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# taz.de -- Die Wahrheit: Scheiß-Habeck gegen Flachwichser
> Mit aller verbalen Verve nimmt der Bundestagswahlkampf des grünen
> Spitzenkandidaten unter der Gürtellinie Fahrt auf und schlägt hohe
> Wellen.
Hallöchen, ihr Armleuchter. Ich bin’s: der Scheiß-Habeck, euer
Verbotskasper mit dem Heizungshammer“, begrüßt der grüne Kanzlerkandidat
die Bürger, die sich zum Wahlkampfauftakt auf dem Marktplatz einer
überwiegend konservativ geprägten Kleinstadt in Süddeutschland eingefunden
haben. Erste Tomaten und Injurien fliegen in Richtung Bühne, doch der
Spitzenpolitiker heizt die Stimmung weiter an. Einen älteren Herrn im
dunkelbraunen Lodenmantel gendert Habeck bis aufs Blut, einer Rotte
erzkatholischer Landfrauen droht er, ihren Weihnachtsmarkt in „Wintermarkt“
umzubenennen und das Jesuskind auf links zu drehen.
Anhänger progressiver Ideen sucht man bei dieser Veranstaltung vergebens,
die grünen Wahlkampfstrategen haben über die sozialen Netzwerke
ausschließlich unversöhnliche Gegner und verbrieft radikalisierte Wutbürger
eingeladen. Offenbar mit Erfolg, denn sogar die örtliche Reichsbürgerschaft
ist angetreten, um dem linksgrünversifften Endboss ihre Aufwartung zu
machen. Sie brüllen dem Politiker wenig Zitierfähiges bis Justiziables
entgegen. Der Kandidat bestärkt sie: „Lasst es raus, ihr Flachwichser. Ich
will euren ganzen Hass!“
Habeck beendet seine Rede mit dem Versprechen, den Stadtpark mit Windrädern
zuzupflastern und das Leitungswasser endgültig zu verschwulen. Dann breitet
er heilandmäßig die Arme aus. „Und jetzt gebt mir Tiernamen, ihr
Knalltüten!“, ruft er und badet in der Ablehnung der Menge, bis der
Grünen-Chef dann mit erhobenen Mittelfingern von der Bühne geht und durch
einen dichten Flaschenhagel zu seinem Wahlkampfmobil mit der Aufschrift
„Scheiß-Habeck 25: Schwachkopf wählen“ sprintet.
„Beleidigungen sind bloß dissonante Wertschätzungen“, bramarbasiert der
chronisch bedeutungsschwangere Politiker, als wir mit dem Panzer, den
Grünen-Zeugwart Toni Hofreiter eigenhändig zum Wahlkampfmobil für
Kriseneinsätze umgeschweißt hat, eine Ehrenrunde durch die kritische Masse
pflügen.
Noch in jüngster Vergangenheit hatte Robert Habeck auf Beleidigungen eher
juristisch als ausfällig reagiert. Einen bayerischen Rentner, der ihn auf
den sozialen Medien als „Schwachkopf“ bezeichnet hatte, zeigte der
Spitzenpolitiker kurzerhand an. Die Polizei nahm darauf eine
Hausdurchsuchung bei dem 64-jährigen Heißsporn vor, was im konservativen
bis knallrechten Lager noch heftigere Schimpfkanonaden auslöste. Als
Reaktion darauf hat der selbsternannte „Kanzlerkandidat für Menschen“ seine
Ansprache gegenüber ebendiesen Menschen radikal vulgarisiert.
## Kommunikationsangebot über ein Kampfblatt für Streitkultur
Habeck will künftig „extremst übertrieben auskeilen“, wie er Dresche &
Diskurs mitteilte, dem führenden Kampfblatt für Streitkultur, denn der
Grüne will heuer auch „Arschkrampen, Pissflitschen und Drecksäcken“ ein
„Kommunikationsangebot auf Kloakenhöhe machen“.
Im Wahlkampf tritt Habeck als Doppelspitze „Der Robert“ und „Scheiß-Habe…
an, was immerhin die Bezeichnung „Team Habeck“ für die politische
One-Man-Show erklärt. Für die großstädtische Stammkundschaft gibt der Grüne
weiterhin den einfühlsam blubbernden Weichspüler, der sich nach der Party
an den Küchentisch setzt, um seine Politik zu erklären, statt beim Abwasch
zu helfen. Durch das Feindesland der provinziellen Wutbürger tourt er – das
Haupthaar kunstvoll auf Krawall gebürstet – als Buhmann mit der Lizenz zum
Pöbeln.
