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# taz.de -- Influencerin Louisa Dellert im Porträt: Der lange Weg zur Selbstak…
> Nach dem Burn-out kritisiert die Ex-TV-Moderatorin Louisa Dellert auf
> Social Media toxische Schönheitsideale. Das ist Teil eines
> Heilungsprozesses.
Bild: Seit 2013 spricht Louisa Dellert auf Social Media über Politik, Nachhalt…
„Leute, ich möchte mit euch über dieses Video sprechen“, so leitet Content
Creatorin Louisa Dellert ihr neues [1][Social-Media-Format] „Unshame“ ein.
In [2][kurzen Videoclips] thematisiert sie unrealistische
Schönheitsideale, kommerzialisierte [3][Selbstoptimierung] und
diskriminierende Normen. Sie selbst weiß, wie hart es ist, ständig bewertet
zu werden, und welche Spuren das hinterlässt.
„Boah, bist du fett geworden! Du solltest abnehmen und dich dann erst
zeigen!“, solche Kommentare und Schlimmeres begleiten Dellert schon lange.
Seit 2013 spricht sie auf Social Media über Politik, Nachhaltigkeit,
Feminismus und [4][Körperbilder].
Dellert schrieb Bücher, hostete Podcasts, gründete eine Beratungsagentur
für Kommunikation, war immer wieder auf verschiedenen Bühnen zu sehen und
moderierte die ARD-TV-Sendung „Deep und Deutlich“.
Mit ihrem Erfolg wächst nicht nur ihre Followerschaft, auch die Zahl ihrer
Hater. Sie kritisieren den Content der Influencerin, aber auch ihr Aussehen
ist in den Kommentarspalten immer wieder Thema. Sie wird als Hure
beschimpft, manche wünschen ihr sogar den Tod. Trotzdem macht Dellert
weiter. Sie beschreibt sich selbst als „Harmoniemensch mit
People-Pleaser-Syndrom“. Bei Kritik reagiert sie reflektierend, versucht,
es allen recht zu machen und performt weiter. Zehn Jahre lang geht das gut,
bis zum Sommer 2023.
Als Dellert im Supermarkt steht, setzt es auf einmal aus. „Ich war total
überfordert. Mein Herz pochte, mein Atem spielte verrückt und ich fing anzu
weinen“, erzählt sie über den Moment ihres Zusammenbruchs. Wie lange sie
dort gestanden habe, wisse sie heute nicht mehr. „Das war der Beginn einer
sehr unangenehmen Reise“.
## Mittelschwere Depressionen
Schlafstörungen, Migräne, Lustlosigkeit und Panikattacken kündigten das
Burn-out in den Monaten zuvor bereits an. Als sich Dellert schließlich
damit auseinandersetzt, folgt die Diagnose: mittelschwere Depressionen.
Erst jetzt zieht sie endgültig die Reißleine und gibt vieles auf, was sie
sich beruflich aufgebaut hat: ihre Moderationen im Fernsehen, ihre
Beratungsfirma, ihr Leben in Berlin.
„Mein Kalender war nicht gesund“, sagt sie heute über diese Zeit. „Ich b…
immer noch traurig, dass ich bei Deep und Deutlich aufgehört habe, aber es
war die richtige Entscheidung.“ Die Content Creatorin verlässt die
Hauptstadt und zieht zurück in ihre Heimat Braunschweig.
„Ich musste weg aus Berlin. Es gibt tausend Veranstaltungen, auf die man
gehen kann und gewissermaßen auch muss. Das führt immer wieder zu
Vergleichen und baut Druck auf. Wenn ich nicht hingegangen bin, habe ich
direkt Fomo verspürt“, erklärt Dellert ihren Ausstieg aus der Berliner
Medienblase.
Heute habe sie die dunkelste Zeit ihrer Depression hinter sich gelassen,
sagt Dellert und teilt ihren Heilungsprozess auch mit ihren
Follower*innen. Doch neben Genesungswünschen und lieben Zuschriften
schlägt ihr im Internet wieder verletzende Kritik entgegen.
