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# taz.de -- Sprachförderung in den Kitas: Drohendes Ende eines Erfolgsmodells
> Das Programm der Sprach-Kitas läuft aus. Nicht alle Bundesländer wollen
> die Förderung fortsetzen. Dabei wurde kaum eine andere Bildungsinitiative
> so gelobt.
Bild: Heißt es hier winken oder die Hände ringen? Impression aus einer Kita i…
Hamburg taz | Maria Kube arbeitet in einer Kita des
Arbeiter-Samariter-Bunds im Hamburger Stadtteil Wandsbek. Dort kommen
Kinder aus mehr als zehn Nationen und mindestens genauso vielen
Herkunftssprachen zusammen. Die Aufgabe der Kindheitspädagogin ist eine
andere als die der Erzieher*innen hier. Als „Sprach-Fachkraft“ kümmert
sich Kube um die „Alltagsintegrierte Sprachbildung“ der Kinder.
Hinter diesem pädagogischen Fachbegriff steckt ein Ansatz, der längst durch
Forschungsergebnisse gestützt wird: Kinder lernen Sprachen am besten durch
alltägliche Sprachanlässe – beim Essen, im Morgenkreis, beim Spielen in der
Puppenecke oder im Kreativraum, beim Anziehen der Jacke. Ein Bewusstsein
dafür zu schaffen, Fortbildungen zu geben, Sprachprojekte anzuschieben,
Elterngespräche zu führen oder die Kooperation mit örtlichen Büchereien zu
pflegen, all das gehört zu Berufsalltag von Sprach-Fachkräften.
[1][Doch ob es sie weiterhin geben wird, ist vielerorts unklar. Denn die
sogenannten Sprach-Kitas, wie die Einrichtungen mit Sprach-Fachkräften
genannt werden, drohen auszulaufen.] 2023 beendete der Bund die Förderung
des Programms und überließ die Verantwortung den Ländern. Immerhin
entschieden sich die meisten Bundesländer für eine Fortsetzung der
Programme bis Ende 2024.
Wie es danach weitergeht, darüber herrscht in vielen bisher geförderten
Kitas noch große Unsicherheit. Manche können auf ein Nachfolge-Programm des
Bundeslands oder des Kita-Trägers zurückgreifen, andere haben diese
Möglichkeiten nicht. Die Stellen der Sprachfachkräfte wurden explizit aus
den Fördermitteln finanziert. Ohne diese Förderung müssen sie entweder in
den Gruppendienst zurückkehren oder sich neu orientieren. Und ohne die
zusätzlichen Fachkräfte blieben kaum noch Zeit und Kapazitäten, um Kinder
in ihrer Sprachentwicklung gezielt zu fördern.
## Wichtige Impulse für Kinder
Dabei wurde selten ein Bildungsprogramm von pädagogischen Fachkräften sowie
Bildungsforschenden so einhellig gelobt wie die „Sprach-Kitas“. 2016 ins
Leben gerufen, stellte es Kitas unter anderem eine Sprach-Fachkraft zur
Verfügung. „Die wissenschaftliche Evaluation hat gezeigt, dass das
Sprach-Kita-Programm gerade in den Kitas sehr gut funktioniert, in denen
Kinder aus sehr vielen Nationen zusammenkommen“, sagt Dagmar Bergs-Winkels,
Professorin für Kindheitspädagogik an der Alice Salomon Hochschule Berlin.
Gleichzeitig hätten die letzten Pisa-Ergebnisse den großen Bedarf an
frühkindlicher Sprachförderung deutlich gemacht. Kinder aus
Zuwandererfamilien haben demnach besonders schlechte Chancen, im
Bildungssystem erfolgreich zu sein.
„Zum Glück erleben wir, dass viele Träger den Bedarf und Sinnhaftigkeit der
Sprach-Fachkräfte erkannt haben und sie durch Stellen in der Fachberatung
oder Leitungsebene auffangen wollen. Allerdings können sich das längst
nicht alle Kita-Einrichtungen, die es nötig hätten, auch leisten“, sagt
Bergs-Winkels. Die wahrscheinliche Folge sei mittelfristig wieder weniger
Sprachförderung für die Kinder, die sie am dringendsten benötigen.
