| # taz.de -- Krise der Linkspartei: Ein Tropfen reicht, um das Fass zum Überlau… | |
| > Gerade hat die Linkspartei eine neue Führung gewählt, treten prominente | |
| > Mitglieder aus. Davon wird die Welt allerdings auch nicht besser. | |
| Bild: Von einer Partei im Niedergang ist es wesentlich leichter, Abschied zu ne… | |
| Es dürfte einer der kürzesten politischen Aufbrüche der Geschichte gewesen | |
| sein. Nicht einmal eine halbe Woche hat es gedauert, bis in der Linkspartei | |
| die vorsichtige Euphorie des Bundesparteitags in Halle schon wieder | |
| verflogen ist. Noch bevor die neugewählten Vorsitzenden Ines Schwerdtner | |
| und Jan van Aken ihre großangelegte Haustürkampagne starten konnten, haben | |
| bekannte Berliner Linke ihnen bereits die Türen vor der Nase zugeschlagen. | |
| Dass der Kreis um [1][Ex-Kultursenator Klaus Lederer und Ex-Sozialsenatorin | |
| Elke Breitenbach] ausgerechnet auf den Tag genau ein Jahr nach Sahra | |
| Wagenknecht aus der Linken ausgetreten ist, entbehrt dabei nicht einer | |
| gewissen Tragik. | |
| Es waren Lederer, Breitenbach & Co, die jahrelang gegen den | |
| „Linkskonservatismus“ von Wagenknecht angekämpft hatten. Weitsichtig | |
| wollten sie nicht warten, bis es ihrer nationalpopulistischen damaligen | |
| Parteifreundin und deren Kombattant:innen gelungen ist, die Linke in | |
| eine Ruinenlandschaft zu verwandeln, um dann ein neues Parteiprojekt zu | |
| starten. Damit ist der Reformflügel der Berliner Linken gescheitert, weil | |
| auf der Bundesebene bei den einen das Bewusstsein für die Notwendigkeit und | |
| bei den anderen der Mut zur Trennung fehlte. Zum für sie bestmöglichen | |
| Zeitpunkt hatte Wagenknecht schließlich selbst den Bruch vollzogen. | |
| Angesichts des [2][vom BSW mit beförderten gefährlichen gesellschaftlichen | |
| Rechtsdrifts] ausgerechnet jetzt die Waffen zu strecken, macht die Welt | |
| nicht besser. | |
| Der lange Kampf für eine Linke, die „wieder politik- und gestaltungsfähig“ | |
| werden muss, wie Lederer noch Anfang des Jahres in seinem Buch „Mit links | |
| die Welt verändern“ schrieb, hat viele aus seinem Lager zermürbt. Was nicht | |
| zuletzt an der toxischen Diskussionskultur in der Partei liegt. Der Streit | |
| um den richtigen Umgang mit dem Nahost-Konflikt und linkem Antisemitismus, | |
| der Anfang Oktober zum Eklat auf dem Berliner Landesparteitag geführt | |
| hatte, ist nur der Tropfen, der für einige jetzt das Fass zum Überlaufen | |
| gebracht hat. | |
| Als „innerparteilichen Friedensvertrag“ bezeichnete [3][das nd,] das | |
| frühere Neue Deutschland, die Verständigung auf dem anschließenden | |
| Bundesparteitag auf einen breit getragenen Antrag. Tatsächlich war das | |
| nicht mehr als ein kurzzeitiger Waffenstillstand. Denn das Problem der | |
| Linkspartei waren in der Regel nie ihre Beschlüsse, sondern, dass Papier | |
| geduldig ist. | |
| ## Trotzkistische Gruppen wurden toleriert | |
| Dass die Linke „jeder Art von Antisemitismus“ entgegentreten müsse, steht | |
| bereits in ihrem Grundsatzprogramm von 2011. Insbesondere die aus den | |
| beispiellosen Verbrechen an den Jüdinnen und Juden während des | |
| Nationalsozialismus resultierende besondere Verantwortung Deutschlands | |
| „verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten“, heißt | |
| es dort weiter. Zugleich stehe die Partei „für eine friedliche Beilegung | |
| des Nahost-Konflikts im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung“. Trotzdem wurden | |
| in ihren Reihen stets (minoritäre) Gruppen vor allem trotzkistischer | |
| Provenienz toleriert, die ganz andere Vorstellungen haben. | |
| Zu einem öffentlich sichtbaren Problem wurde das nach dem terroristischen | |
| Massaker vom 7. Oktober 2023, das in diesen Kreisen zu einer „von der Hamas | |
| angeführten Offensive gegen Israel“ verklärt wird, wie es der | |
| „[4][Sozialismus-von-unten“-Aktivist Ramsis Kilani] formuliert hat. Bis | |
| heute rechtfertigt das Linken-Mitglied in Berlin-Neukölln den Terror der | |
| Hamas: „Für revolutionäre Sozialisten hatten und haben die Palästinenser | |
| immer jedes Recht, sich mit allen erforderlichen Mitteln gegen die von den | |
| Imperialisten unterstützte zionistische Siedlerkolonie zu wehren, die ihr | |
| Land besetzt und sie unterdrückt“, schrieb Kilani im Juni dieses Jahres in | |
| der Zeitschrift International Socialism. | |
| Doch statt seinen Rauswurf zu fordern, solidarisierten sich auf dem | |
| Bundesparteitag rund 140 Teilnehmer:innen – darunter ein | |
| Bundestagsabgeordneter, eine Europaparlamentarierin und mehrere | |
| Bundesvorstandsmitglieder – in einer schriftlichen Erklärung mit ihm, weil | |
| Kilani angeblich wegen seines „Engagements in der Palästina-Solidarität mit | |
| unlauteren Mitteln angegriffen“ werde. | |
| Mittlerweile soll in Berlin ein Ausschlussverfahren eingeleitet worden | |
| sein. Das kommt allerdings etliche Austritte zu spät. Bei einer Partei im | |
| Aufwind schweißt der Erfolg selbst jene zusammen, die eigentlich nicht | |
| zusammengehören. Von einer Partei im Niedergang ist es wesentlich leichter, | |
| Abschied zu nehmen. Es scheint ja nichts mehr zu gewinnen und nicht mehr | |
| viel zu verlieren zu geben. Da sinkt die Bereitschaft auch zu falscher | |
| Toleranz. Aber bei allem Verständnis für ihren tiefen Frust ist es fatal, | |
| wenn die Falschen gehen. Für die Verbliebenen wird es jetzt noch schwerer, | |
| den Absturz ins außerparlamentarische Nichts zu verhindern. | |
| 25 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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