„Ich habe wegen der Medikamente gegen die Depression zugenommen. Leute
haben mir das immer wieder gesagt.“ Die Nachrichten und Kommentare machen
Dellert zu schaffen. „Ich habe beschlossen, darüber zu reden. Nicht nur,
was die Depression mit mir gemacht hat, sondern auch, wie es mir geht, wenn
man mir so eine Scheiße schreibt.“
Als Frau werde man mit zweierlei Maß bewertet, erklärt sie. Entweder ist
man zu viel oder zu wenig. Zu viel Bauchfett, zu wenig Oberweite. Zu viel
Cellulite, zu wenig Lücke zwischen den Beinen. Dellerts Appell lautet
daher: „Lasst uns trainieren, andere Menschen nicht auf ihr Äußeres zu
reduzieren. Niemand muss sich für seinen Körper schämen.“ Ein eigenes
Format daraus zu machen, hatte sie eigentlich nicht vor.
## Frisch gebackene Buchhändlerin und Cafébetreiberin
„'Unshame’ war ein Unfall“, scherzt sie. „Die Videos kamen sehr gut an.
Damit habe ich nicht gerechnet, aber dann dachte ich mir: Geben wir dem
Ding doch einen Namen.“ Anders als vor ihrem Zusammenbruch verspüre sie bei
der Recherche und Umsetzung der Themen keinen Druck. „Ich mache mal mehr,
mal weniger, je nachdem wie ich mich gerade fühle und wie viel Zeit ich
habe. Das ist nicht wie bei meinen vorherigen Jobs. Da musste ich einfach
abliefern.“
Doch trotz des neuen Formats und dessen Erfolg steht für Dellert fest: Ihre
Zukunft soll in der Offline-Welt stattfinden. Bücher gaben ihr während der
Depression viel Halt, also erfüllt sie sich einen Traum. Im Oktober
eröffnet sie in Braunschweig das Buchcafé „SiSu Lou“. Ein Wohlfühlort, um
dem stressigen Alltag zu entfliehen. „Sisu“ steht für „Sinnsuche“ und
beschreibt im Finnischen eine Mentalität, sich Herausforderungen zu
stellen, auch wenn die Ressourcen erschöpft sind.
Auf Social Media teilt Dellert die Vorbereitungen für die Eröffnung im
Oktober und zeigt ihren Fans, wie sehr sie sich über den Neuanfang freut.
„Ich bin so stolz auf mich, dass ich das nach dem letzten Jahr geschafft
habe“, erzählt sie unter Tränen in einer Instagram-Story. „Aber so schön
das auf Instagram immer aussieht, es gibt Phasen, die echt beschissen
sind“, räumt die frisch gebackene Buchhändlerin und Cafébetreiberin ein.
„Ich habe das alles schon infrage gestellt. Mich, den Laden, das Konzept,
ob ich den Erwartungen gerecht werde und ob ich davon leben kann. Dieses
Projekt ist kein Hobby, sondern meine Zukunft.“
Der Grund für ihre Zweifel? „Ungefragtes Feedback“, sagt Dellert.
„Erwartungshaltungen und Ansprüche an mich, die man niemals gegenüber
anderen Buchhändlungen oder Cafés äußern würde. Menschen fragen mich, ob es
im Café kostenlose Lesebrillen geben wird, oder kritisieren, warum der
Slogan am Fenster des Cafés auf Englisch und nicht auf Deutsch verfasst
ist. Das ist zu viel. Es ist ermüdend.“
Die Content Creatorin und Geschäftsführerin will zuhören und Rücksicht
nehmen, aber auch lernen, besser Grenzen zu ziehen. „Ich wünsche mir einen
sensibleren Umgang miteinander, sowohl offline als auch online. Es wird mir
zwar nie zu hundert Prozent egal sein, was die Leute sagen oder schreiben.
Aber es sollte ein Dialog sein.“
12 Oct 2024
## LINKS
[1] /Beautytrend-auf-Social-Media/!6027972
[2] https://www.instagram.com/louisadellert/reel/C9AjqCGs72E/
[3] /Darstellung-der-Midlife-Crisis-in-Filmen/!6001863
[4] /Body-Positivity-am-Nordseestrand/!5945307
## AUTOREN
Giorgia Grimaldi
## TAGS
Depression
Schönheitsideale
Body Positivity
Social-Auswahl
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Was macht mich?
Selbstoptimierung
Schönheit
Hate Speech
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