewisse Gelder
direkt an die Bedingung geknüpft sind, dass das OCCRP damit zu
geostrategischen Gegnern der USA wie Venezuela oder Russland recherchiert.
## Mediapart wirft NDR Zensur vor
Ein weiterer Teil der Enthüllungen betrifft den NDR. Obwohl Interviews von
NDR-Journalisten die Recherche angestoßen hatten, entschied sich der
öffentlich-rechtliche Sender dafür, die Ergebnisse nicht zu
veröffentlichen. Der OCCRP-Vorsitzende Sullivan versuchte laut Mediapart,
die Glaubwürdigkeit eines beteiligten NDR-Investigativjournalisten zu
diskreditieren und Druck auf die Führung auszuüben. [3][Mediapart spricht
von Zensur] – ein Vorwurf, den der NDR zurückweist.
Der Sender teilte auf taz-Anfrage mit, mehrere Redaktionen des NDR hätten
sich „unabhängig und autonom gegen die Fortführung oder Veröffentlichung
der Recherche entschieden“, da sie „in keinem veröffentlichungsreifen
Stadium“ gewesen sei. Die NDR-Führung sprach laut Mediapart von einer
fehlenden Relevanz des Themas.
Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ [4][schrieb im Anschluss in einem Artikel zur
Causa], man habe sich stattdessen vorbereitet, im Nachgang zur
Veröffentlichung „über die Recherche und ihre möglichen Auswirkungen zu
berichten“ – was ja so klingt, als sehe man doch eine grundsätzliche
Relevanz. Für diese Bewertung spricht auch, dass sich die NDR-Führung laut
Mediapart entschieden hat, die eigene Kooperation mit dem OCCRP auf Eis zu
legen, nachdem sie die Interviews mit USAID-Beamten und Sullivan gesehen
hatte.
Auch andere deutsche Medienhäuser kooperierten mit dem OCCRP. Die
Süddeutsche Zeitung teilte auf taz-Anfrage mit, sie habe über die
Finanzierung Bescheid gewusst, sei aber gerade in keine gemeinsamen
Projekte involviert. Der Spiegel teilte mit, für künftige Kooperationen sei
entscheidend, „dass die Rechercheergebnisse eines Partners unserer
journalistischen, dokumentarischen und rechtlichen Prüfung standhalten“.
Der NDR will die Ergebnisse erst intern bewerten. Dann würden die
Redaktionen entscheiden, „ob und wie sie sich wieder an OCCRP-Projekten
beteiligen.“
12 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.mediapart.fr/en/journal/international/021224/hidden-links-betwe…
[2] https://www.icij.org/investigations/pandora-papers/us-lands-top-spot-as-wor…
[3] https://www.mediapart.fr/en/journal/international/021224/german-broadcaster…
[4] https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Journalisten-im-Auftrag-der-US-…
## AUTOREN
Leon Holly
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