| # taz.de -- Militär-Mode: Unheimlich schön | |
| > Kampfkluft oder Luxuslabel? Der Bildband „Fashion Army“ zeigt | |
| > Arbeitskleidung des US-Militärs. | |
| Bild: Camouflage oder doch lieber Pink? | |
| Das ist Helmut Lang“, sagt Matthieu Nicol und deutet auf das Foto, das vorn | |
| auf seinem Buch „Fashion Army“ zu sehen ist. Der junge Mann, der darauf | |
| abgebildet ist und frontal in die Kamera blickt, trägt über einem weißen | |
| T-Shirt eine weiße wattierte Weste, die in einer Art Schurz endet. Man | |
| könnte glauben, das Outfit stamme von dem österreichischen Designer, einem | |
| Pionier der minimalistischen, von Uniformen inspirierten Mode – stimmt aber | |
| nicht. Vielmehr handelt es sich um den Teil einer Uniform des US-Militärs, | |
| das Foto wiederum gehört zu einem Konvolut an Abbildungen [1][von | |
| Armeekleidungsstücken], aus denen Nicol seine „Fashion Army“ | |
| zusammengestellt hat. | |
| Matthieu Nicol entdeckte die Fotos mehr oder weniger zufällig bei einer | |
| Recherche. Er arbeitet in Paris als Bildredakteur und sammelt und erforscht | |
| Gebrauchsfotografien, vor allem solche, die mit Essen und Trinken zu tun | |
| haben. In seinem vorherigen Projekt etwa hat er sich mit amerikanischem | |
| Militär-Junkfood beschäftigt. Online stieß er irgendwann auf eine Datenbank | |
| des Natick Soldiers System Center, ein Archiv des US-Militärs, das die | |
| Arbeitskleidung von Soldat*innen zeigt. Schier endlose Abbildungen | |
| fanden sich da, 14.134 Scans insgesamt, frei verfügbar, ohne | |
| urheberrechtliche Einschränkungen. Prototypen von Uniformen zeigen sie, und | |
| technische Ausrüstungen. „Ich fand sie fantastisch und schön“, sagt Nicol | |
| im Zoom-Interview mit der taz, „gleichzeitig haben sie etwas Unheimliches. | |
| Was darauf zu sehen ist, wurde schließlich [2][vom US-Militär produziert] | |
| und für das Töten designt.“ | |
| Lange habe er gebraucht, sich durchzuarbeiten. Zunächst traf er eine | |
| Auswahl von etwa 2.500 Bildern, aus denen er wiederum eine Ausstellung – im | |
| Sommer war sie beim Fotofestival „Les Rencontres d’Arles“ zu sehen – und | |
| dann das Buch extrahierte. | |
| Hintergrundinformationen zu den einzelnen Bildern und Uniformen bekam er | |
| auch auf Anfrage nicht heraus, nur die Metadaten, den Zeitpunkt der | |
| Aufnahmen (von den späten 1960ern bis 1994), ein paar technische | |
| Abkürzungen gaben Anhaltspunkte. Also konzentrierte Nicol sich auf die | |
| Bilder selbst, vor allem die, auf denen Menschen zu sehen sind. Er kann | |
| nicht mit Sicherheit sagen, wer sie sind – ihren teils unbeholfenen Posen | |
| nach zu urteilen, könnten es sowohl Soldat*innen sein als auch einfache | |
| Angestellte des Centers, vermutet Nicol. | |
| Wobei genau das die Bilder so aktuell wirken lässt – Models bei Marken wie | |
| Acne, Maison Margiela oder Balenciaga sehen heute oft genau so aus, | |
| Juergen-Teller-haft unperfekt. Die Kleidungsstücke tun ein Übriges: | |
| Camouflage und Cargohosen. Gestepptes und Wattiertes. Derbe Materialien, | |
| die den Körper wie einen Kokon umgeben. Radikal funktionalisierte Teile. | |
| „Gorpcore“ nannte man 2017 den Trend, Funktionskleidung, die einen vor Wind | |
| und Wetter schützen soll, im Alltag zu tragen. Gorp steht dabei für „Good | |
| old raisins and peanuts“, also Studentenfutter, das man ja oft beim Wandern | |
| als Snack dabeihat. Mit den Codes der Mode spielt Matthieu Nicol sehr | |
| bewusst. Wie ein Lookbook eines Modehauses wirkt „Fashion Army“ auf den | |
| ersten Blick. | |
| Herausfordern und Diskussionen und Reflexion anregen möchte Nicol auf diese | |
| Weise. „Eine der größten Aufgaben, die sich mir bei der Bearbeitung dieser | |
| Bilder stellte, war die Verantwortung, die ich als Redakteur habe“, sagt | |
| er. „Diese Bilder sind nicht unschuldig, aber gleichzeitig wirken sie wie | |
| Simulakren, es gibt eine Distanz.“ Allein zeitlich. Entstanden sind die | |
| Fotos nach dem Trauma des Vietnamkriegs, während des Kalten Kriegs und des | |
| zweiten Golfkriegs, in einer Zeit, als die USA zur einzigen Supermacht | |
| wurden, als die Rolle der Technologie wuchs, bis hin zum Konzept eines | |
| vermeintlich „sauberen Krieges“. Die Gewalt steckt in den Details, hinter | |
| dem, was uns modisch erscheint. Er habe die Bilder auch Freund*innen aus | |
| dem Irak gezeigt, erzählt Nicol. Sie hätten sie gehasst. Beate Scheder | |
| Matthieu Nicol: „Fashion Army“, SPBH Editions/MACK, London 2024, 50 Euro | |
| 20 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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