# taz.de -- „Marsch für das Leben“ und Gegendemo: Getrennt durchs Brandenb… | |
> Christliche Fundamentalist:innen und Rechtsaußen demonstrierten am | |
> Samstag gegen das Recht auf Abtreibung. Doch sie stießen auf lauten | |
> Protest. | |
Bild: Der Marsch für das Leben stieß auf Protest | |
Berlin taz | Auf dem Pariser Platz stehen Tourist:innen und machen mit | |
ihren Smartphones Fotos voneinander: im Hintergrund das Brandenburger Tor – | |
und ein großer Transporter. Wie bei einem riesigen Imbisswagen ist die eine | |
Seite hochgeklappt. Dort stehen drei Mikros. Silberne Luftballons, die wie | |
Discokugeln aussehen, sind am Wagen befestigt und glitzern in der Sonne. Im | |
Wagen hängt ein großes Banner mit der Aufschrift: „Mein Körper, meine | |
Verantwortung, meine Entscheidung.“ Das Bündnis für sexuelle | |
Selbstbestimmung (BfsS) hat zum Aktionstag „selbstbestimmt leben“ | |
aufgerufen. Das Bündnis fordert die Streichung von Paragraph 218 im | |
Strafgesetzbuch, der regelt, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich | |
verboten und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei sind. | |
Vor dem Wagen stehen junge und alte Frauen, Menschen mit Regenbogenfahnen, | |
Familien mit Kinderwagen. Céline Feldmann steigt hoch in den Truck und | |
tritt an eins der Mikros. Sie ist Juristin und Vorsitzende der | |
Arbeitsgruppe zu [1][Paragraph 218] beim Deutsche Juristinnenbund. Sie | |
trägt ein grünes Halstuch, darauf steht: „#WegMit218Jetzt!“. Es sei höch… | |
Zeit, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren: „Kriminalisierung | |
verhindert keine Abbrüche, sondern macht sie unsicher“, sagt Feldmann. | |
Statt Strafe brauche es Unterstützung. | |
Der taz sagt Feldmann: „Wir sehen, dass die Versorgungslage prekär ist. | |
Beispielsweise in Bayern müssen schwangere Personen mitunter über | |
zweihundert Kilometer reisen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen | |
zu lassen.“ Viele Ärzt*innen im ländlichen Raum wollten keine | |
Schwangerschaftsabbrüche durchführen, weil sie Angst vor Stigmatisierung | |
hätten. | |
Zwischen den verschiedenen Redebeiträgen rufen die Moderatorinnen immer | |
wieder: „My body, my choice!“ Die Demonstrierenden stimmen mit ein: „Raise | |
your voice!“ 450 Menschen sind laut Polizei zusammengekommen. | |
Ines Scheibe ist Mitgründerin des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, | |
das die Demonstration angemeldet hat. „Es ist wichtig, dass wir heute ein | |
Zeichen gegen den sogenannten ‚Marsch für das Leben‘ setzen und zeigen, | |
dass es progressive Stimmen gibt“, sagt Scheibe der taz. Es sei wichtig, | |
genau jetzt auf die Straße zu gehen, weil es mit einer anderen | |
Bundesregierung noch schwieriger werden könnte, Schwangerschaftsabbrüche | |
aus dem Strafgesetzbuch zu holen: „Wenn die Christdemokraten nächstes Jahr | |
in die Regierung kommen, dann wird es keine Entkriminalisierung geben“, | |
sagt Scheibe. | |
## Abtreibungsgegner:innen auf der anderen Seite | |
Blick man durch das Brandenburger Tor, steht auch dort eine Bühne, die mit | |
Luftballons geschmückt ist. Darauf steht ein junger Mann. Er singt | |
„Valerie“ von Amy Winehouse. Die Menge davor ist gemischt: Senior:innen, | |
junge Familien mit Kindern und Jugendliche. Sie sind beim „[2][Marsch für | |
