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# taz.de -- Arbeitsmigranten aus Thailand in Israel: „Das Telefon klingelt, a…
> In Nordisrael starben vier thailändische Erntehelfer durch
> Hisbollah-Raketen, dabei wollte Israel sie nicht in gefährdeten Gebieten
> arbeiten lassen.
Bild: Die Familie des in Israel getöteten Arbeitsmigranten Kawisak Papanang in…
Nahkhon Ratchasima taz | Der Grenzort Metula am nördlichsten Zipfel Israels
ragt wie eine Halbinsel in den Süden des Libanons, der ihn von drei Seiten
umschließt. Durch Raketenangriffe der Hisbollah wurde hier fast die Hälfte
aller Gebäude beschädigt oder zerstört. [1][Die 2.000 Bewohner sind längst
evakuiert, die Region um Metula wurde zur militärischen Sperrzone erklärt.]
Die thailändischen Feldarbeiter Kawisak, Thana, Akaphon und Prayad gingen
hier dennoch ihrer Arbeit nach.
Mit Genehmigung des israelischen Militärs pflückten sie am Donnerstag
vergangener Woche Äpfel, nur einen Steinwurf von der libanesischen Grenze
entfernt. Zwei Hisbollah-Raketen schlugen in den Apfelhain ein und töteten
die vier Arbeitsmigranten und den israelischen Sohn des Plantagenbesitzers.
Südostasiatische Erntehelfer sind für Israels Agrarwirtschaft existenziell.
Vor dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 waren rund 30.000 Thais in
Israel beschäftigt. Als danach ein Drittel von ihnen in ihre Heimat
flüchtete, blieben viele israelische Bauernhöfe und Plantagen weitgehend
unbewirtschaftet.
Tonnenweise Äpfel, Tomaten und Avocados verfaulten, weil es an Pflückern
fehlte. Seitdem ist Obst im Schnitt 12 Prozent teurer geworden, Gemüse gar
um 18, meldet Leket, Israels führende Organisation zur Lebensmittelrettung.
## Thailand will mehr Arbeitskräfte nach Israel schicken
Seit Juni fährt Thailands Regierung den Export ihrer Arbeitskräfte wieder
hoch. Bis Jahresende sollen laut Arbeitsministerium in Bangkok 10.000 Thais
nach Israel vermittelt werden.
Trotz Israels Zusicherungen, die Arbeitsmigranten ausschließlich in
sicheren Regionen einzusetzen, landen viele in den gefährlichen
Grenzgebieten zum Libanon und zu Gaza, wo drei Viertel des inländisch
konsumierten Gemüses angebaut wird.
Die Felder und Plantagen dort sind teilweise nicht zugänglich oder können
nur unter Lebensgefahr bewirtschaftet werden. Mitte Oktober kam bereits ein
thailändischer Erntehelfer in Nordisrael ums Leben. Ein weiterer wurde
verletzt, als eine Panzerabwehrrakete in einem Apfelhain im Kibbuz Yiron
explodierte.
Danach beteuerte Israels Innenminister Moshe Arbel, es sei verboten,
Arbeitsmigranten in evakuierten Grenzregionen zu beschäftigen. Doch die
Realität sieht anders aus.
## Angehörige in Thailand warten auf Antworten
Tausende Kilometer entfernt warten im ärmlichen Nordosten Thailands
Angehörige der Getöteten auf Antworten. Im abgelegenen Dörfchen Nong
Makhua, zwei Autostunden von der Provinzhauptstadt Nakhon Ratchasima
entfernt, hält Sumali Pimsri ein Foto ihres Mannes Kawisak in den Händen.
Auch Tage nach dessen Tod wählt sie noch seine Handynummer, in der
Hoffnung, seine Stimme zu hören. „Das Telefon klingelt, aber er meldet sich
nicht“, sagt sie verzweifelt.
Vor zweieinhalb Jahren brach Kawisak nach Israel auf. „Wenn ich nicht gehe,
werden wir alle an Armut sterben“, sagte er seiner Familie. Mit seinem
Verdienst versorgte der 37-Jährige nicht nur Frau und Eltern, sondern
finanzierte auch die Ausbildung seiner Geschwister. Er sicherte die
Existenz von neun Verwandten. „Er war unser Anker“, sagt Sumali der taz.
