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# taz.de -- Prozess gegen Reuß-Truppe: Reichsbürger mit dem Richtertraum
> Seit April wird in Stuttgart Reichsbürgern aus der Reuss-Gruppe der
> Prozess gemacht. Ein Mitglied spielt nun seine Rolle runter und gibt sich
> reuig.
Bild: Hier wird gegen den mutmaßlichen militärischen Arm der Reuß-Truppe ver…
Stuttgart taz | Revolutionäre Situationen machen manchmal überraschende
Karrieren möglich. So erhoffte sich der Dachdeckermeister Ralf Helmut Sch.
aus Freudenstadt nach dem Tag X, dem Reichsbürgerumsturz,
„Bestallungsrichter“ in dem neuen Staat unter Prinz Reuss zu werden. 5.000
Euro Gebühr für eine angebliche juristische Prüfung hatte er dafür an
seinen Mitangeklagten Marco van H. überwiesen.
Nur: Der Tag X fiel aus, das Geld war weg. Und seit Monaten nun verfolgt
der verhinderte Revolutionsrichter d[1][en Prozess gegen sich und acht
andere mutmaßliche Mitglieder der „Reichsbürger“-Terrorgruppe um Heinrich
XIII. Prinz Reuß von der Anklagebank] [2][aus], im Oberlandesgericht
Stuttgart.
Die Aussage des 58-jährigen, mehrfach geschiedenen Mannes wirft ein Licht
darauf, wie die Führungstruppe um den Prinzen ihre Untergebenen mit
absurden Anreizen und Legenden an die Organisation gebunden hat. Er sei
Lügnern und Betrügern aufgesessen, sagt Sch. heute. Alles habe sich bei ihm
zu dieser Zeit um Q-Anon und die „Allianz“ gedreht, [3][jenem angeblichen
Zusammenschluss internationaler Mächte, in deren Auftrag Prinz Reuß
gehandelt haben wollte]. Heute glaube er „den ganzen Scheiß nicht mehr“
sagt Sch. vor Gericht. Sich davon zu lösen, sei, als gewöhne man sich das
Rauchen ab.
[4][Während in Frankfurt/Main über die Führungstruppe um Reuss der Prozess
geführt wird], steht in Stuttgart der mutmaßliche militärische Arm vor
Gericht. Das Gericht geht schrittweise vor. Zuletzt hatte es sich mit
Markus Peter L.s Rolle beschäftigt, der bei einer Hausdurchsuchung [5][im
März 2023 das Feuer auf die Polizei eröffnete] und dabei einen
Polizeibeamten so verletzt hatte, dass er dauerhaft dienstunfähig ist.
## „Mir war das zu viel“
Nun Ralf Helmut Sch. sagt im Stuttgarter Hochsicherheitsgerichtssaal drei
Prozesstage lang aus. Die Staatsanwaltschaft wirft Sch. vor, mit einem
weiteren Angeklagten in Tübingen und Freudenstadt [6][eine sogenannte
Heimatschutzkompanie] aufgebaut zu haben. Diese Zellen von je etwa 150
Leuten sollten [7][am Tag X vor Ort bewaffnet die Macht übernehmen,
Rathäuser und Kasernen besetzen].
„Heimatschutztruppe, das kann man so oder so interpretieren“, sagt Sch. Er
will seine Kompanie eher als eine Art technisches Hilfswerk verstanden
haben, das die Menschen versorgt, wenn am Tag des Umsturzes schon mal Strom
und Wasser ausfallen könnten. Der 58-Jährige mit der rasierten Glatze und
der kleinen, eckigen Lesebrille auf der Nase, liest seine Aussage von
handschriftlichen Notizen ab.
Er berichtet, wie ihn die Coronazeit, seine Impfskepsis und eine
Lebenskrise zu den Reichsbürgern brachte. Er habe Corona nicht als große
Bedrohung empfunden, sagt er. Außerdem sei ihm das mit den Maßnahmen alles
verdächtig schnell gegangen. Seine Frau, die von ihm getrennt lebte, hatte
große Angst vor dem Virus. Die Debatte darum habe ihn von seinem jüngsten
Sohn entfremdet. Darunter habe er sehr gelitten.
Sch. will von seinem Scheidungsanwalt wissen, ob die BRD ein souveräner
Staat oder doch eine Firma ist, wie er in Chats gelesen hat. Der Anwalt
kündigt ihm das Mandat. Er vertrete keine Reichsbürger, bekommt er als
Begründung. Sch. geht zu Montagsspaziergängen in Horb am Neckar und gerät
darüber an die späteren militärischen Köpfe von Prinz Reuss, wie [8][die
ehemaligen Bundeswehroffiziere Marco van H. und Rüdiger von Piscatore].
Ja, es sei auch über Waffen geredet worden, berichtet Sch. Einer der
Kollegen habe bei einem Treffen gesagt, er würde auch auf Plünderer
schießen. Er habe das befremdlich gefunden. „Mir war das zu viel“, sagt
Sch. Dass die Gruppe, der er da beigetreten war, und die, wie er selbst
sagt, „Deutschland vom Tiefen Staat reinigen wollte“, auch Gewalt anwenden
würde, will er verdrängt haben.
## Verschwiegenheitserklärung mit Todesdrohung
Sch. hat allerdings auch die Verschwiegenheitserklärung der Organisation
aufgesetzt. Den Text habe er im Wesentlichen aus dem Internet
heruntergeladen, behauptet er. Nur den Satz, dass Verrat mit der
Todesstrafe geahndet werde, habe er eingefügt – weil das Marco van H. von
ihm verlangt habe und sich sonst niemand fand.
Es ist nicht nur der Wahnglaube eines verantwortungslosen
Befehlsempfängers, der Sch. an die Gruppe band. Die Reuß-Truppe stellte dem
Dachdeckermeister mit Geldproblemen eben auch eine nachrevolutionäre
Karriere als Richter in Aussicht. Wenn erst die alte Ordnung beseitigt sei,
könne man eine Firma gründen und dann Richter von Gnaden der Allianz
werden, erzählte ihm Marco van H. Dazu müsse er ein wenig Völkerrecht und
andere Gesetze lernen, dann gäbe es eine Prüfung.
Einem anderen Mitglied schrieb Sch., offenbar stolz auf dieses Angebot: „Im
September werden eh alle, die Verantwortung haben, vor Gericht kommen. Da
werde ich dann dabei sein.“ Als ihm das Gericht dies vorhält, redet Sch.
seine Rolle lieber klein: Dabei sein als Zuschauer, habe er gemeint, nicht
als Richter. Da habe ihm ja die Qualifikation gefehlt.
Und gerade als von Illuminaten und Blackout die Rede ist, legt am
Montagnachmittag ein Stromausfall in Stuttgarter Stadtteil Stammheim auch
den Prozess lahm. Er wird am Mittwoch fortgesetzt.
7 Oct 2024
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[8] /Reichsbuerger-Putsch/!6004794
## AUTOREN
Benno Stieber
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