| # taz.de -- Gefährliche Chemikalien und Pestizide: Gesundheitsrisiken durch zu… | |
| > Die EU prüft potenziell gefährliche Stoffe zu langsam, um sie zu | |
| > genehmigen oder zu verbieten. Unternehmen dürfen sie derweil einfach | |
| > einsetzen. | |
| Bild: Chemikalien in Pestiziden bleiben als Rückstände auf Obst und Gemüse �… | |
| Brüssel taz | Die EU lässt sich bei der Prüfung von [1][gefährlichen | |
| Chemikalien] zu viel Zeit, ihre Entscheidungen sind intransparent und | |
| schwer nachvollziehbar. Zu diesem alarmierenden Schluss kommt die | |
| EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly nach einer Untersuchung zur | |
| europäischen Chemikalienverordnung REACH. Gesetzliche Fristen würden | |
| regelmäßig deutlich überschritten, gesundheitliche Gefahren womöglich zu | |
| spät erkannt. | |
| REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of | |
| Chemicals“ – auf Deutsch also für die Registrierung, Bewertung, Genehmigung | |
| und Beschränkung von Chemikalien. Die Verordnung aus dem Jahre 2007 gilt | |
| als wichtigste EU-Regulierung zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt vor | |
| Risiken, die von industriell produzierten Chemikalien ausgehen können. | |
| Die Hauptverantwortung liegt bei der Industrie, eine wichtige Rolle spielt | |
| aber auch die EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde arbeite jedoch viel zu | |
| langsam, stellte O’Reilly fest: Sie brauche im Durchschnitt 14,5 Monate, um | |
| Entscheidungen über chemische Substanzen vorzubereiten, obwohl die | |
| offizielle Frist nur drei Monate beträgt. In einigen Fällen dauerte es | |
| sogar mehrere Jahre. | |
| In der Zwischenzeit können die Unternehmen, die einen Antrag gestellt | |
| haben, die potenziell gefährlichen Substanzen weiter verwenden und | |
| verkaufen. Diese Stoffe [2][können krebserregend und hormonell wirksam | |
| sein], das Erbgut verändern oder die Fortpflanzung gefährden. Was die | |
| Bürgerbeauftragte als „Missmanagement“ bezeichnet, kann also weit reichende | |
| Folgen für die Gesundheit haben. | |
| ## EU-Abgeordnete: „Das schadet uns allen“ | |
| „Wir nehmen die menschliche Gesundheit und den Schutz der Umwelt extrem | |
| ernst“, erwidert die EU-Kommission. Die Entscheidungsfindung liege aber | |
| nicht allein in ihrer Hand. Dass es länger dauere, sei auch auf | |
| Arbeitsüberlastung zurückzuführen, hieß es auf Nachfrage der taz in der | |
| Brüsseler Behörde. So sei man auch mit „Better Regulation“ – also | |
| Entbürokratisierung – beschäftigt. | |
| Scharfe Kritik kommt dagegen aus dem Europaparlament. Die Kommission sei | |
| offenbar der Meinung, dass Chemie-Unternehmen allein schon durch die | |
| Antragstellung eine Erlaubnis verdienen, kritisiert Jutta Paulus von den | |
| Grünen. „Statt unzulängliche Unterlagen jahrelang ‚genehmigungsreif‘ zu | |
| prüfen, sollten der Schutz der Arbeitnehmer*innen und der Kampf gegen | |
| Umweltverschmutzung im Vordergrund stehen“, fordert sie. | |
| [3][Pestizide und Chemikalien beeinträchtigen schon jetzt die Wasser- und | |
| Bodenqualität], warnt Paulus. So habe der in der letzten Woche | |
| veröffentlichte Bodenzustandsbericht gezeigt, dass sich | |
| Nährstoff-Ungleichgewichte bereits auf 74 Prozent der landwirtschaftlichen | |
| Flächen negativ auswirken. Auch die Gewässer seien vielfach in einem | |
| schlechten Zustand. „Diese Gefährdung von Trinkwasser und | |
| Ernährungssicherheit schadet uns allen“, so Paulus. | |
| Besorgt zeigt sich auch O’Reilly. Sie hat der Kommission eine letzte Frist | |
| bis zum 17. Januar gesetzt. Bis dahin soll der „Verwaltungsmissstand“ | |
| abgestellt sein. Ohne ein besseres und transparenteres Risiko-Management | |
| bei Chemikalien könnte die Untersuchung der Bürgerbeauftragten mit einer | |
| geharnischten Rüge an die EU-Behörde und ihre deutsche Chefin Ursula von | |
| der Leyen enden. | |
| 28 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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