In Videoanrufen zeigte er seiner Frau oft fliegende Raketen und
Rauchschwaden vom Grenzgebiet zum Libanon. Am Donnerstag vergangener Woche
rief er sie zum letzten Mal an. Der Plantagenbesitzer habe mit dem Militär
ausgehandelt, dass sie für zwei Stunden in die Sperrzone dürften.
## „Warum haben sie meinen Sohn nicht beschützt?“
„Er sagte mir, sie müssten schnell hinein und pflücken, die Äpfel seien
reif und sein Chef habe viele Bestellungen“, erinnert sich Sumali. Eine
Stunde später starb Kawisak durch die Rakete.
„Warum haben sie meinen Sohn nicht beschützt?“, will Kawisaks Vater Net
Papanang wissen. Der 62-Jährige arbeitete selbst viele Jahre in Israel. Er
gehörte zu den ersten thailändischen Arbeitsmigranten, die Ende der 80er
und Anfang der 90er Jahre in den Nahen Osten kamen. Um Israels
Landwirtschaft von palästinensischen Arbeitskräften unabhängiger zu machen,
[2][wurden damals viele Niedriglohnkräfte aus Asien angeworben], vor allem
aus Thailand.
Doch unter so riskanten Bedingungen wie heute mussten sie nie zur Ernte,
erzählt Net, und fordert von Israels Behörden Aufklärung: „Warum hat das
Militär ihm den Zugang erlaubt, obwohl sie wussten, dass es ein unsicheres
Gebiet war?“ Auf seine Fragen gibt es bis heute keine Antworten.
Die thailändische Regierung hat mit einem Schreiben in Jerusalem
protestiert und fordert einmal mehr, ihre Landsleute nicht in hochriskanten
Regionen einzusetzen. Dies hat Bangkok seit Oktober letzten Jahres
wiederholt erfolglos gefordert.
## In Thailand ist die Nachfrage nach Arbeit in Israel groß
Trotz der jüngsten Todesfälle will Thailands Arbeitsministerium aber weiter
Arbeitskräfte in den Nahen Osten entsenden. Diesen Monat sollen 800 Thais
nach Israel vermittelt werden, teilte das Arbeitsamt am Montag mit. Wer
wirklich nach Israel gehen wolle, würde dies auch ohne staatliche
Unterstützung tun, was Überwachung und den Schutz durch die Regierung
erschwere, erklärte der Direktor der Behörde.
Die Nachfrage nach Arbeit in Israel bleibt im südostasiatischen Königreich
hoch. Im Juni zählte das Arbeitsministerium 30186 Thais, die daran
Interesse bekundeten. Besonders groß ist das Interesse in der nordöstlichen
Region Isaan, wo die Armutsrate fast doppelt so hoch ist wie im
Landesschnitt.
Auch Thana Tichantuk stammte aus Isaan. Sein Heimatdorf Klong Nadi, 300
Kilometer nordöstlich von Bangkok, hat nur 500 Einwohner. Thana wollte
seiner Familie durch die hohen Löhne in Israel ein besseres Leben
ermöglichen. Vergeblich baten ihn seine Eltern, nicht dorthin zu gehen,
sondern wie sein Bruder in Taiwan Arbeit zu suchen. „Sterben können wir
überall“, entgegnete er.
## „Er arbeitete überall, wo man ihn hinschickte“
In seinen drei Jahren in Israel entwickelte Thana eine Bindung zum
jüdischen Staat. Er mochte das Land und die Menschen und lernte sogar
Hebräisch. „Wahrscheinlich war er in einem früheren Leben ein Israeli“,
sagt seine Mutter Charung der taz. Thana hatte großes Vertrauen in Israel
und das Militär. „Er war mutig und arbeitete überall, wo man ihn
hinschickte“, erinnert sich Vater Charnchai.
In einem Monat wollte der 31-Jährige für eine Weile nach Hause kommen, bis
sich die Lage in Nordisrael etwas beruhigt hätte. Stattdessen wird nun sein
Sarg in die Heimat zurückgebracht.
10 Nov 2024
## LINKS
[1] /Krieg-zwischen-Israel-und-Hisbollah/!6036613
[2] /Pflege-und-Globalisierung/!5834058
## AUTOREN
Julian Küng
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