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# taz.de -- Geopolitische Herausforderungen: Wer soll das bezahlen?
> Deutschland muss sich fit machen, um Trump und die geopolitischen
> Veränderungen verkraften zu können. Das kostet Geld. Viel Geld.
Bild: Wird den wirtschaftlichen Wettbewerb mit harten Bandagen führen: Donald …
Donald Trump erringt einen Erdrutschsieg. Am selben Tag zerbricht in Berlin
die Ampel. Hinter beidem steht ein Zusammenprall von Weltbildern. Es ist
kein Zufall, dass die Ampel am Streit über Bundesfinanzminister Christian
Lindners wirtschaftsliberale Positionen zerbrach. Im Kern geht es um die
Frage, wie Deutschland in einem veränderten geopolitischen Umfeld bestehen
kann.
Die Lösungsansätze könnten kaum unterschiedlicher sein: Lindner setzt auf
neoliberale Klassiker wie Steuererleichterungen, Entbürokratisierung und
Schuldenbremse. Scholz hingegen verfolgt, was der
Wirtschaftswissenschaftler [1][Tom Krebs] als „ökonomischen Realismus“
bezeichnet – das Eingeständnis, dass marktliberale Rezepte in einer Welt,
die vom geoökonomischen Wettbewerb erschüttert wird, nicht mehr
funktionieren können.
Nach der [2][russischen Invasion in die Ukraine] haben sich Europa und
Russland wirtschaftlich voneinander entkoppelt. Eine vollständige
Entkopplung der westlichen Welt von China ist wegen der hohen Verflechtung
nicht möglich. Dennoch setzt die Regierung unter Joe Biden auf
Exportkontrollen, Investitionsbeschränkungen und subventionsgetriebene
Industriepolitik, während China mit eigenen Subventionen und staatlicher
Kontrolle technologische Dominanz anstrebt.
Die Überkapazitäten, die China zu Dumpingpreisen exportiert, zwingen
weltweit Industrien in die Knie. Dieser scharfe geopolitische Wettbewerb
erhöht den Druck auf Verbündete und Partner, Investitionsentscheidungen aus
geopolitischer Perspektive zu treffen. Am Ende könnten konkurrierende
Wirtschaftsblöcke entstehen. Die Globalisierung hat ihren Höhepunkt
überschritten. In diesem Umfeld übernimmt Donald Trump das Ruder im Weißen
Haus.
## Neuwahlen sind der richtige Weg
Er wird den wirtschaftlichen Wettbewerb mit harten Bandagen führen – mit
China ebenso wie mit vermeintlichen „Trittbrettfahrern“ wie Deutschland
oder Japan. Die Europäer erhielten bereits mit dem [3][Inflation Reduction
Act] einen Vorgeschmack darauf. Teile der deutschen Industrie werden ums
Überleben kämpfen müssen. Der Streit über die Schuldenbremse zeigt bereits
die kommenden Verteilungskämpfe: Wer soll die Kosten tragen? Das untere
Drittel der Transferempfänger – das wäre das Ende des Sozialstaats.
Das mittlere Drittel der Arbeitnehmer durch Steuererhöhungen? Das wäre
unvereinbar mit dem geltenden Gesellschaftsvertrag. Oder das obere Drittel
der Kapitalbesitzer durch Vermögens- und Erbschaftssteuern? Das wäre das
Ende des Neoliberalismus in Deutschland. Die Ampel wurde vor der
„[4][Zeitenwende]“ ins Amt gewählt. Seitdem sind die Illusionen in
Energie-, Fiskal-, Wirtschafts-, Verteidigungs- und Migrationspolitik
zerplatzt.
Das Land muss sich fit machen für eine bedrohliche Welt, in der das
amerikanische Sicherheitsversprechen nicht mehr unbegrenzt gilt, in der die
globalen Erfolgsbedingungen für das Wirtschaftsmodell wegbrechen, in der
die Gesellschaft von heftigen Verteilungs- und Kulturkämpfen zerrissen
wird. Schon beginnen die Verteilungskämpfe darum, welche Klientel die
Kosten des Umbaus zu tragen hat. Die zerstrittene Ampel hat nicht mehr die
Kraft, die erforderlichen Weichenstellungen umzusetzen. Neuwahlen sind der
richtige Weg.
Zur Debatte stehen komplett unterschiedliche Wirtschaftsmodelle, die sich
nicht nur aus unvereinbaren ideologischen Quellen speisen, sondern auch aus
einer grundsätzlich anderen Lesart des geopolitischen Umfeldes begründen.
Neben dem „ökonomischen Realismus“ von Scholz und Habeck und den
[5][neoliberalen Konzepten der FDP] sowie der „Blackrock-Merz“-CDU formiert
sich unter dem Banner des Trumpismus eine neue Rechte. Diese betrachtet die
Welt als Nullsummenspiel, in dem bedrängte Völker ums Überleben kämpfen.
## Es wird nicht leichter, ist aber zu schaffen
Gegen diese Mischung aus Nativismus, Populismus und Isolationismus findet
die demokratische Mitte seit Jahren kein wirksames Mittel. Um der
populistischen Herausforderung entgegenzutreten, ist es wichtig, dass den
Wählern klar gesagt wird, welche Herausforderungen nun anstehen und was das
für sie bedeuten wird. Denn die große Mehrheit der Bevölkerung hat längst
verstanden, dass die Dinge nicht mehr so weitergehen können wie bisher –
und sich ihre Lage wahrscheinlich verschlechtern wird.
Sie misstrauen Politik und Medien, weil sie das Gefühl haben, dass ihnen
kein reiner Wein über das Ausmaß der Probleme eingeschenkt wird. Und sie
haben die Befürchtung, dass sie am Ende wieder einmal die Dummen sein
werden, die die Kosten zu tragen haben. Das ist die Grundstimmung, auf der
die Populisten mobilisieren.
Was es braucht, ist eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede. Die ohne jede
Beschönigung benennt, wie groß die Herausforderungen wirklich sind, und
tragfähige Lösungen benennt, auch wenn sie schmerzen. Aber die Deutschen
auch daran erinnert, dass sie auch [6][größere Herausforderungen
gemeistert] haben und die Kraft haben, ihr Land wetterfest zu machen für
die Stürme, die da kommen.
15 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.vwl.uni-mannheim.de/krebs/
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[3] /Streit-ueber-Inflation-Reduction-Act/!5911021
[4] /Deutsche-Reaktion-auf-Russlands-Krieg/!5876987
[5] /Grundsatzpapier-des-Finanzministers/!6046476
[6] /Pressekonferenz-von-Angela-Merkel/!5328125
## AUTOREN
Marc Saxer
## TAGS
Geopolitik
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