# taz.de -- Prozess nach Hanau-Anschlag: Attentäter-Vater widersetzt sich | |
> Dem Vater des Hanau-Attentäters werden Bedrohungen vorgeworfen. Den | |
> Prozess gegen sich boykottiert er – liegend auf dem Boden des | |
> Gerichtssaals. | |
Bild: Hans-Gerd R., der Vater des Hanau-Attentäters, boykottiert den Prozess l… | |
Hanau taz | Zuerst kommen seine Schuhe, dann kommt, getragen von zwei | |
Polizisten, [1][Hans-Gerd R.] Am zweiten Prozesstag gegen den [2][Vater des | |
Hanau-Attentäters] musste der 76-Jährige zunächst von Polizeibeamten ins | |
Gericht gebracht werden. Dann lag er – über die gesamten sechs Stunden, die | |
die Verhandlung am Donnerstag andauerte – auf dem Boden des | |
Amtsgerichtssaals in Hanau. | |
Hans-Gerd R. werden unter anderem Hausfriedensbruch, Bedrohung und | |
Volksverhetzung vorgeworfen. Da er freiwillig nicht zum ersten | |
Verhandlungstag Anfang September erschienen war, musste er am Donnerstag | |
von der Polizei vorgeführt werden. | |
Im Gerichtssaal leistete der 76-Jährige Widerstand gegen die Polizisten, | |
die ihn gebracht hatten, und weigerte sich, auf dem ihm zugewiesenen Stuhl | |
Platz zu nehmen. Stattdessen legte er sich auf den Boden und verblieb dort | |
– abgesehen von wenigen Toilettenbesuchen. | |
Anfangs gab er an, Herzprobleme zu haben und forderte, seinen Hausarzt zu | |
sehen. Auf Fragen der Richterin Clementine Englert sowie seines | |
Pflichtverteidigers Johannes Hock reagierte er jedoch nicht. | |
## Sachverständige sieht „Verschleppungsversuch“ | |
Ein Polizist, der an der Vorführung beteiligt war, berichtete, dass | |
Hans-Gerd R. bereits in seinem Haus nicht auf die Beamten reagiert habe. | |
Die Polizisten hätten seine Terrassentür öffnen müssen, um ins Haus zu | |
gehen, wo sie ihn auf dem Bett liegend vorfanden. R. habe Herzkrankheiten | |
beklagt, aber eine ärztliche Untersuchung verweigert. „Exakt wie vor ein | |
paar Jahren“, so der Polizist. | |
Bereits in zwei früheren Verfahren musste der Rentner von der Polizei | |
vorgeführt werden. „Ich kann das nicht“, sagte Johannes Hock, | |
Pflichtverteidiger des Angeklagten. Hock war auch Verteidiger des | |
[3][verurteilten Rechtsterroristen Franco A.] Er forderte eine | |
Unterbrechung der Verhandlung und Prüfung der Verhandlungsfähigkeit seines | |
Mandanten. | |
Die als Sachverständige geladene Psychiaterin Hildegard Müller sprach beim | |
Verhalten des 76-Jährigen von einer „Inszenierung, nicht einer echten | |
Beeinträchtigung“. Auch der Staatsanwalt Martin Links bezeichnete sein | |
Verhalten als „Verschleppungsversuch“. Sonst hätte er „niemals so etwas | |
verantworten wollen“, wenn er nicht gewusst hätte, dass R. regelmäßig so | |
agiere. | |
Hock beantragte zudem, seine Bestellung als Pflichtverteidiger | |
zurückzunehmen, da er aufgrund der „Kontaktverweigerungsstrategie“ seines | |
Mandanten seine Aufgabe nicht erfüllen könne. Er habe seit einem Jahr | |
keinen Kontakt zu R. herstellen können – weder telefonisch noch | |
schriftlich. Dies wurde ebenfalls abgelehnt. Jedoch sagte Richterin | |
Englert, dass die Verhandlung auch in Abwesenheit des Angeklagten | |
fortgeführt werden könne. | |
Zudem war am Donnerstag ein Polizeibeamter als Zeuge geladen, der als | |
Leiter des Bereichs Gefährdungsmanagement tätig ist. Er berichtete, dass er | |
seit 2020 mehrfach mit Hans-Gerd R. zu tun gehabt habe, um Gespräche über | |
die Gefahren für ihn und auch von ihm ausgehenden Gefahren zu führen. | |
Überlebende des Anschlags wie Piter Minnemann kritisierten in den letzten | |
Jahren, dass sie [4][nach dem Anschlag Gefährderansprachen erhalten] | |
hätten. Dabei hatte Hans-Gerg R. selbst wiederholt [5][die Familie des | |
ermordeten Ferhat Unvar bedrängt]. Auf die Frage des Staatsanwalts, ob der | |
Polizist eine Gefährderansprache auch an R. gerichtet habe, um ihn zu | |
ermahnen, die Familie in Ruhe zu lassen, antwortete der Polizist unsicher. | |
„Da muss ich überlegen“, sagte er. „Ich weiß nicht“, fügte er hinzu. | |
## Blutspritzer an der Wand | |
Der 39-jährige Polizeibeamte schilderte zudem, dass er Hans-Gerd R. kurz | |
nach dem [6][Anschlag seines Sohnes vom 19. Februar 2020] als „ruhig, | |
aufgeschlossen und freundlich“ erlebt habe. Bei einem weiteren Besuch „Ende | |
2022 oder Anfang 2023“ sei ihm aber aufgefallen, dass im Erdgeschoss des | |
Hauses des Angeklagten weiterhin Blutspritzer, Tatort-Aufkleber und | |
Tatortspuren zu sehen gewesen seien, ebenso wie das Krankenbett von R.s | |
Ehefrau, die am Anschlagstag ebenso von ihrem Sohn erschossen wurde. Dies | |
habe ihm den Eindruck vermittelt, dass R. möglicherweise traumatisiert sei. | |
Im aktuellen Prozess wird Hans-Gerd R. unter anderem die Beleidigung von | |
Opferangehörigen, Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz, Hausfriedensbruch | |
in einer Kita, Störung des öffentlichen Friedens sowie die Beleidigung von | |
SEK-Polizisten als „Terroreinheit“ vorgeworfen. Mehrfach soll er zudem, | |
trotz Kontakt- und Näherungsverbot, das Haus von Serpil Temiz-Unvar, der | |
Mutter des ermordeten Ferhat Unvar, aufgesucht und ihr Briefe geschrieben | |
haben. Temiz-Unvar ist Nebenklägerin im Prozess. | |
Hinterbliebene des Anschlags betonten, dass sie Hans-Gerd R. keine weitere | |
Aufmerksamkeit schenken wollen, aber erwarteten, dass dieser Serpil | |
Temiz-Unvar in Ruhe lässt, berichtete Staatsanwalt Links. Hans-Gerd R. fiel | |
bereits zuvor durch rassistische Ansichten und Verschwörungstheorien auf. | |
Sein Sohn erschoss am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus | |
rassistischen Motiven, danach auch seine eigene Mutter und sich selbst. | |
Das Urteil gegen Hans-Gerd R. wird am 09. Oktober erwartet. Bis dahin gibt | |
es noch drei weitere Verhandlungstermine vor dem Amtsgericht Hanau. | |
26 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Yağmur Ekim Çay | |
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