# taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Soundtrack zu einem Staatsstreich | |
> Ein Dokumentaressay von Johan Gimonprez erzählt vom Ende der Kolonialzeit | |
> im Kongo. Und auch in John Fords „The Searchers“ geht es um Rassismus. | |
Bild: „Soundtrack to a Coup d’Etat“ (2023), Regie: Johan Grimonprez | |
Die 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts standen unter anderem | |
im Zeichen der Dekolonialisierung Afrikas, wobei die Ereignisse rund um die | |
Unabhängigkeit des damaligen Kongo von der Kolonialmacht Belgien sicher | |
eines der trübsten Kapitel ausmachen. Denn freiwillig zogen sich die | |
westlichen Mächte natürlich nicht wirklich zurück: Man war den Afrikanern | |
gegenüber so rassistisch eingestellt wie von jeher, wollte sich die | |
Ausplünderung der Bodenschätze des Kontinents nicht nehmen lassen. | |
Man hatte – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges – immer die Angst, die | |
ehemaligen Kolonien würden sich mit den Kommunisten der Sowjetunion | |
verbünden. Im Falle des Kongo ergab sich daraus eine kaum mehr zu | |
überschauende Gemengelage, die schließlich in der Ermordung des ersten frei | |
gewählten Premierministers Patrice Lumumba gipfelte. | |
In seinem spannenden Dokumentaressay „Soundtrack to a Coup d’Etat“, das | |
diese Woche im Rahmen der [1][Dokumentale] zu sehen ist, dröselt der | |
belgische Regisseur Johan Gimonprez all diese Aspekte auf und verbindet sie | |
noch zusätzlich mit dem Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung in den USA und | |
einem von weltberühmten, vorwiegend US-amerikanischen | |
Jazzmusiker:innen geschaffenen zeitgenössischen „Soundtrack“. | |
Das ist vor allem auch deshalb schlüssig, weil sich viele der | |
Musiker:innen seinerzeit mit ihren Gedanken und Aktionen eindeutig | |
gegen den Kolonialismus und für die Rechte der Schwarzen in aller Welt | |
positionierten (17.10., 20.30 Uhr, [2][City Kino Wedding], 18.10., 20 Uhr, | |
[3][Colosseum]). | |
Rassismus spielt auch in John Fords Westernklassiker „The Searchers“ eine | |
zentrale Rolle: Die Figur des Ethan Edwards, der sich auf eine Jahre | |
dauernde, zusehends immer erbitterter geführte Suche nach seiner von | |
Komantschen geraubten Nichte Debbie macht, ist vermutlich die komplexteste, | |
die John Wayne je zu spielen hatte. | |
Seinen Ruf als einer der besten Western aller Zeiten verdankt der Film | |
nicht zuletzt der Universalität seiner Thematiken: Es geht um Familie, | |
Liebe und Heimat, aber auch um das Unverständnis und den Hass, die mit dem | |
Zusammentreffen unterschiedlicher Zivilisationen bei der Eroberung des | |
US-Westens einhergingen. | |
Das alles entrollt sich vor der Kulisse einer grandiosen Landschaft | |
(natürlich mit dem obligatorischen Monument Valley), besonders schön zu | |
sehen in der 70mm-Filmkopie, die das Kino Arsenal zeigt (17.10., 20 Uhr, | |
[4][Kino Arsenal]). | |
Das Gegenteil von „klassischem“ Western schuf Sergio Corbucci mit dem – | |
zumindest in Deutschland – passend betitelten „Leichen pflastern seinen | |
Weg“ (1968), in dem sich Klaus Kinski als fieser Kopfgeldjäger und | |
Jean-Louis Trintignant als verbitterter Revolverheld in einer tief | |
verschneiten Landschaft ein erbarmungsloses Duell liefern. | |
Und wie im Italowestern durchaus üblich, stellt Corbucci dabei | |
Handlungstopoi des Genres geradewegs auf den Kopf und treibt die | |
Charakterisierung der Figuren ins Extrem. „Leichen pflastern seinen Weg“ | |
läuft im Rahmen des Cine Sangue Festival, das sich – nomen est omen – den | |
eher blutigen Seiten des italienischen Kinos der 60er- bis 80er-Jahre | |
widmet (19.10., 19 Uhr, [5][Filmrauschpalast]). | |
17 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dokumentale.de/de/ | |
[2] https://citykinowedding.de/programm/ | |
[3] https://colosseum.premiumkino.de/film/soundtrack-to-a-coup-detat | |
[4] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmvorfuehrung/the-searchers-4214/ | |
[5] https://www.filmrausch.de/ | |
## AUTOREN | |
Lars Penning | |
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