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# taz.de -- Koalitionssuche in Sachsen: CDU und SPD planen Minderheitsregierung
> CDU und SPD in Sachsen wollen eine Minderheitsregierung bilden. Ein
> Konsultationsmechanismus vor Gesetzesvorhaben soll Mehrheiten
> organisieren.
Bild: Henning Homann (l), (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) plädieren für ne…
Dresden taz | Nach dem BSW-Ausstieg aus den Koalitionssondierungen konnte
der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wieder lächeln.
Mehr noch: Er konnte zu Beginn der Pressekonferenz am Freitag sogar
erheitern. Er sprach von „zwei großen Volksparteien“, die nun offiziell
ihre Absicht erklärten, eine gemeinsame Minderheitsregierung bilden zu
wollen.
Zur Erinnerung: Die SPD erzielte bei der Landtagswahl am 1. September nur
noch 7,3 Prozent der Zweitstimmen, beide Fraktionen gemeinsam verfügen im
Landtag nur über 51 von 120 Sitzen. „Ein Wahlergebnis sucht sich seine
Regierung und nicht umgekehrt“, konstatierte Kretschmer nüchtern und ließ
keinen Zweifel daran, dass ihm eine mehrheitsfähige Koalition mit dem BSW
lieber gewesen wäre. Was die Große Vorsitzende Sahra Wagenknecht
bekanntlich [1][am vorigen Mittwoch nicht wünschte.]
Die folgenden Äußerungen der Spitzenvertreter von CDU und SPD aber fielen
ernsthaft, leidenschaftlich und für eine früher mehrheitsverwöhnte
Sächsische Union überraschend aus. Man wolle „mit großer Demut an die
Arbeit gehen“, kündigte Kretschmer an. „Wir sind in einer neuen Welt in
Sachsen angekommen“, konstatierte der SPD-Landesvorsitzende Henning Homann.
Er sieht in einer Minderheitsregierung sogar die Chance, „eine neue
politische Kultur zu erarbeiten“ und über Sachdiskussionen Mehrheits- und
Oppositionsrituale zu überwinden. Beide Parteien betonten aber gute
Erfahrungen miteinander in verschiedenen Koalitionen seit 2004.
## Umgang mit Brandmauer unklar
Die Einstellung auf neue Wirklichkeiten kündigte auch der
CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Hartmann an. „Wir werden lernen müssen,
dass wir Abstimmungen verlieren!“ Um dem vorzubeugen, soll nach dem Vorbild
der gegenwärtigen Thüringer Koalitionssondierungen ein
„Konsultationsmechanismus“ eingeführt werden. Ein noch nicht genauer
definiertes, dem üblichen Gesetzgebungsverfahren vorgeschaltetes „Angebot
der Regierung an das Parlament“. Vor der Formulierung von Gesetzentwürfen
sollen Absichtserklärungen und Eckpunkte allen Landtagsfraktionen zugehen.
Deren Reaktionen wolle man berücksichtigen und so Mehrheiten gewinnen.
Das Verfahren bei gleichberechtigter Beteiligung der AfD wirft sofort
Fragen nach dem Umgang mit dem als rechtsextrem eingestuften Landesverband
auf. Eine „Brandmauer“ nach bisherigem Verständnis ist einem „anderen
Umgang“ mit ihr gewichen, so Ministerpräsident Kretschmer mit Blick auf das
30-Prozent-Wahlergebnis der AfD. Das Ignorieren von ihr angesprochener
Themen und die damit verbundene Märtyrerrolle der AfD habe sie stärker
gemacht, meinte Kretschmer. „Wenn man vernünftige Vorschläge ablehnt, macht
man diese Leute groß.“
Die SPD erhebt dagegen keine Einwände. Alle CDU-Vertreter sicherten ja zu,
dass es weiterhin keine Zusammenarbeit und keine Suche nach Mehrheiten mit
der AfD im Landtag geben werde. Ob dieses Postulat durch den
„Konsultationsmechanismus“ aufgeweicht werde, blieb offen, vor allem die
Frage nach dem Umgang mit AfD-Initiativen in diesem Rahmen.
Einen Vorgeschmack auf fluktuierende Lager und wechselnde
Mehrheitsbildungen könnte schon die Landtagssitzung am kommenden Dienstag
geben. Ein AfD-Antrag gegen die Stationierung neuer Raketen in Deutschland
könnte mit Hilfe des gleichgesinnten BSW und der Linken eine knappe
Mehrheit finden. Umgekehrt kann die Linke mit ihrem Antrag für ein „ziviles
Leitbild“ der militärischen Forschung an Hochschulen auf breitere
Zustimmung hoffen.
Zweieinhalb Monate nach der Wahl wird das BSW von der sächsischen
Bevölkerung zunehmend als Unsicherheitsfaktor wahrgenommen, wie Gespräche
zeigen. Nachdem es die Dreierkoalition platzen ließ, bezeichnete Landes-
und Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann die angestrebte
CDU-SPD-Koalition als „Stillstand pur“. Gleichwohl bot sie teilweise
Zustimmung in Sachfragen an. Koalitionsverhandlungen beginnen erst nach den
Arbeitsgruppengesprächen in der kommenden Woche. Eine
Ministerpräsidentenwahl noch vor Weihnachten wird noch nicht öffentlich als
Ziel verkündet.
## Koalitionsfindung in Thüringen
Auch [2][in Thüringen bleibt das Bündnis Sahra Wagenknecht weiterhin ein
Störfaktor]. Wegen der Differenzen zwischen der Gründerin und der
Landesvorsitzenden Katja Wolf ist [3][laut Stern der Landesparteitag,] der
dem sogenannten Brombeer-Koalitionsvertrag zustimmen soll, auf den 7.
Dezember verschoben worden. Nachdem am Landesverband vorbei etwa 30
Wagenknecht-Anhänger in die Landespartei eingeschleust wurden, gilt diese
Zustimmung nicht mehr als sicher.
Einen Personaldeal zwischen CDU und AfD hat unterdessen der potenzielle
Koalitionspartner SPD verhindert. In der ersten regulären Landtagssitzung
am Mittwoch wollte die CDU die Wahlausschüsse für Richter und Staatsanwälte
wählen lassen. Für die wegen ihrer Sperrminorität nötigen Stimmen der AfD
sollte es eine Paketlösung geben.
Im Gegenzug sollten die CDU-Stimmen Jörg Prophet von der AfD zum Amt des
Landtagsvizepräsidenten verhelfen. Nach einer geschichtsrevisionistischen
Rede des AfD-Abgeordneten Sascha Schlösser zum Gedenktag 8. Mai ätzte die
Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss am Mittwoch gegen die CDU, sie
solle sich solche Reden genau anhören, bevor sie der AfD zu Posten
verhelfe.
15 Nov 2024
## LINKS
[1] /Sondierungsgespraeche-in-Sachsen/!6044281
[2] /BSW-in-Thueringen-auf-Koalitionskurs/!6042811
[3] https://www.stern.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-und-thueringen--…
## AUTOREN
Michael Bartsch
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