Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Unicef zu sexualisierter Gewalt: Eine von acht
> Das Kinderhilfswerk Unicef legt erstmals Zahlen zu sexualisierter Gewalt
> gegen Kinder vor. 370 Millionen Mädchen und Frauen weltweit seien
> betroffen.
Bild: Protestierende gegen sexuelle Gewalt in Bangalore, Indien
Berlin taz | Rund eine von acht heute auf der Welt lebenden Frauen und
Mädchen wurde vor ihrem 18. Lebensjahr vergewaltigt oder hat einen
sexuellen Übergriff erlebt. Das ergibt eine [1][Hochrechnung, die die
UN-Kinderrechtsorganisation] Unicef anlässlich des Welt-Mädchentags am
Donnerstag vorlegte.
Demnach sind rund 370 Millionen Mädchen und Frauen weltweit als
Minderjährige von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen. Rechne man
„berührungslose“ Gewalt wie Online- oder verbale Gewalt hinzu, steige die
Zahl der Betroffenen weltweit auf 650 Millionen.
„Sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist ein Schandfleck auf unserem
moralischen Gewissen“, sagte die Exekutivdirektorin von Unicef Catherine
Russell. „Sie verursacht tiefe und anhaltende Traumata, oft durch jemanden,
den das Kind kennt und dem es vertraut, an Orten, an denen es sich sicher
fühlen sollte.“
## Erste Untersuchung dieser Art
Der Unicef-Bericht ist der erste Versuch dieser Art, das Phänomen global zu
quantifizieren. Die Datengrundlage ist indes lückenhaft. In etwa 120
Ländern und Gebieten hat Unicef zwischen 2010 und 2022 landesweit
repräsentativen Umfragen zu den Erfahrungen von Frauen und Mädchen
durchgeführt und die Ergebnisse hochgerechnet.
Zu den Erfahrungen von Jungen und Männern gab es keine entsprechenden
Umfragen, diese habe Unicef durch andere Datenquellen zu beziffern
versucht. Demnach wurden 240 bis 310 Millionen der heute auf der Welt
lebenden Jungen und Männer in ihrer Kindheit oder im Jugendalter Opfer von
Vergewaltigung oder sexuellen Übergriffen. Diese Zahl steige auf
schätzungsweise 410 bis 530 Millionen, wenn kontaktlose Formen der
sexualisierten Gewalt miteinbezogen werden.
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder kommt dem Bericht zufolge weltweit vor,
ist aber regional unterschiedlich häufig. So sind laut Unicef in Ozeanien
34 Prozent der Frauen und Mädchen betroffen. In Afrika südlich der Sahara
sind es rund 22 Prozent, in Lateinamerika und der Karibik 18 Prozent, in
Nordafrika und Westasien 15 Prozent, in Europa und Nordamerika 14 Prozent,
in [2][Zentral- und Südasien 9 Prozent] und in Ost- und Südostasien 8
Prozent.
## Kinder in „fragilen Settings“ besonders gefährdet
Am häufigsten wird Gewalt gegen Mädchen im Alter von 14 und 17 Jahren
ausgeübt. Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare
Krankheiten, Drogenmissbrauch und soziale Isolation. Außerdem leiden
Überlebende laut Unicef in der Folge oft auch im Erwachsenenalter an
psychischen Problemen wie Angstzuständen und Depressionen sowie
Schwierigkeiten beim Aufbau gesunder Beziehungen. Verstärkt würden diese
Probleme auftreten, wenn Kinder über ihre Erfahrungen erst viel später
sprechen oder den Missbrauch ganz geheim halten.
Kinder in „fragilen Settings“ seien besonders gefährdet, sagte Russell.
„Wir erleben schreckliche sexualisierte Gewalt in Konfliktgebieten, wo
Vergewaltigung und geschlechtsspezifische Gewalt oft als Kriegswaffen
eingesetzt werden.“ In solchen „fragilen Regionen“ sei rund jedes vierte
Mädchen von Vergewaltigungen oder sexuellen Übergriffen betroffen.
Auch in einer bereits am Dienstag veröffentlichten Befragung der NGO Plan
International (PI) von 10.000 jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren
in 10 Kriegsregionen, hatten 27 Prozent angegeben, „mit dem ständigen
Risiko von sexualisierter Gewalt in ihrem Alltag leben zu müssen.“
## Unicef fordert „soziale Normen“ zu ändern
Rund ein Fünftel der von PI befragten Jugendlichen sei gezwungen gewesen,
ihre Heimat zu verlassen und lebte in Camps, teils seit mehreren Jahren.
Die Gefahr, Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung zu werden, ist für
Mädchen in diesen unübersichtlichen Situationen groß. „Einer ganzen
Generation wird durch Krieg in ihrem Land die Kindheit genommen“, sagt
Petra Berner von Plan International.
Mit Blick auf die erste globale Ministerkonferenz zu Gewalt gegen Kinder im
November in Kolumbien fordert Unicef unter anderem, „soziale und kulturelle
Normen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen und [3][Kinder davon abhalten,
Hilfe zu suchen]“ zu ändern. Kinder bräuchten Zugang zu altersgerechten
Informationen, die sie befähigen, sexualisierte Gewalt zu erkennen und zu
melden. Opfer müssten Unterstützung und Schutz bekommen.
Die in Osnabrück ansässige Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes
schätzt mit Blick auf die jährlichen Fälle von sexualisierter Gewalt gegen
Kinder, dass rund 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18
Jahren jedes Jahr Opfer werden. Rund 1,8 Millionen Kinder würden pro Jahr
zur Prostitution und Pornografie gezwungen, ein Umsatz von rund 6
Milliarden Euro damit erzielt.
10 Oct 2024
## LINKS
[1] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/presse/-/weltmaedchentag-jedes-…
[2] /Kinderheiraten-in-Nepal/!5982693
[3] /Jugendaemter-gegen-sexualisierte-Gewalt/!5976148
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Sexualisierte Gewalt
Gewalt gegen Kinder
Unicef
Kindesmissbrauch
sexueller Missbrauch
Feminismus
Social-Auswahl
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Jugendhilfe
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Roman „Trauriger Tiger“ über Missbrauch: Der Hölle de facto entkommen
Es ist eine Sache, für die es keine Sprache gibt: der Missbrauch an
Kindern. Neige Sinno hat dennoch ein bemerkenswertes Buch darüber
geschrieben.
Übergriffe bei SOS-Kinderdorf​: „Wir haben Kinder allein gelassen“​
Schläge, Demütigungen, sexueller Missbrauch: SOS-Kinderdorf hat eine
externe Kommission beauftragt, seine Schattenseiten auszuleuchten.
Kinderheiraten in Nepal: Zu jung für Buddha
Ehen von unter 18-jährigen sind ein globales Problem. Ein Besuch bei jungen
Frauen in Nepal – und einer Aktivistin, die mit der Tradition kämpft.
Unicef-Sprecher über Gaza: „Ohne Ende Horrorgeschichten“
James Elder von Unicef war jüngst in Gaza. Das Leid der Kinder dort habe er
„in 20 Jahren noch nicht gesehen“ – und hat klare Forderungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.