# taz.de -- Schwierige Tarifverhandlungen: Metall- und Elektro-Tarifrunde geht … | |
> An diesem Montag läuft in der deutschen Metall- und Elektroindustrie die | |
> Friedenspflicht aus. Die IG Metall startet eine erste Welle von | |
> Warnstreiks. | |
Bild: 170 Euro: So viel mehr Geld pro Monat fordern die Lehrlinge, die sich in … | |
Frankfurt am Main dpa/taz | Sieben Prozent mehr Geld – die Forderung der IG | |
Metall für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und | |
Elektroindustrie ist in diesem Jahr simpel wie selten. Der Tarifvertrag ist | |
gekündigt, die nachlaufende Friedenspflicht von vier Wochen endet an diesem | |
Montag. Ab Dienstag wird die IG Metall bundesweit ihre Mitglieder in vielen | |
Betrieben zu ersten Warnstreiks aufrufen. | |
Verhandelt wird über die Arbeitsbedingungen von rund 3,9 Millionen | |
Beschäftigten in gleich mehreren Schlüsselbranchen der deutschen Industrie. | |
In den regional gefassten Flächentarifverträgen der Metall- und | |
Elektroindustrie sind Maschinenbau, Elektro sowie große Teile der | |
Autoindustrie versammelt. | |
Die Positionen sind noch weit auseinander, was nach zwei Verhandlungsrunden | |
allerdings auch nicht ungewöhnlich ist. Die IG Metall fordert bei einer | |
Laufzeit von zwölf Monaten für die Beschäftigten 7 Prozent mehr Geld und | |
überproportional 170 Euro im Monat mehr für die Auszubildenden. | |
Außerdem will sie mehr Beschäftigten die Wahlmöglichkeit zwischen freier | |
Zeit und Bezahlung eröffnen. Die Gewerkschaft begründet diese dritthöchste | |
Forderung der vergangenen 30 Jahre mit den Kaufkraftverlusten, die ihre | |
Mitglieder in den zurückliegenden Jahren der Hochinflation erlitten haben. | |
## Was bieten die Arbeitgeber? | |
Die Arbeitgeber haben flächendeckend ein erstes Angebot vorgelegt, das bei | |
einer mehr als doppelt so langen Laufzeit von 27 Monaten in zwei Stufen auf | |
eine Steigerung um 3,6 Prozent kommt. Die erste Stufe von 1,7 Prozent solle | |
dabei erst im Juli 2025 greifen. | |
Gesamtmetall verweist auf die schlechte konjunkturelle Lage der | |
Unternehmen, die zusätzlich unter zahlreichen Standortnachteilen litten. | |
Die Produktion der Unternehmen liege bislang 7,4 Prozent unter dem Vorjahr | |
und 15 Prozentpunkte hinter dem Vorkrisenniveau von 2018. Weder in diesem | |
noch im laufenden Jahr sei eine Trendwende erkennbar. Die Betriebe dürften | |
daher nicht weiter belastet werden. | |
„Was die Arbeitgeber angeboten haben, ist zu wenig, zu lang und zu spät“, | |
sagte demgegenüber die IG Metall-Vorsitzende [1][Christiane Benner im | |
taz-Gespräch]. „Da muss mehr drin sein.“ Das werde die IG Metall am | |
Verhandlungstisch deutlich machen – „und wenn da nichts passiert, auch auf | |
der Straße“. | |
## Separate Verhandlungen bei VW | |
Separate Verhandlungen finden derzeit bei VW statt. Der größte deutsche | |
Autohersteller fällt mit seinen sechs westdeutschen Werken und 120.000 | |
Beschäftigten nicht unter den Flächentarifvertrag, sondern hat einen | |
eigenen Haustarif mit der IG Metall. | |
Die VW-Krise, [2][in der das Management seit September Entlassungen und | |
Werksschließungen nicht mehr ausschließen will], wirkt insofern nur | |
indirekt auf den Flächentarif, zeigt aber auch die Gefahren von | |
De-Industrialisierung und Arbeitsplatzverlust. | |
Auf Druck der Gewerkschaft sind die [3][VW-Tarifverhandlungen um einige | |
Wochen vorgezogen] worden, hängen aber eng mit strategischen Entscheidungen | |
über die künftige Auslastung der Werke zusammen. Warnstreiks sind bei VW | |