Maria Kube hat Glück. Ihre Stelle als Sprachkraft in einer Hamburger
ASB-Werkstatt-Kita ist langfristig gesichert – durch das Landesprogramm
Kita-Plus und Gelder ihres Trägers. Damit kann sie sich weiterhin der
Sprachbildung ihrer Kita-Kinder widmen. Eine wichtige Voraussetzung dafür
ist ein Bewusstsein für die eigene Sprache und die Rolle als Sprachvorbild
– und das entsteht nicht von heute auf morgen.
Damit Kinder ins Sprechen kommen, brauchen sie im Alltag oft positive
Impulse – zum Beispiel durch Fragen, die nicht nur mit „Ja“ oder „Nein�…
beantwortet werden können. Hinzu kommt, dass die pädagogischen Fachkräfte
wichtige Bindungspersonen sind. Im besten Fall machen die Kinder bei ihnen
die Erfahrung, dass ihre Meinung wichtig ist und sie ernst genommen werden.
Das ermutigt auch zum freien Sprechen, Erzählen und Argumentieren. Auch
Kinderbücher spielen bei der Sprachbildung eine wichtige Rolle.
## Auch Selbstverständlichkeiten kosten Geld
In der In der ASB-Werkstatt-Kita Pillauer Straße wurden eigens mehrere
Bücherinseln eingerichtet, in die sich die Kinder zurückziehen und Bücher
anschauen können – gemeinsam mit einer pädagogischen Fachkraft, ihren
Freunden oder allein. „Gute Kinderbücher bieten auch vielfältige
Sprachanlässe. Die Kinder können zuhören, Fragen stellen oder gemeinsam
Geschichten erfinden“, erklärt Kube.
Und wenn die Erwachsenen mit dem Finger zeigen, welches Wort sie gerade
lesen, erfahren die Kinder, dass Buchstaben und Wörter eine Bedeutung haben
und dass man deutschsprachige Texte von links nach rechts liest. Außerdem
erleben die Kinder, dass es sich lohnt, selbst lesen zu lernen – mit
positiven Auswirkungen auf den späteren Schrifterwerb und Lesenlernen in
der Schule aus.
Viel mit Kindern zu reden oder ihnen aus Kinderbüchern vorlesen – das
klingt nach Selbstverständlichkeiten. Dennoch brauche man dafür
Fördergelder und zusätzliches Fachpersonal, erklärt Dagmar Bergs-Winkels.
„Um Kindern auf Augenhöhe zu begegnen, sich ein Spiel erklären zu lassen
oder in Ruhe über ein Bilderbuch zu sprechen, braucht es Zeit und Muße. Bei
augenblicklichen Gruppengrößen von 25 Kindern und einer angespannten
Personaldecke kommt genau das oft viel zu kurz“, sagt sie. In den
Sprach-Kitas habe es durch die zusätzliche Fachkraft immerhin mehr Zeit für
Reflexion und Austausch im Team gegeben.
Maria Kube kümmert sich nicht nur um Sprachanlässe für die Kinder und
Teamfortbildungen, sondern will auch mit den Eltern ins Gespräch kommen.
Dafür hat sie zum Beispiel ein Gartenstammtisch-Format ins Leben gerufen.
Dabei berichten die Erzieher:innen bei Kaffee und Kuchen über ihre
pädagogische Arbeit, beim nächsten Termin geht es um „Alltagsintegrierte
Sprachbildung“.
Regelmäßig kommen auch Eltern in die Kita und lesen aus Kinderbüchern in
ihrer Landessprache vor. „So bauen wir Brücken zum Elternhaus“, sagt Kube,
„auch eine noch so gute pädagogische Arbeit kann die Förderung im
Elternhaus nur teilweise ersetzen“, sagt Kube.
23 Oct 2024
## LINKS
[1] /Studie-ueber-Kitas-in-Deutschland/!5999394
## AUTOREN
Birk Grüling
## TAGS
Kita
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