# taz.de -- Reichsbürger-Prozess in Frankfurt: Malsack-Winkemanns Endlosschlei… | |
> Die AfD-Politikerin ist die erste Angeklagte, die sich in Frankfurt zu | |
> den Putschvorwürfen äußert. Nach vier Prozesstagen bleiben viele Fragen | |
> offen. | |
Bild: Prozesstermin im Mai: Birgit Malsack-Winkemann wird von zwei Beamten aus … | |
Frankfurt taz | Birgit Malsack-Winkemann fühlt sich schlecht behandelt. Und | |
zwar von der Bundesanwaltschaft, die die ehemalige | |
AfD-Bundestagsabgeordnete [1][wegen Terrorismus und Hochverrats angeklagt | |
hat] – obwohl sie doch schon im Ermittlungsverfahren ausführlich ihre | |
Unschuld erklärt habe. Aber auch von ihren Mitangeklagten, mit denen die | |
60-Jährige den bewaffneten Umsturz in Deutschland vorbereitet haben soll, | |
und die nun schlecht über sie geredet hätten. | |
Nur einen nimmt Malsack-Winkemann aus: den als Rädelsführer [2][des | |
mutmaßlichen Reichsbürger-Putschplans angeklagten Heinrich XIII. Prinz | |
Reuß]. „Der Prinz und ich waren uns einig, dass…“: So oder so ähnlich | |
fangen viele Sätze der AfD-Politikerin vor dem Frankfurter | |
Oberlandesgericht an. | |
Im Prozess gegen die mutmaßliche Führungsriege der „Patriotischen Union“ … | |
den Frankfurter Immobilienunternehmer lässt sich Malsack-Winkemann als | |
erste der neun Angeklagten zu den Anklagevorwürfen ein. Seit nunmehr vier | |
Verhandlungstagen hält sie einen Monolog, ungeordnet, voller | |
Wiederholungen, eine große Endlosschleife. Bevor sie damit beginnt, beklagt | |
sie sich bitter, dass das Verfahren so langsam vorangehe. Es sollte nicht | |
die einzige Widersprüchlichkeit bleiben. | |
Reuß sei gar kein Reichsbürger, behauptet Malsack-Winkemann. „Es ging dem | |
Prinzen wie mir um die Souveränität.“ Genau das ist jedoch ein zentrales | |
Narrativ der Reichsbürger-Ideologie: dass Deutschland nicht souverän, | |
sondern fremdbeherrscht sei. Nie, beteuert die Angeklagte, sei in ihrer | |
Gegenwart über einen Umsturz, einen Angriff auf den Bundestag oder den | |
Aufbau von bewaffneten „Heimatschutzkompanien“ geredet worden. Für Reuß w… | |
für sie habe alles nach Gesetz und Recht ablaufen sollen. | |
## QAnon-Verschwörungsglaube | |
„Revolutionen sind so ziemlich das Letzte, wozu man jemanden aus dem | |
Hochadel bringen könnte“, sagt sie. Zugleich jedoch spricht | |
Malsack-Winkemann mit größter Selbstverständlichkeit von einem | |
„Systemwechsel“ und von den dafür „erforderlichen Gewalthandlungen“. V… | |
„Militärgerichten“ und einem großen „Aufräumen“, bis hinunter in die | |
Rathäuser. Nur habe das nicht die Aufgabe ihrer Gruppe sein sollen, sondern | |
allein: der Allianz. | |
Malsack-Winkemann meint damit eine mächtige Geheimarmee, erfunden vom | |
[3][antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben], an deren baldiges | |
weltweites Losschlagen sie und ihre Mitstreiter*innen offenbar fest | |
geglaubt haben. Dieser Allianz, sagt die Angeklagte, hätten sie sich | |
andienen wollen, für den Neuaufbau Deutschlands nach einer zweijährigen | |
Militärherrschaft. | |
„Letztentscheider war immer die Allianz“, betont sie. Ohne von diesem | |
mysteriösen Militärbündnis mit seinen vorgeblich Millionen von Soldaten | |
offiziell akzeptiert zu sein, hätten jedenfalls sie und Reuß nicht aktiv | |
werden wollen. „Dafür bin ich zu lange im öffentlichen Dienst“, erklärt | |
Malsack-Winkemann. „Da macht man nichts, wenn man nicht zuständig ist.“ | |
Die [4][promovierte Juristin, die jahrelang als Richterin am Berliner | |
Landgericht gearbeitet hat], gefällt sich in der Selbstdarstellung als | |
„Oberbedenkenträger“, als kritischer Geist. Stolz brüstet sie sich damit, | |
einen vermeintlichen Verbindungsoffizier zur Allianz als Hochstapler | |
durchschaut zu haben. Ernsthafte Zweifel an der Existenz der | |
herbeifantasierten Armee aber scheint sie bis zuletzt nicht gehabt zu | |
haben. Schließlich sei davon in den mehr als 50 Telegram-Kanälen, die sie | |
aus Unzufriedenheit mit der „Einseitigkeit“ der etablierten Medien verfolgt | |
habe, überall die Rede gewesen: „Inhaltlich sagten sie alle dasselbe.“ | |
## Bedenken nur wegen Rechtschreibfehlern | |
Malsack-Winkemann spricht mit großem Selbstbewusstsein. Mal schnippisch, | |
mal belehrend und immer wieder in beleidigtem Ton. Zu denen, die sie ganz | |
besonders schlecht behandelt haben sollen, gehört auch die frühere Berliner | |
Justizsenatorin Lena Kreck. Die Linkenpolitikerin hatte im Juni 2022 | |
öffentlich verkündet, dass die Ex-AfD-Abgeordnete nicht länger als | |
Richterin arbeiten sollte. | |
„Das hat mich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert“, sagt die | |
Angeklagte. „Ich war völlig neben der Spur.“ Und nur deshalb habe sie kurz | |
darauf ein Papier unterzeichnet, angeblich verlangt von der Allianz, in dem | |
sie sich zur Verschwiegenheit verpflichtete – bei Androhung der | |
Todesstrafe. „In meiner normalen Verfassung hätte ich das nicht | |
unterschrieben.“ Allerdings nicht aufgrund inhaltlicher Bedenken. Sondern | |
wegen der vielen Rechtschreibfehler. | |
Vieles, was Malsack-Winkemann sagt, provoziert mehr Fragen, als es | |
Antworten gibt. Manchmal aber hat sie durchaus einen Punkt. Inwiefern sich | |
von einer „terroristischen Vereinigung“ sprechen lässt, wenn sich ihre | |
Mitglieder zu guten Teilen gar nicht kannten oder nicht unbedingt am selben | |
Strang zogen: Damit wird sich das Gericht in der Tat beschäftigen müssen. | |
Und wahrscheinlich hat die Bundesanwaltschaft wirklich den einen oder | |
anderen Fehler gemacht, als sie das Ermittlungsergebnis auf mehr als 500 | |
Seiten und fast 3.500 Fußnoten zusammenfasste. | |
Man muss dahinter nicht „Arglist“ und „Manipulation“ vermuten, wie die | |
AfDlerin das tut. Aber eine gewisse Schludrigkeit der Anklagebehörde könnte | |
schon daraus sprechen. In der kommenden Woche redet Birgit | |
Malsack-Winkemann weiter. Und weiter. | |
21 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Joachim F. Tornau | |
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