# taz.de -- Von wegen Untergang des Liberalismus: Wird der Wahlkampf eine natio… | |
> Eigentlich sollte unser Kolumnist schlechte Laune haben. Aber trotz | |
> Trump-Sieg blickt er positiv in die Zukunft. Jetzt sei die Zeit | |
> anzupacken. | |
Bild: Für schlechte Laune gibt es aktuell viele gute Gründe | |
Ich bin gut drauf. Eigentlich müsste ich ja klagen, dass Trump und Putin | |
und alle Trump-Putin-Fans gut drauf sind oder noch besser, seit Trump | |
[1][zum zweiten Mal gewählt] wurde. Den reaktionär-autoritären Staatsraub | |
im Zentrum der westlichen Aufklärung beweinen. Mit zittriger Stimme sagen, | |
dass selbst die liberal-emanzipatorische Gesellschaft der Bundesrepublik | |
womöglich nur noch einen Schuss Zukunft frei hat bei der kommenden | |
Bundestagswahl. | |
Aber ich habe keine Lust auf Untergangsgeheule. Was soll das bringen, das | |
Schlimme zu beschwören und es damit gleichzeitig herbeizuwünschen? Das hat | |
unsereins lange genug gemacht. Außerdem sagen ja die anderen jetzt, also | |
AfD, BSW, CDU, CSU, Rest-FDP und Rest-Linke, dass vieles oder alles scheiße | |
sei. Wenn die gemäßigt Progressiven das auch noch machen, bleibt niemand | |
übrig, der die gar nicht kleinen Errungenschaften und die | |
liberaldemokratisch-marktwirtschaftliche Basis unseres freien und | |
vergleichsweise privilegierten bundesdeutschen Leben wertschätzt und | |
verteidigt. | |
Die Zukunftsprobleme sind nicht zu lösen, wenn Grundsätzliches weiter | |
unterlassen wird, um die Miesgestimmten still zu halten. Sondern, indem man | |
Grundsätzliches ändert. Das meint an erster Stelle Wirtschaft und | |
Sozialstaat auf fossiler Basis. Deshalb darf man sich nicht einreden | |
lassen, aufs Postfossile zielende Wirtschaftspolitik sei bis auf Weiteres | |
tabu. Sie ist derzeit für einen zu großen Teil der Gesellschaft emotional | |
negativ besetzt, aber sie ist es nicht für die gemäßigt Progressiven und | |
übrigens auch nicht für „die Wirtschaft“ (die nicht mit Öl, Gas oder Koh… | |
handelt). | |
Wenn man ein Viertel der Leute und mehr gewinnen will, sollte man indes | |
nicht damit kommen, „das Klima retten“ zu müssen und schon gar nicht „den | |
Kapitalismus überwinden“ zu wollen. Das muss man dem | |
[2][Grüne-Jugend-Sandkasten] überlassen. Nein, das Vorbild ist Bidens | |
Inflation Reduction Act. Jobs, Wettbewerbsfähigkeit, Steuergelder für den | |
Sozialstaat. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so was sage, aber es | |
zeigt, dass auch der Naivste dazulernen kann. | |
## Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele | |
An diesem Punkt ist es unvermeidlich, auf den Vizekanzler zu sprechen zu | |
kommen, dessen Transformationspolitik als Wirtschafts- und Klimaminister | |
ein [3][Kern des Wahlkampfs aller anderen Parteien] wird. Tenor: Scheiße | |
für die Wirtschaft, die Oma und den kleinen Mann. Diesen Schlager wird man | |
in Dauerschleife spielen, Argumente helfen derzeit kaum dagegen. Dazu wird | |
auf der Außenbahn die Angst vor „Fremden“ geschürt werden. Und dann wird | |
die deutsche Lieblingsfrage besprochen, ob die Grünen nun zu hü oder zu | |
hott sind. Es gibt noch sinnlosere Diskussionen, aber nicht viele. | |
Robert Habeck hat voriges Wochenende in einer mittelgroßen Rede in | |
Neuhardenberg verkündet, was er für entscheidend hält für eine gute Zukunft | |
der Bundesrepublik trotz Trump, Putin, China und dem brutalen Angriff auf | |
das freie Leben, wie wir es kannten. Eine zentrale Antwort ist: Deutschland | |
als führender Teamplayer in Europa geht mit der EU die Sachen wirklich an. | |
Jetzt wird jeder Hobby-Politikstratege sofort sagen: Europa? Damit kann man | |
doch keine Wahl gewinnen. | |
Aber eine Zukunft. | |
Das Trump-Amerika wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Zeitenbruch brutal | |
spürbar machen und ein Kleinklein-Wahlkampf der Kategorie „Du bist blöd – | |
nein, du“ wäre deshalb eine nationale Katastrophe. Ich bin aber | |
zuversichtlich, dass man 25 Prozent der Leute für den Wechsel in die neue | |
Realität gewinnen kann und auch für den notwendigen Kulturwechsel. | |
Er lautet: Wir müssen nicht [4][das Schlimmste beschwören] und auch nicht | |
verhindern, sondern das Bestmögliche hinkriegen. Dafür ist jetzt die ideale | |
Zeit, und ich habe richtig Lust darauf. | |
15 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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