„Wir dürfen die Eskalationsdominanz nicht dem rechten Rand überlassen“,
trompetet der Obergrüne mit offensiv geblähten Laberbacken und zieht die
Sturmhaube fest, während sein Tourbus kettenklirrend im nächsten Weiler
einreitet.
„Geht sterben, ihr Verlierer“, gibt der Kandidat dem versammelten
politischen Gegner gleich eine volle Breitseite mit. Prompt wird er mit
„Scheiß-Habeck“-Rufen belohnt, die der Volkstribun mit dem Wunsch
quittiert, dass steigende Meeresspiegel „dieses Dreckskaff möglichst bald
aus der Landschaft putzen“ mögen.
Als Habeck auch noch droht, „euch Pissern die Ölheizungen unterm Arsch
anzuzünden“, zimmert der Mob gar einen Galgen mit Widmung. „Das ist mir
seit den Bauernprotesten nicht mehr passiert“, gibt der Politprofi gerührt
zu.
Mit seiner Fuck-you-Strategie folgt Habeck einem globalen Trend. „Pöbeln
ist der neue Goldstandard der politischen Kommunikation“, stellt
Politikberater und Aggressionscoach Dr. Vincent Malik-Boysen fest, der den
US-Wahlkampf und Schulhofschlägereien analysiert hat.
„Inhalte dringen nur noch durch, wenn sie pejorativ performt werden. Ob sie
auf Ablehnung oder Zustimmung stoßen, ist dabei erst einmal egal, ihr
Arschlöcher.“
Doch generiert man so Wählerstimmen? Durchaus, meint Malik-Boysen, der die
hochaggressive Strategie mitentworfen hat. „Habeck ist eine extrem
populäre Hassfigur und konnte beinahe den gesamten Merkel-Abscheu auf sich
ziehen. Seine Antipathiewerte sind enorm, obwohl er nicht einmal eine Frau
ist. Oder Ausländer.“
## Aggressive Vulgärpsychologie für alle deutschen Wutbürger
Die deutschen Wutbürger, analysiert der Vulgärpsychologe, seien „infantile
Analgeburten und regressive Rohrkrepierer“, die keine politische
Veränderung wollten, sondern verlässliche Blitzableiter wie eben Habeck, um
„ihr feiges Mütchen zu kühlen“.
„Die Wahlen der letzten Zeit scheinen diese Theorie aber nicht unbedingt zu
bestätigen“, wenden wir ein, doch Habecks Svengali verabreicht uns, wie es
typisch ist für solche Strippenzieher, prompt eine Dosis seiner
präferierten Medizin – er beschimpft uns als „Ikonoklasten, Galgenvögel u…
Troglodyten“.
Als sich der Berater heiser gebrüllt hat, korrigiert Malik-Boysen
defätistisch lächelnd seine Einschätzung: „Ach, Ihnen kann ich’s ja sage…
Die Bundestagswahl ist für uns eh verloren, da können wir den Leuten
genauso gut sagen, was wir wirklich von ihnen halten. Sie glauben gar
nicht, wie gut das tut.“
Noch eine ganze Weile hören wir Robert Habecks Publikumsbeschimpfung zu.
Tatsächlich wirkt der sonst so verkniffen rechtschaffene Norddeutsche nicht
nur völlig authentisch, sondern nachgerade menschlich, ansatzweise sogar
sympathisch.
So jemanden würden wir wählen, wird uns klar, weil er uns aus den längst
vergifteten Herzen spricht. Hat Dr. Malik-Boysen doch Recht, ist Pöbeln die
überlegene, gar die letzte verbliebene Form politischer Kommunikation? Das
fragen wir uns, bis ein weiteres Wahlkampfmobil auftaucht. „Fickt euch doch
selber. SPD“, steht darauf. Über dem Slogan grinst befreit das Konterfei
von Olaf Scholz.
30 Nov 2024
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Robert Habeck
Sprache
GNS
Soziale Medien
Donald Trump
Silvester
Die Wahrheit
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Die Wahrheit
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