| # taz.de -- Punkband Amyl and the Sniffers auf Tour: Die eigenen Engel auf der … | |
| > Sie spielen nihilistischen Krawall für alle. Die Punkband Amyl and the | |
| > Sniffers aus Melbourne kommt mit ihrem Album „Cartoon Darkness“ auf Tour. | |
| Bild: An ihr ist nichts niedlich: die Punkband Amyl and the Sniffers | |
| Okay, der erste Moment von „Cartoon Darkness“ ist einer, den man nie | |
| vergessen wird. Man ist gerade aus dem Büro in regengraue Tristesse | |
| getreten und „AAAARRRRR“ fressen sich die metallischen Gitarrenriffs des | |
| neuen Albums von Amyl and the Sniffers durch die Matschbirne, bis sie nach | |
| nicht mal 13 Sekunden von Frontfrau Amy Taylors Raubeinstimme übertönt | |
| werden. „You’re an asshole […] / I am hot always […] /Don’t wanna be … | |
| in that negativity […]“, brüllt sie und man möchte sagen: Danke, Amy, | |
| stimmt! Wobei die Arschlöcher natürlich immer die anderen sind. | |
| Für alle, die sich mit Vorliebe anschreien lassen, um so zumindest ab und | |
| an aus ihrem Weltresignationsmodus herauszukommen, sind Amyl and the | |
| Sniffers die Band, die man gerade nicht ignorieren sollte. Das Quartett aus | |
| Australien macht Punk, vielleicht den besten der letzten fünf Jahre. | |
| In einer Melbourner WG gegründet, besteht die Band heute neben Amy Taylor | |
| aus dem Gitarristen Declan Martens, Bassist Fergus Romer und Drummer Bryce | |
| Wilson. Der Bandname geht auf den Popperswirkstoff „Amylnitrit“ zurück, der | |
| beim Schnüffeln einen heftigen Kick verursacht. „Cartoon Darkness“, | |
| produziert von Nick Launay, ist ihr drittes Studioalbum. | |
| Sängerin Taylor, 28, wuchs in einer Kleinstadt zwischen Hippies und | |
| Autoprolls auf, heißt es. Ein biografisches Detail, das erklären könnte, | |
| warum Amyl and the Sniffers unsere widersprüchliche Welt so gut in ihrer | |
| Musik einfangen. Das geschieht allerdings nie, ohne ihr eine Portion | |
| schnoddrigen Pragmatismus entgegenzusetzen. | |
| Beim Debütalbum (2019) geschah dies noch nicht ganz so resolut, aber | |
| spätestens bei „Comfort to Me“ (2021) heißt es: „Guided by Angels / But | |
| they’re not heavenly / They’re on my body and they guide me.“ Mit anderen | |
| Worten: Engel meinetwegen, aber bitte nur welche, die man selbst erfunden | |
| hat. Eine andere wichtige Botschaft, die sich durchs Gesamtwerk zieht: | |
| [1][„My body, my choice“ – und nicht andersherum, wie es so mancher | |
| spätestens seit Donald Trumps Wiederwahl gerade vermehrt propagiert]. | |
| ## Konzerte mit biernassen Menschen | |
| Amyl and the Sniffers singen für „Freaks“, so heißt auch ein Song, und | |
| meinen damit: Frauen, Outlaws, Menschen mit Migrationsgeschichte, trans | |
| Personen … Denn: „Everyone in the room deserves fun.“ Und so ist es dann | |
| auch auf ihren Konzerten, wo biernasse Menschen wie extrem fröhliche | |
| Protonen gegeneinander knallen, aber keine Angst haben müssen, dass da | |
| plötzlich eine Hand an ihrem Hintern ist, die da nicht hingehört. | |
| Und auch Amy Taylor ist ein kleiner Energieball, wobei sie für einen Ball | |
| viel zu zart und sehnig ist. Sie ist mehr wie Blitz und Donner und sehr | |
| viel nackte Haut. Sie ist eine Soundmaschine, der es gelingt, die Angst vor | |
| den Aggressionen der Außenwelt wegzupusten. Und sie ist eine, die sich | |
| voller Urvertrauen ins Händegetümmel stürzt, um sich von den positiven | |
| Schwingungen, die sie selbst erzeugt hat, davontragen zu lassen. | |
| Während Amyl and the Sniffers lange als Geheimtipp galten, sind ihre | |
| Konzerte mittlerweile schnell ausverkauft. Für ihre Musik haben die vier | |
| unter anderem den wichtigsten australischen Musikpreis gewonnen, die Aria | |
| Awards. [2][Umso erfreulicher ist Amy Taylors Kollaboration mit den | |
| Sleaford Mods]. Das Gute ist auch: Nichts an ihr und ihren Boys ist | |
| lieblich. Sie tragen wasserstoffblonde 80er-Jahre-Frisen, Glatze, campes | |
| Make-up und durchdringen komplizierte Liebesgeschichten vermutlich besser | |
| als so mancher Achtsamkeitscoach, wie ihr Song „Chewing Gum“ von 2024 | |
| beweist. | |
| Der Sound von „Cartoon Darkness“ ist wütend, ohne depri zu sein, geradlinig | |
| in your face, saust den Emotionshügel aber auch mal rauf und runter wie ein | |
| guter Stream of Consciousness. Vorzugsweise im „Tiny Bikini“: „Ooh, if I | |
| didn’t show up in something spicy /The cold world would feel even more | |
| icy.“ Und denen, die immer noch in ihren Apartments hocken und sich fragen, | |
| wie es für sie weitergeht, rät Taylor in „Big Dreams“: „Just take a bre… | |
| and get yourself together.“ Deal. | |
| 23 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Fastabend | |
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