# taz.de -- Antisemitismusstreit in der Linkspartei: Kronzeugen für einen fals… | |
> Der Vorwurf, die Linke sei antisemitisch, ist haltlos. Mit ihrem Austritt | |
> zeigen Lederer und Co. nur, dass sie nicht kompromissfähig sind. | |
Bild: Halle (Saale), 19. Oktober: Ein Tischchen mit Rosen beim Bundesparteitag … | |
Nun ist es also doch passiert: Die Debatte um Nahost und Antisemitismus, | |
die die gesellschaftliche Linke seit einem Jahr zerlegt, hat nun mit | |
Verzögerung auch die Partei Die Linke voll erwischt. Zwar hatte der | |
[1][Bundesparteitag am Wochenende in Halle noch einen durchaus tragfähigen | |
Kompromiss] gefunden, doch der angestaute Frust war für einige Mitglieder | |
dann doch zu groß. | |
Nach dem Austritt von [2][Henriette Quade] in Sachsen-Anhalt | |
[3][verabschiedeten sich am Mittwoch die ehemalige Führungsriege der | |
Berliner Linken]: die Ex-Senatoren Klaus Lederer, Elke Breitenbach, und | |
Sebastian Scheel, sowie Ex-Fraktionschef Carsten Schatz und der Abgeordnete | |
Sebastian Schlüsselburg. Sie reagierten damit auf einen Streit um einen | |
Antisemitismus-Antrag, der auf dem Landesparteitag vor anderthalb Wochen | |
eskaliert war. | |
Mitten in der größten Krise der Partei reißen die fünf, die dem | |
parteirechten Reformerlager angehören, damit einen der letzten stabilen | |
Landesverbände in den Abgrund. Sie werden zu Kronzeugen für das Bild | |
[4][einer Linken mit Antisemitismusproblem], das die politische Konkurrenz | |
und die mediale Öffentlichkeit so begierig aufgreift. Konservativen und | |
Rechten kommt es gelegen, um sich selbst von jedem Antisemitismusverdacht | |
reinzuwaschen. | |
Die Ausgetretenen, für die allesamt Israel-Solidarität politisch | |
identitätsstiftend ist, haben ein Bild von der Linken vor Augen, das einer | |
nüchternen Überprüfung nicht standhält. Denn Programmatik und Beschlusslage | |
der Partei sind eindeutig, sowohl bundesweit als auch in Berlin: | |
Antisemitismus wird darin immer und immer wieder entschieden | |
entgegengetreten. Auch prominente Parteimitglieder, die Grenzen | |
überschritten hätten, sind Mangelware. Was es dagegen gibt, sind | |
vereinzelte Mitglieder in Kreisverbänden, die in ihrer blinden Solidarität | |
mit Palästina auch Antisemitismus reproduzieren. | |
## Es gibt nicht nur eine Seite | |
Richtig ist auch: Die vom Landesvorstand der Berliner Linken in einer | |
Krisen-Sondersitzung am Mittwoch beschlossene Distanzierung von jenen, die | |
den Hamas-Terror als Widerstand verharmlosen, hätte früher kommen müssen. | |
Dass andererseits aber auch jene Mitglieder verteidigt wurden, die für eine | |
palästinensische Parteinahme mit pauschalen Antisemitismusvorwürfen | |
überzogen werden, ist aber genauso richtig für eine plurale Partei, die um | |
den richtigen Kurs ringt, statt bloß einer Staatsräson zu folgen. | |
Ein linker Standpunkt denkt den Kampf gegen Antisemitismus zusammen mit der | |
Kritik an Israels entgrenztem Krieg: er macht keinen Unterschied zwischen | |
den Opfern auf beiden Seiten. Es ist zum Verzweifeln wenn Linke an dieser | |
Erkenntnis scheitern – unabhängig davon aus welcher Richtung sie auf den | |
Konflikt blicken. | |
Die Ausgetreten versuchen in ihrer Austrittserklärung den Vorwurf von sich | |
zu weisen, der Grund für ihren Schritt sei nicht inhaltlicher Natur, | |
sondern Ausdruck von Machtkämpfen. So wichtig es ist, die kommunizierten | |
Inhalte ernstzunehmen, so naiv wäre es, Machtkämpfe auszuschließen. Das | |
Reformer-Lager um Lederer, das mindestens 20 Jahre den Ton in der Berliner | |
Linken angegeben hat, ist in der Partei ins Hintertreffen geraten und kann | |
nicht mehr so durchregieren, wie es das lange gewohnt war. | |
## Angst, zur Minderheit zu werden | |
Es wäre zukünftig vielleicht zur Minderheit geworden – wie all jene Linken, | |
die dem Kurs der größtmöglichen Kompromissbereitschaft des Lederer-Flügels, | |
insbesondere in Regierungskoalitionen, lange erfolglos widersprochen haben. | |
Zumindest wird diese Aussicht einer drohenden Marginaliserung Lederer & Co | |
den Austritt sicher erleichtert haben. | |
Der Austritt irritiert auch, weil er ohne echte politische Perspektive | |
erfolgt; die Ausgetretenen wollen Teil der Linksfraktion bleiben und | |
hoffen, sich irgendwann wieder in einer erneuerten sozialistischen Partei | |
zu engagieren, wie sie schreiben. Doch das Fortbestehen einer Linken in | |
diesem Land ist mit dem Austritt nicht wahrscheinlicher geworden. Dabei | |
wäre sie nötiger denn je. | |
23 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Linksparteitag-in-Halle/!6043667 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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