# taz.de -- Pestizide im Grundwasser: EU-Recht erlaubt nationale Verbote | |
> Ein Gutachten sieht Möglichkeiten, Pestizide mit PFAS-Wirkstoffen vom | |
> Markt zu nehmen. Aus Verpackungen und Jacken sollen PFAS verschwinden. | |
Bild: Mitgliedsstaaten haben das Recht, ein Mittel vom Markt zu nehmen, „wenn… | |
Berlin taz | Die Bundesregierung könnte besonders gefährliche Pestizide | |
verbieten, auch wenn sie eine europäische Zulassung besitzen. Das besagt | |
ein Rechtsgutachten des Juraprofessors Peter Hilpold von der Universität | |
Innsbruck im Auftrag der Umweltorganisation Global2000. Der renommierte | |
Europarechtler Hilpold begründet seine Einschätzung vor allem mit dem | |
Vorsorgeprinzip, das in der EU-Rechtsprechung eine zentrale Rolle spiele | |
und zuletzt vom Europäischen Gerichtshof weiter konkretisiert worden sei. | |
So hätten die Mitgliedsstaaten das Recht, ein Mittel vom Markt zu nehmen, | |
„wenn neue Erkenntnisse seine Unbedenklichkeit in Frage stellen und | |
nahelegen, dass die Zulassungsanforderungen nicht mehr erfüllt sind“, heißt | |
es in dem Gutachten. „Laut EU-Pestizidverordnung dürfen Mitgliedstaaten ein | |
Pflanzenschutzmittel nur dann zulassen, [1][wenn das Pestizid oder seine | |
Abbauprodukte die Gesundheit oder das Grundwasser nicht gefährden]“, sagt | |
Hilpold: „Wenn sich herausstellt, dass ein Abbauprodukt eines zugelassenen | |
Pflanzenschutzmittels das Grundwasser belastet, dann erfüllt das | |
betreffende Pflanzenschutzmittel nicht mehr die Anforderungen für eine | |
Zulassung.“ Dann sei die Zulassung aufzuheben oder so zu ändern, dass eine | |
Kontamination des Grundwassers ausgeschlossen sei. | |
Das Zulassungsverfahren von Pestiziden ist in der EU zweistufig: Die | |
europäische Ebene genehmigt die Pestizidwirkstoffe, die Nationalstaaten | |
genehmigen die Mittel, in denen die Wirkstoffe eingesetzt werden. Der | |
Wirkstoff Flufenacet etwa findet sich laut Bundesamt für | |
Verbraucherschutz in Deutschland in 36 Produkten, mit denen Landwirte die | |
Wildkräuter Ackerfuchsschwanz und Windhalm bekämpfen. Das Herbizid gehört | |
zu den PFAS, einer großen Gruppe von per- und polyfluorierten Chemikalien, | |
die als sogenannte Ewigkeitschemikalien besonders im Visier der Behörden | |
stehen. | |
Am Donnerstag kündigte die EU-Kommisision an, die Nutzung von einigen PFAS | |
etwa in Kleidung oder Verpackungen künftig einzuschränken. Wir entfernen | |
schädliche Stoffe aus Produkten, die die Bürger täglich benutzen, wie | |
Textilien, Kosmetika und Lebensmittelverpackungen“, sagte der Vizepräsident | |
der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic. Dabei geht es etwa um | |
Regenwesten, Pizza-Boxen, Imprägniersprays oder Hautpflegeprodukte. Eine | |
Gruppe von Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, setzt sich in Brüssel | |
allerdings dafür ein, die riesige Gruppe der PFAS-Chemikalien im Rahmen des | |
Chemikaliengesetzes REACH generell zu beschränken. | |
Pestizide allerdings fallen nicht unter REACH, sondern haben eigene, | |
strengere Regeln. Trotzdem stellen PFAS-Pestizide ein Problem da. | |
„Flufenacet etwa zerfällt zu TFA, zu Trifluoressigsäure“, erklärt Susanne | |
Smolka vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany). Dieser Stoff reichert | |
sich in der Umwelt an und steht unter dem starken Verdacht, | |
fortpflanzungsschädigend zu sein und Missbildungen bei Nachkommen zu | |
verursachen. „TFA als Abbauprodukt von PFAS-Pestiziden gelangt durch den | |
Boden und durch Flüsse ins Grundwasser“, sagt Smolka, „je länger wir diese | |
Pestizide einsetzen, desto mehr TFA sammelt sich dort an“. Da in | |
Deutschland Trinkwasser mehrheitlich aus Grundwasser gewonnen wird, [2][sei | |
das wichtigste Nahrungsmittel bedroht]. Ob das zuständige Agrarministerium | |
die Rechtsauffassung aus Innsbruck teilt, ließ es bis Redaktionsschluss | |
offen. | |
19 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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