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# taz.de -- Protest gegen Pro-Life-Bewegung: Kampf um Selbstbestimmung
> Am Samstag marschieren Abtreibungsgegner:innen durch Berlin und
> Köln. Queerfeministische und antifaschistische Bündnisse stellen sich
> dagegen.
Bild: Abtreibungsgegner haben 2023 im Zentrum Berlins Holzkreuze aufgestellt
Berlin taz | Sie tragen Holzkreuze, von denen jedes für einen abgetriebenen
Fötus stehen soll, und Fotos von lächelnden Kindern: [1][Am Samstag findet
wieder der „Marsch für das Leben“ vom Bundesverband Lebensrechte e.V. in
Berlin statt.] Er beginnt am Brandenburger Tor und zieht sich dann durch
die Innenstadt. Parallel findet auch in Köln ein solcher Marsch statt. Die
Demonstrationen werden von der „Lebensrechtsbewegung“ veranstaltet, die
sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und Sterbehilfe richtet.
Unter den Demonstrant:innen sind Abtreibungsgegner:innen, konservative
Politiker:innen, christliche Fundamentalist:innen, aber vermehrt auch
Rechtsradikale. „Die Akteur:innen hinter dem Marsch wollen nicht nur
Abtreibung verunmöglichen, sie torpedieren auch sexuelle Bildung an
Schulen, betreiben manipulative Fake-Beratungsstellen für ungewollt
Schwangere und machen mit Desinformationskampagnen Hetze gegen trans
Personen“, schreibt das queerfeministische Bündnis „What the Fuck?!“ in
einer Pressemitteilung.
Eine Pressesprecherin der Polizei Berlin sagte der taz, dass der
Bundesverband Lebensrechte 10.000 Personen angemeldet habe. Leo von „What
the Fuck?!“ möchte nur mit Vornamen genannt werden und vermutet, dass
realistisch etwa 2.500 bis 3.000 Abtreibungsgegner*innen beim Marsch
sein werden. In dieser Höhe bewegten sich auch die Zahlen der
Teilnehmer*innen in den letzten Jahren.
Traditionell gibt es in Berlin starken Gegenprotest von feministischen und
antifaschistischen Gruppen. Mit Trommeln und Sprechgesängen versuchen sie
Jahr für Jahr, den Marsch zu stören. Dabei kam es immer wieder zu
Auseinandersetzungen. Deshalb versucht die Polizei, die Veranstaltungen
möglichst voneinander getrennt zu halten.
## Linke Bündnisse befürchten mehr Neonazis
„What the Fuck?!“ veranstaltet dieses Jahr eine stationäre Gegenkundgebung
am Berliner Hauptbahnhof. Leo erwartet nicht, dass der Marsch der
Abtreibungsgegner*innen sich stark von den letzten Jahren
unterscheidet: „Die Teilnehmer:innen werden, wie immer, darauf bedacht
sein, ein eher bürgerliches, mittiges Bild nach außen abzugeben. Es laufen
aber auch extrem Rechte mit. Die AfD ist die nahestehendste Partei zur
Lebensrechtsbewegung“, sagt Leo.
Laura Stein von der Vernetzung Safe Abortion Day befürchtet, dass sich
dieses Jahr mehr Neonazi-Gruppierungen anschließen: „In Berlin könnte es
auch sein, dass einige aus dem Umland kommen. Außerdem könnten einige aus
der Reichsbürger-Szene kommen.“ Sie habe das Gefühl, dass sich nach den
Wahlen im Osten mehr Menschen dazu ermutigt fühlten, laut rechte Parolen zu
äußern. „Wir denken, dass die Zahlen am Samstag beim Marsch steigen
könnten“, sagt sie.
Auch das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung stellt sich seit 2008
jährlich in Berlin gegen den „Marsch für das Leben“. Dieses Jahr wird es
auf dem Pariser Platz eine Kundgebung mit Redebeiträgen geben. Das Bündnis
setzt sich für sexuelle Selbstbestimmung ein und fordert die Abschaffung
des Paragrafen 218.
Zwar gebe es gewisse Differenzen zwischen den Bündnissen, sagt Leo von
„What the Fuck?!“: „Wir haben eine radikalere Perspektive. Eine klarere
Positionierung, was die Legalität von Sexarbeit angeht, unsere Kritik am
Gesundheitssystem geht weiter und wir setzen uns für Pränataldiagnostik
ohne Selektion ein.“ Trotzdem stünden sie an diesem Tag gemeinsam gegen den
Marsch ein. Es sei nun wichtig, solidarisch zu sein und sich besser zu
vernetzen. „Rechte versuchen, das Thema Reproduktion zu besetzen, und daher
ist es für uns umso wichtiger, das Thema auch von antifaschistischer Seite
zu bespielen“, sagt Leo.
## Bisher gibt es keine Reform des Abtreibungsgesetzes
[2][In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich
rechtswidrig] und bleiben nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Ein
Expertengremium, das von der Bundesregierung beauftragt wurde, kam im April
zu dem Ergebnis, dass diese Regelung nicht mehr haltbar sei und forderten
eine Reform des Abtreibungsrechts. Vertreter der Bundesregierung reagierten
zurückhaltend und befürchteten, das Thema könne „die Gesellschaft spalten�…
Dabei halten 80 Prozent der deutschen Bevölkerung die Rechtswidrigkeit von
Schwangerschaftsabbrüchen für falsch. Das zeigte eine repräsentative
Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Bundesfrauenministeriums (BMFSFJ)
ebenfalls im April.
Stein sagt: [3][„Trotzdem hat die Bundesregierung da noch keine Änderungen
umgesetzt] und dafür sehen wir einen Teil des Grundes im Rechtsruck. Die
Regierung lässt sich von den Rechten unter Druck setzen und hat Angst,
Wähler zu verlieren. Wir haben Angst, dass die Kommissionsergebnisse jetzt
in der Schublade verschwinden und man Angst davor hat, die Thematik vor der
Bundestagswahl anzugehen.“
Am Montag hat ein Bündnis aus gesundheitspolitischen und feministischen
Initiativen eine Kampagne gestartet. Unter dem Titel [4][„Abtreibung
legalisieren – jetzt!“] will das Bündnis Druck ausüben. Sie fordern, dass
die Bundesregierung den Strafrechtsparagrafen 218 streicht.
19 Sep 2024
## LINKS
[1] /Marsch-der-Abtreibungsgegnerinnen/!5960652
[2] /Marsch-fuer-das-Leben-in-Berlin/!5881694
[3] /Paragraf-218/!6001679
[4] /Kampagne-fuer-legale-Abtreibungen/!6034139
## AUTOREN
Louise Ringel
## TAGS
Demonstration
Schwerpunkt Abtreibung
Schwerpunkt „Marsch für das Leben“
Schwerpunkt AfD
Paragraf 218
GNS
Ampel-Koalition
Großbritannien
sexuelle Selbstbestimmung
Schwerpunkt Frankreich
IG
USA
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