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# taz.de -- Krieg im Libanon: Leben retten zwischen Straßen voller Trümmer
> Sanitäter haben derzeit im Libanon einen gefährlichen Job, gerade im
> Süden des Landes. Unser Autor hat eine Rettungsstelle besucht.
Bild: Ein Rettungswagen am 30. September nach einem isarelischen Angriff im Sü…
In der Funkzentrale des Libanesischen Roten Kreuzes laufen die Drähte heiß.
Ein halbes Dutzend Mitarbeiter nimmt Anrufe an und verfolgt die Routen von
über 300 Krankenwagen, die landesweit im Einsatz sind. Vor ihnen befindet
sich ein großer Bildschirm auf dem jedes einzelne Fahrzeug per GPS-Sender
auf der Karte des Libanon erscheint. Dazu Fahrzeugnummer, Autotyp und die
aktuelle Geschwindigkeit.
Der Libanese Alexy Nehme ist der Einsatzleiter und der Herr über das
piepsende Chaos: Wie ein Fels in der Brandung steht er zwischen den sich
über den Bildschirm bewegenden Fahrzeug-Ikonen, und nimmt ständig Anrufe
entgegen – auf vier verschiedenen Handys. Die Fernsehnachrichten laufen
stumm daneben.
Für ein kurzes Gespräch legt er die Handys auf einen Tisch und lässt sie
vor sich her summen und vibrieren. „Alle unsere Rettungsoperationen werden
von hier aus koordiniert. Hier stehen wir mit all unseren Krankenwagen im
ganzen Libanon in Kontakt“, erklärt er. Neben den Festangestellten arbeiten
über 5000 Ehrenamtliche im Rettungsdienst des libanesischen Roten Kreuzes,
darunter 300 im [1][Südlibanon]. Die verrichten derzeit den gefährlichsten
Job.
Der Krieg stelle sie vor alle möglichen Herausforderungen. Oft sind die
Straßen voller Trümmer oder Stahlträgern, die dann die Reifen der
Ambulanzen punktieren, erzählt er. „Ein anderes Problem ist, die
Krankenhäuser zu erreichen. Vor allem im Süden sind die meisten
geschlossen. Das bedeutet viel längere Anfahrtswege, auf denen dann mehr
Gefahren lauern.“ Die israelischen Angriffe haben viele Krankenhäuser,
gerade im Süden, gezwungen zu schließen.
Sanitäteralltag im Libanon
Bei all dem wüsste keiner, wann und wo die nächste israelische Rakete
einschlägt. Am Tag zuvor, erzählt er, seien sie in den südlibanesischen Ort
Srebbine gefahren, wo ein Haus getroffen worden war. Die Rettungskräfte
versuchten die Verletzten herauszuholen.
Doch dann sei in der Nähe eine zweite Rakete eingeschlagen. „Die
Rettungskräfte waren nicht das direkte Ziel, aber sie waren so nah dran,
dass einige unserer Fahrzeuge zerstört wurden und einige unserer Crew durch
Splitter, herumfliegende Zementbrocken und die Druckwelle verletzt wurden“.
Derweil hatte das Libanesische Rote Kreuz bisher relativ Glück. Es hat
bisher nur sechs Verletzte zu verzeichnen. In der Sanitäter-Statistik des
Libanon grenzt das an ein Wunder. Laut libanesischem Gesundheitsminister
Firas Abiad sind bisher über 150 Sanitäter und Mitarbeiter medizinischer
Einrichtungen seit Beginn des Krieges umgekommen, die allermeisten in den
letzten drei Wochen. Mehr als 130 Rettungsfahrzeuge wurden seinen Angaben
zufolge zerstört. Der Gesundheitssektor des Libanon werde von Israel
systematisch angegriffen, so Abiad.
Die meisten Toten haben die Rettungskräfte der sogenannten Islamischen
Gesundheits-Kommittees (IHC) zu verzeichnen, bislang über 80. Das IHC
gehört nicht zum bewaffneten, sondern zum zivilen Arm der Hisbollah, wird
also von der Hisbollah finanziert. Für hunderttausende Menschen im Süden
des Libanon stellt der IHC den wichtigsten Gesundheitsdienstleister dar.
Aufgrund von Klientelismus und der Wirtschaftskrise sind im Libanon private
Einrichtungen für die medizinische Versorgung verantwortlich.
## „Medizinisches Personal darf kein militärisches Ziel sein“
Ihre Verbindung zur Hisbollah macht sie nicht automatisch zu einem
legitimen militärischen Ziel. „Medizinisches Personal, egal von welcher
Partei, darf laut Genfer Konvention kein Ziel sein und Angriffe gegen
Krankenwagen stellen ein Kriegsverbrechen dar“, meint Ramzi Kaiss dazu, der
für Human Right Watch in Beirut die Angriffe auf medizinische Einrichtungen
und Krankenwagen beobachtet.
[2][Israel] beschuldigt die [3][Hisbollah] dagegen, Krankenwagen zum
Transport von Kämpfern und Munition zu verwenden. Damit, argumentiert die
israelische Armee, seien sie ein legitimes Ziel. Dies bestreitet die
Hisbollah vehement. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht.
Das libanesische Rote Kreuz steht bei all dem Außen vor. Und dennoch ist
der Frust des Leiters der Funkzentrale nicht zu überhören. Er weiß nie, ob
die von ihm losgeschickten Krankenwagen auch ankommen. Deswegen schickt er
in den Süden von Beirut, der als Hisbollah-Hochburg gilt und der regelmäßig
von Israel bombardiert wird, immer gleich zwei Wagen los. Einer fährt
vorne, der andere hinterher, falls der erste ausfällt.
Doch oft kommt es gar nicht soweit. „Unser Job ist es, Leben zu retten.
Aber manchmal ist es zu gefährlich zu den Orten der israelischen Angriffe
zu fahren“, beschreibt er. Schließlich könne er keine Crews in Gefahr
bringen, die dann selbst getötet oder verletzt würden.
„Wir müssen immer erst eine sichere Route finden. Wenn es keine gibt, dann
könne wir die Verletzten einfach nicht erreichen“. Das ist die libanesische
Realität: Im Zweifel für die Sanitäter, auch wenn dann die Verletzten in
den Trümmern ihrer zerstörten Häuser verbluten müssen. Denn ohne Sanitäter
wird überhaupt niemand abgeholt.
Plötzlich hören Handys Nehmes am Tisch überhaupt nicht mehr auf zu summen.
In der Zentrale wird es hektisch. Auf dem Fernsehbildschirm kommt eine
Eilmeldung. Auf das Dorf Aitou, in den mehrheitlich von Christen bewohnten
Bergen im Norden von Beirut, habe es einen israelischen Angriff gegeben.
Nehme entschuldigt sich höflich. Da weiß er noch nicht, dass seine
Rettungskräfte 23 Tote aus einem Gebäude bergen werden, darunter auch
Frauen und Kinder. In dem Gebäude lebten zwei Familien, die zuvor aus dem
Süden in das vermeintlich sichere Dorf geflohen sind.
17 Oct 2024
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## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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