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# taz.de -- ZDF-Recherche zu Steuerparadies im Wald: Dem Grafen, was des Grafen…
> Gregor von Bismarck hat im Sachsenwald ein Steuerparadies für
> Briefkastenfirmen eingerichtet. Zwei der Firmen hat die Linke Hamburg nun
> angezeigt.
Bild: Die angebliche Bürohütte mitten im Sachsenwald: Ein Ort für Briefkaste…
Bremen taz | Eine Waldhütte des Bismarck-Erben Gregor von Bismarck im
Sachsenwald in Schleswig-Holstein steht durch Recherchen der
Informationsplattform „Frag den Staat“ und der Satireshow „ZDF Magazin
Royal“ im Fokus medialer Aufmerksamkeit.
Sie ist offenbar Scheinsitz von 21 teils millionenschweren Firmen wie die
Logistikgruppe Aves One GmbH und der Energie-Investor Luxcara Energy GmbH,
die die Adresse mitten im Wald als Briefkastenfirma nutzen – sie
[1][begehen Steuerflucht.]
Briefe des Rechercheteams, adressiert an die Firmen in der Waldhütte,
gingen stattdessen an die jeweiligen Firmensitze in Hamburg. Dort scheint
die wirkliche Geschäftstätigkeit stattzufinden.
Aufgrund des Anfangsverdachts auf Steuerhinterziehung hat am Dienstag David
Stoop, haushaltspolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion, Anzeige
gegen Aves One und Luxcara Energy erstattet.
## Steuern fließen nicht an den Staat
Das Team von Satiriker Jan Böhmermann und [2][„Frag den Staat“] hatte vor
Ort zwei Monate lang mit Wildkameras dokumentiert, dass viele Wildschweine,
aber nur wenige Menschen die Auffahrt zum vorgeblichen Büro nutzten. Das
fiel vor allem durch leere Schreibtische, leere Papierkörbe und leere
Aktenordner auf.
Für die Firmen ist die Adresse attraktiv, weil der Gewerbesteuerhebesatz
dort klein ist: Seit 1958 liegt er bei 275 Prozent – 200 Prozent weniger
als in Hamburg. Auch in den umliegenden Gemeinden liegt der Hebesatz mit
mindestens 380 Prozent weit höher.
Den niedrigen Steuerhebesatz im Sachsenwald hat kein Gemeinderat
beschlossen und keine Kommune wird von den Steuereinnahmen der 21 Firmen
finanziert. Das Steuergeld fließt in die Gutsverwaltung – und kommt damit
am Ende vor allem dem Gutsherrn zugute, dem der Wald und auch die Hütte in
dessen Zentrum gehören: Gregor Graf von Bismarck, ein Ururenkel [3][von
Reichskanzler Otto von Bismarck.]
Der Sachsenwald ist auf dem riesigen betroffenen Areal unbewohnt und er ist
keiner der umliegenden Gemeinden zugeordnet: Er ist ein sogenanntes
„gemeindefreies Gebiet“. Die öffentliche Verwaltung obliegt hier dem
Besitzer des Waldes, dem Gutsherrn – ein Anachronismus aus dem 19.
Jahrhundert; für die meisten betroffenen Gebiete in Schleswig-Holstein
hatte ein Gesetz von 1927 diesen rechtlichen Sonderstatus abgeschafft, doch
der [4][Sachsenwald in Besitz der Bismarck-Erben] war damals explizit
ausgenommen worden.
Die 21 ansässigen Firmen waren vom Rechercheteam befragt worden, warum sie
den Firmensitz im Herzen des Waldes bevorzugen. Geantwortet haben sie
übereinstimmend: Es passe zu den Unternehmenszielen, dass die Steuergelder
in den Erhalt und die Aufforstung des Waldes fließen.
Tatsächlich steht das Geld von Bismarck nicht zur freien Verfügung: Als der
Hebesatz 1958 festgelegt wurde, wurde auch festgehalten, dass die Einnahmen
für die Wegeverbesserung innerhalb des Gutbezirks zu verwenden sind.
Nun ist der Sachsenwald kein reines Naherholungsgebiet und kein reines
Naturschutzgebiet: Der Forst wird von den Bismarcks bewirtschaftet.
Aufforstung ist Teil der normalen forstwirtschaftlichen Betriebsausgaben.
Auch die Versorgung der Wege wäre im Normalfall wohl aus den Einnahmen zu
bestreiten, nicht aus Steuergeld.
Auch wenn die aktuelle Affäre um die Briefkastenfirmen neue Brisanz in die
Thematik bringt: Der grundsätzliche rechtliche Sonderstatus des Gebiets hat
schon vor Jahrzehnten für Kritik gesorgt. Anfang der 1990er hatte die
Landesregierung schon einmal versucht, das Gebiet aufzulösen – gescheitert
war man, weil keine umliegende Gemeinde für den Wald zuständig sein wollte.
Man versprach sich von dem Gebiet hohe zusätzliche Arbeits- und
Verwaltungskosten und keinerlei Steuereinnahmen.
Aber: Würde das Gebiet einer Gemeinde angegliedert, wäre von Bismarck bei
der Wegesicherung nicht ganz aus der Pflicht, schätzt Karsten Steffen,
Pressesprecher des zuständigen Kreises Herzogtum Lauenburg. „Eigentum
verpflichtet“, sagt er. Mindestens ein Teil der Wegesicherung bliebe
sicherlich Aufgabe des Waldeigentümers.
## Initiative beantragt Offenlegung
Völlig unklar bleibt, um wie viel Geld es überhaupt geht, wie viele Steuern
aktuell von der Gutsverwaltung eingenommen werden, und damit auch, ob das
Geld dann tatsächlich in die Wegesicherung fließt.
Offenbar hat der Gebietsvorsteher eine Gewerbesteuerumlage an das Land
Schleswig-Holstein gezahlt. Die Finanzbehörde möchte aber aus
Datenschutzgründen nichts zur Höhe sagen. Ablesen könnte man die Daten für
gewöhnlich in der Aufstellung des zuständigen Statistikamts Nord. Das weist
allerdings für das [5][Gebiet Sachsenwald einen Messbetrag von Null] aus.
Ein „Übertragungsfehler“ des Statistikamts sei Schuld, vermutet man in der
Innenbehörde. Für den Kreis Herzogtum Lauenburg ein Fehler mit Folgen:
Anders als das Land konnte der Kreis dank der fehlenden Daten keine
Gewerbesteuerumlage vom gemeindefreien Gebiet einziehen.
Wie es zu diesem „Übertragungsfehler“ kommen konnte, können die Behörden
bisher nicht klären. Die Initiative „Frag den Staat“ hat am 10. Oktober
beim Verwaltungsgericht die Offenlegung der Gewerbesteuereinnahmen des
Forstbezirks durch den Eigentümer, also von Bismarck, beantragt.
Anmerkung der Redaktion: In der Printausgabe war an einer Stelle am Beginn
des Textes fälschlicherweise von „Grundsteuer“ statt von „Gewerbesteuer�…
die Rede
19 Oct 2024
## LINKS
[1] /Studie-zu-weltweiter-Steuerflucht/!5965140
[2] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2024/10/sachsenwald/
[3] /Kontextualisierung-des-Bismarck-Denkmals/!5947947
[4] /Von-Bismarcks-duerfen-so-nicht-jagen/!5404595
[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/inneres-sicherh…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Steuerflucht
Gewerbesteuer
Bismarck
Jan Böhmermann
Schleswig-Holstein
wochentaz
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Steuersenkung
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