# taz.de -- Künftige Regierung in Deutschland: Was ist besser als Schwarz-Grü… | |
> Was wäre nach der Bundestagswahl wünschenswert? Für einige ist das eine | |
> „linke Mehrheit“, für deutlich mehr eine rechtspopulistische. Aber was | |
> ist möglich? | |
Bild: Wer hat Angst vor schwarz-grün? | |
Manchmal überkommt es mich, und dann halte ich einen superdifferenzierten | |
Kleinstvortrag, in dem ich auf die veränderte Lage der eben noch | |
liberalemanzipatorischen Gesellschaften Europas und die ganzen unangenehmen | |
Widersprüche hinweise. Unter Berücksichtigung von fehlender | |
Zukunftspolitik, abdriftenden Liberalkonservativen und denkstarren | |
Linksliberalen. Ich sage dann so Joschka-Fischer-Zeug wie „Ende der Pax | |
Americana“. | |
Und dann kann ich darauf wetten, was der erste Linkssozialdemokrat sagt. | |
Nämlich: „Du willst doch nur Schwarz-Grün!“ Sonst nichts. Damit ist der | |
Fall für ihn oder sie erledigt. Anfangs sagte ich noch: „Wenn überhaupt, | |
dann Grün-Schwarz“, schließlich bin ich [1][Baden-Württemberger] und habe | |
daher höchste politische Ansprüche. Irgendwann gab ich auch das auf. | |
Das Eindampfen der Weltlage auf angebliche Charakterzüge oder Präferenzen | |
ist eine Form der Komplexitätsentlastung, die Linkssozialdemokraten nicht | |
exklusiv haben. Ständig versucht nicht nur der Rechtspopulist, sondern auch | |
unsereins, Geschehnisse oder Veränderungen darauf zu reduzieren, dass | |
bestimmte Politiker schlimm, eitel, machtgeil, machtwortschwach oder | |
verwuschelt sind. Das mag im Einzelfall nicht falsch sein, aber es beendet | |
das politische Denken da, wo es anfangen müsste. Und es bleibt nur: Die | |
böse, ich super. | |
Wenn jemanden das Bedürfnis überkommt nach einem Sprechakt von besonderer | |
Moral-Darstellung, dann ruft diese Person: „Ich wähle nicht mehr das | |
kleinere Übel!“ | |
## Raushalten ist unmoralisch | |
Aha, kann man da nur antworten: „Also dann das größere Übel?“ | |
Raushalten ist unmoralisch. Es geht darum, aus dem, was ist, das Beste zu | |
machen, in vielerlei Hinsicht also das am wenigsten Üble. Das betrifft etwa | |
den Umgang mit dem künftigen US-Präsidenten [2][Donald Trump]. Schon höre | |
ich manche sagen, dass man jetzt aber „keinen Urlaub mehr in Amerika“ | |
mache. Leute! Wie tief kann man denken? | |
Der nächste Bundeskanzler muss einen professionellen Umgang finden, der die | |
USA an der Seite der EU und damit Deutschlands hält, unsere Freiheit, | |
unsere Wirtschafts- und damit auch Sozialstaatsinteressen sichert, und der | |
gleichzeitig die Errungenschaften der liberalen Demokratien in Europa gegen | |
eine etwaige [3][Silicon-Valley-Oligarchie] behauptet. Keine Ahnung, wie | |
das gehen soll, aber es muss. | |
Ähnliches gilt für die Bundestagswahl. Was wäre wünschenswert? Für einige | |
ist das eine „linke Mehrheit“, für deutlich mehr eine rechtspopulistische | |
Mehrheit. Aber was ist möglich? Ohne die Union kann es wohl keine | |
liberaldemokratische Mehrheit geben. Ich würde es bevorzugen, wenn nur zwei | |
Parteien die nächste Regierung stellen. AfD und BSW sollten auf keinen Fall | |
regieren, und die FDP („Mehr Milei und Musk wagen“) hofft nur noch darauf, | |
als Staatsopposition vielleicht doch nicht unterzugehen. | |
Bleiben also Union, Grüne und SPD. Und dann ist es so, dass das öffentliche | |
Wahlkampfgespräch erstens einen Prioritätenwechsel braucht von der Innen- | |
zur Außenpolitik. Jedenfalls, solange wir Europa nicht als Innenpolitik | |
verstehen. Die entscheidenden Basisfragen einer guten Zukunft sind | |
geopolitische und europäische. | |
Zweitens muss man die beiden besten realen Optionen – Schwarz-Rot und | |
Schwarz-Grün – unter dieser neuen Fragestellung diskutieren: Was wäre in | |
der Europapolitik, Verteidigungspolitik, Wirtschafts- und Klimapolitik, in | |
Trumppolitik, Putinpolitik und in Sozialpolitik der Unterschied? Und weil | |
Wahlen eben doch auch von Gefühlen bestimmt werden, muss man sich fragen: | |
Von wem möchte ich mich, Deutschland und Europa in dieser Zeit | |
repräsentiert sehen – von Friedrich Merz, Olaf Scholz oder Robert Habeck? | |
9 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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