das Leben]“. Dieser richtet sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und | |
Sterbehilfe. Unter den Demonstrant:innen sind Abtreibungsgegner:innen, | |
konservative Politiker:innen, christliche Fundamentalist:innen, aber in den | |
letzten Jahren vermehrt auch Ultrarechte. Auch in diesem Jahr beteiligt | |
sich wieder die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, außerdem ein | |
Trump-Unterstützer und Vertrauter des argentinischen Präsidenten Javier | |
Millei. Ein Mädchen trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Jesus“. | |
Luftballons und Schilder mit Aufschriften wie „Das Leben ist schön“ oder | |
„Frauenrechte beginnen im Mutterleib“ werden verteilt. | |
Der Marsch bedient sich auch dieses Jahr der bekannten Slogans und Motive. | |
Neben der Bühne stehen weiße Holzkreuze. Die Abtreibungsgegnerin Alicia | |
Düren sagt auf der Bühne unter Tränen, dass jeden Werktag 400 Kinder in | |
Deutschland getötet würden. Schwangere müssten sich gegen Abtreibung | |
entscheiden, egal wie schwierig die Umstände seien. Durch das Brandenburger | |
Tor dringen das Pfeifen und die Rufe der Gegenseite. | |
Die Abtreibungsgegner:innen kritisieren unter anderem die „Bannmeile“ | |
um Abtreibungskliniken und Schwangerschaftskonfliktberatungen, die der | |
Bundestag im Juli beschlossen hat. Sie soll verhindern, dass | |
Abtreibungsgegner:innen sich rund um diese Einrichtungen den | |
Schwangeren aufdrängen oder sie bedrohen. | |
Nun soll es eine Schweigeminute für alle „abgetriebenen Kinder“ geben. Es | |
ist kaum still geworden, da rufen aus der Menge plötzlich drei junge | |
Frauen: „My Body, my Choice, raise your Voice!“ Sie haben sich von der | |
Gegendemo untergemischt. Ältere Frauen vom „Marsch für das Leben“ gehen a… | |
sie zu und sehen aus, als wollten sie, ihnen die Münder zuzuhalten. Dann | |
werden die Gegendemonstrant:innen von der Polizei weggeleitet. | |
## Gegendemonstrant:innen stören den Marsch | |
Kurz danach setzt sich der „Marsch für das Leben“ in Bewegung. Eine | |
Sprecherin der Polizei spricht von bis zu 2000 Demonstrant:innen. Der Zug | |
ist noch nicht weit gekommen, da bildet sich eine Sitzblockade der | |
Gegendemonstrant:innen mitten unter den Leuten des Marsches. Sie | |
rufen Sprechgesänge und tragen pinke und lilafarbene Regenschirme. | |
Als der „Marsch für das Leben“ zurück am Brandenburger Tor angelangt ist, | |
kommt es bei der Abschlusskundgebung zu einer weiteren Protestaktion: | |
Während ein Bischof des Berliner Erzbistums mit den | |
Abtreibungsgegner:innen Kirchenlieder singt, stürmen einige | |
Gegendemonstrant:innen die Bühne. | |
Vorher war die Demo der Gegendemonstrant:innen vom Bündnis für | |
sexuelle Selbstbestimmung (BfsS) vom Brandenburger Tor zum Bebelplatz | |
gelaufen. An dem Protest beteiligten sich auch die „[3][Omas gegen | |
rechts]“. „Es ist ganz klar, dass wenn die Rechten stärker werden, zuerst | |
die Frauenrechte beschnitten werden“, sagt Angelika Krüger von der Berliner | |
Ortsgruppe. Das sehe man in vielen Ländern. „Wir haben heute schon mehrmals | |
gehört, dass zwei Drittel der Menschen in Deutschland für die Abschaffung | |
von Paragraph 218 sind. Aber wo sind die heute?“, fragt Krüger. | |
22 Sep 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Marie Sophie Hübner | |
Louise Ringel | |
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