erst ab dem 1. Dezember möglich. Die Gewerkschaft fordert wie in der Fläche | |
7 Prozent mehr Geld und die Rücknahme der Schließungspläne. | |
## Wann gibt es in der Fläche Warnstreiks? | |
Die IG Metall hat angekündigt, dass mit dem Ende der Friedenspflicht am 29. | |
Oktober eine erste bundesweite Warnstreikwelle beginnt. Das ist durchaus | |
unmittelbar gemeint, denn bei Tarifverhandlungen in der Vergangenheit haben | |
die ersten Beschäftigten bereits um 00.01 Uhr in ihren Nachtschichten „den | |
Hammer fallengelassen“. | |
Durch die Arbeitsniederlegungen wird zunächst einmal die Produktion der | |
bestreikten Betriebe gestört. Bezahlt wird die Arbeitszeit während eines | |
Warnstreiks nicht. Anders als beispielsweise bei Streiks im Verkehr mit | |
ausgefallenen Zugfahrten oder Flügen kann die Produktion aber später | |
nachgeholt werden. Die Metall- und Elektroindustrieprodukte werden zudem | |
häufig an andere Industriebetriebe geliefert. Es ist daher zunächst sehr | |
unwahrscheinlich, dass Endkunden größere Nachteile spüren. | |
Reguläre Streiks sind zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich, auch | |
wegen des bereits früh in der zweiten Runde vorgelegten Angebots. Der | |
letzte reguläre Streik mit vorheriger Urabstimmung datiert aus dem Jahr | |
2002, als laut Zählung der Arbeitgeber 166 Betriebe in Baden-Württemberg | |
und Berlin-Brandenburg bestreikt wurden. Die IG Metall betont zwar stets | |
ihre volle Streikkasse, geht aber selten diesen letzten Schritt. In der | |
Tarifrunde 2022 hat der damalige Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger | |
nach eigenem Bekunden mit Urabstimmung und Streik gedroht. | |
## Parallele Verhandlungen in elf Regionen | |
Ungeachtet der Warnstreiks gehen die Verhandlungen in elf Regionen parallel | |
weiter. Den Anfang der dritten Verhandlungsrunde machen die Tarifgebiete | |
Küste und Niedersachsen bereits an diesem Dienstag. Die übrigen Gebiete | |
folgen bis zum 5. November. In den Gesprächen wird geschaut, wo eine | |
Annäherung möglich scheint. | |
Wenn sich ein Pilotbezirk herauskristallisiert, wird dort stellvertretend | |
zu Ende verhandelt. Dabei können sich auch die zentralen Einheiten | |
einschalten, also der Dachverband Gesamtmetall in Berlin und der Vorstand | |
der IG Metall in Frankfurt. Wenn es ein Ergebnis gibt, wird dies in den | |
folgenden Tagen auf die anderen Tarifgebiete übertragen. | |
Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf warnte im Gespräch mit dem | |
Nachrichtenportal t-online, es helfe überhaupt nicht, die Erwartungshaltung | |
weiter anzuheizen. „Die Lage ist, wie sie ist.“ Da machten Warnstreiks eine | |
Einigung nicht leichter. | |
## Wie wird ein Pilotbezirk ausgewählt? | |
Das ist ein informeller Prozess zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern, der | |
auch vom Ehrgeiz der regionalen Verhandler abhängt. Beide Seiten müssen | |
zudem darauf achten, dass ihre jeweiligen Verhandlungsführer ausreichend | |
Rückhalt auch in den anderen Regionen haben. | |
Schon aus diesem Grund stammen die Abschlüsse der jüngeren Vergangenheit | |
ausschließlich aus den mitgliederstarken IGM-Bezirken Baden-Württemberg, | |
Nordrhein-Westfalen und Bayern. 1997 war mit Niedersachsen letztmals eine | |
der kleineren Einheiten dran. Besonders häufig wird „der Pilot“ in | |
Baden-Württemberg geschmiedet, wie zuletzt auch 2022 in Ludwigsburg. Dort | |
wurde eine Lösung in der fünften Runde gefunden, eine über die Jahre | |
durchaus übliche Dauer. | |
28 Oct 2024 | |
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