# taz.de -- Gehaltsverzicht von neuer Linkenspitze: Durchschnittsgehalt soll ge… | |
> Ines Schwerdtner und Jan van Aken wollen Gehaltsverzicht üben. Um die | |
> Parteikrise zu beenden, wird das nicht reichen, wie zwei neue Austritte | |
> zeigen. | |
Bild: Wollen an vielen Haustüren klingeln: die neuen Linken-Vorsitzenden Ines … | |
Berlin taz | Die neue Doppelspitze der Linkspartei will Aufbruchstimmung | |
verbreiten. „Wir gehen nun mit ziemlich viel Rückenwind [1][aus dem | |
Parteitag] in unsere erste Woche“, sagte Jan van Aken am Montag bei seinem | |
ersten gemeinsamen Auftritt mit Ines Schwerdtner als Linken-Vorsitzende in | |
der Berliner Parteizentrale. Das könnte sich jedoch als bloßer | |
Zweckoptimismus erweisen. | |
Dass nun ein frischer Wind durch das altehrwürdige Karl-Liebknecht-Haus | |
weht, versuchten [2][der 63-jährige Hamburger Biologe und die 35-jährige | |
Berliner Publizistin] mit einer Ankündigung zu dokumentieren: Von den | |
monatlich 8.162,50 brutto, die ihnen in ihrer neuen Funktion laut | |
Haustarifvertrag zustünden, würden sie nur 2.850 Euro netto behalten | |
wollen. Der Rest solle in einen Sozialfonds gehen, um Menschen in Not zu | |
helfen. | |
„Wir beide möchten die Welt verändern und da reicht ein | |
Durchschnittsgehalt, das die Menschen in Deutschland verdienen, völlig | |
aus“, sagte van Aken. „Wir sind der Überzeugung, dass abgehobene Gehälter | |
auch zu einer abgehobenen Politik führen.“ Schwerdtner kündigte darüber | |
hinaus an, dass sie „ganz persönlich“ künftig Sozialsprechstunden in der | |
Parteizentrale anbieten werde. „Wir wollen auch zeigen: Wir sind nahbar, | |
wir sind ansprechbar für die Menschen“, sagte sie. | |
Die Linke wolle „die Menschen ins Zentrum stellen“, so Schwerdtner. | |
Deswegen würde die Partei jetzt auch „an die Haustüren Deutschlands“ gehen | |
und fragen, was den Leuten unter den Nägeln brennt. Motto: „Während alle | |
anderen reden, hört die Linke zu.“ Es gehe darum, sich den realen Problemen | |
der Menschen anzunehmen. Das sei „die Basis für alles, was folgt“. | |
## Zwei prominente Parteiaustritte | |
Ob das neue Führungsduo, das auch selbst an den Haustüren klingeln will, | |
vielleicht bei Sören Benn und Henriette Quade vorbeischauen wird? Erst auf | |
Nachfrage gingen die Linken-Vorsitzenden auf die zwei prominenten Abgänge | |
ein. Benn, der frühere [3][Bezirksbürgermeister von Berlin-Pankow], trat am | |
Sonntag aus der Partei aus, die sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete | |
Quade folgte am Montag. | |
Besonders den Austritt Quades bedauere er zutiefst, sagte van Aken. Er | |
hänge wohl mit den heftigen persönlichen Anfeindungen gegen sie durch | |
propalästinensische Demonstrant:innen vor der Tür des Parteitags | |
zusammen. Die Beschimpfungen und Drohungen hatten dazu geführt, dass die | |
40-jährige Abgeordnete den Veranstaltungsort schließlich am Samstag durch | |
einen Hintereingang verlassen musste. | |
Quade habe in den vergangenen Jahren eine „unfassbar tolle“ | |
antifaschistische und antirassistische Arbeit geleistet, sagte er. „Dass | |
sie jetzt austritt, ist wirklich schlimm.“ Er hoffe, „wir können sie | |
überzeugen, dass sie irgendwann zurückkommt in die Partei, wenn sie sieht, | |
dass wir uns vielleicht auch in einigen Punkten verändern“. Gleichwohl | |
forderte van Aken sie zum Mandatsverzicht auf. Das sei schließlich eine | |
Regelung, die für alle gelte, die die Partei verließen. | |
Quade will allerdings als fraktionslose Abgeordnete im Parlament bleiben. | |
Ihren Austritt begründete sie mit dem mangelnden Kampf der Partei „gegen | |
den unerträglichen Antisemitismus in den eigenen Reihen“. In den | |
vergangenen Jahren und Monaten habe sie erlebt, „wie an vielen Stellen in | |
der Partei Die Linke Einheit und Geschlossenheit mit dem Kompromiss erkauft | |
wurden, zu Antisemitismus in den eigenen Reihen immer wieder zu schweigen | |
und es Einzelnen überlassen wurde, dagegenzuhalten“, schreibt sie in ihrer | |
Abschiedserklärung. [4][Der Bundesparteitag] habe ihr „gezeigt, dass sich | |
daran nichts ändern wird“. | |
## „Zeugen Jehovas der Politik“ | |
Sören Benn begründete seinen Austritt mit einem längeren | |
Entfremdungsprozess, der ihn nun dazu gebracht habe, „einer ehrlichen | |
Trennung einer unredlich gewordenen Bindung den Vorzug zu geben“. Wie Quade | |
im Jahr 2000 in die PDS eingetreten, bescheinigte der 56-Jährige der | |
heutigen Linken, sie sei „kein Gestaltungsprojekt“ mehr, „sondern ein | |
Identitätsprojekt“. Unabhängig von klugen und engagierten vielen Einzelnen | |
habe sie „anscheinend eine gegenwärtig unaufhaltsame Drift: Sie mutiert zu | |
den Zeugen Jehovas der Politik“. | |
Dass das angesichts der angekündigten großangelegten Haustürkampagne | |
möglicherweise kein ganz abwegiger Gedanke sein könnte, wies van Aken am | |
Montag entschieden zurück: „Wir gehen an die Haustüren, um zuzuhören, das | |
ist ja was ganz Neues.“ Bei den Zeugen Jehovas sei es ihm hingegen „noch | |
nie passiert, dass sie zugehört haben, die haben mich vollgequatscht“. | |
Nach dem [5][Eklat auf dem Landesparteitag] in Berlin vor einer Woche, als | |
eine Debatte über linken Antisemitismus zum Auszug von mehreren Dutzend | |
Delegierten geführt hatte, spricht derzeit vieles dafür, dass Benn und dem | |
bereits Mitte vergangener Woche ausgetretenen [6][langjährigen | |
Abgeordnetenhaus-Fraktionsvorsitzenden Udo Wolf] in kürzerer Zeit noch | |
weitere aus dem Reformflügel folgen werden. Bei so manchen Berliner | |
„Regierungslinken“ scheint die Entfremdung von der Partei, die sie lange | |
geprägt haben, weit fortgeschritten zu sein. Mit dem erhofften Aufbruch | |
könnte es für van Aken und Schwerdtner schnell wieder vorbei sein. | |
21 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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