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# taz.de -- Tod des Kreml-Kritikers Nawalny: Gift statt Herzversagen
> Im Fall des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny sind neue Dokumente
> aufgetaucht. Diese lesen sich ganz anders, als die offizielle Version.
Bild: Julia Nawalnaja bei einem Gottesdienst für ihren verstorbenen Ehemann Al…
Moskau taz | „Herzversagen nach einem Kreislaufkollaps“, hatten die
Behörden auf den Totenschein geschrieben. Die Leiche des russischen
Oppositionspolitikers Alexei Nawalny hielten sie tagelang zurück. [1][Es
war Nawalnys Mutter, Ljudmila Nawalnaja, die auch nach dem Tod ihres Sohnes
wie eine Löwin für den Sohn kämpfte und bürokratische Gefechte mit den
Behörden austrug], bis die Familie ihn am 1. März dieses Jahres beerdigen
konnte. Der Totenschein hatte bereits damals Kopfschütteln ausgelöst. Einer
wie Nawalny könne nicht einfach so umfallen und sterben, sagten nicht nur
seine Anhänger*innen.
Am 16. Februar 2024 war der Kreml-Kritiker in der Strafkolonie „Polarwolf“
im Dörfchen Charp hinter dem Polarkreis zusammengebrochen. „Alexei Nawalny
ist in der Strafkolonie gestorben“, lauteten die Eilmeldungen. Ermordet
worden sei er, betonten seine Anhänger*innen, Weggefährten, Hinterbliebene.
Ob nun direkt oder indirekt getötet, denn allein die Haftbedingungen in
einem der härtesten Lager des Landes waren auf die Vernichtung der Person
Nawalny ausgelegt.
Er aber trat auch noch einen Tag vor seinem Ableben per Videoschalte in
einem Gerichtsprozess auf und führte die Staatsführung und die Justiz vor.
[2][Und dann soll einfach sein Kreislauf nicht mehr mitgespielt haben? Ein
Blutgerinnsel zum Tod geführt haben, wie Russlands Propagandist*innen
fast schon genüsslich verbreiteten?]
An dieser Version hatte es von Anfang an Zweifel gegeben, zumal Nawalnys
Witwe Julia, längst nicht mehr in Russland, angab, ihr Mann habe in den
letzten Minuten seines Lebens über starke Bauchschmerzen geklagt.
## Erbrechen und Krämpfe
Auf diese Bauchschmerzen weisen aufgetauchte offizielle Dokumente hin, an
die das exilrussische Rechercheportal The Insider gelangt ist. Es sind
offenbar hunderte Seiten aus den Ermittlungsakten zum Tod Nawalnys. In
einer Version steht da, Nawalny habe bei einem Hofgang über starkes
Bauchweh geklagt, sei dann in seine Zelle zurückgeführt worden, habe sich
auf den Boden gelegt, erbrochen und Krämpfe bekommen. Die
Wiederbelebungsversuche in der Sanitätsabteilung seien erfolglos gewesen.
Vom Erbrochenen und Essen seien Proben genommen worden. Unterschrieben sind
die Dokumente vom Ermittlungsbeamten Alexander Warapajew. Wie auch die
Dokumente, die dieser später der Familie überreichte, nun mit der
offiziellen Version, in der sich weder Erbrechen noch Krämpfe finden.
Nach Ausführungen des Arztes Alexander Polupan, der 2020 zum russischen
Ärzteteam gehörte, das Nawalny nach seiner Vergiftung mit Nowitschok in
Omsk untersuchte, sprechen die Symptome in der Strafkolonie von Charp für
eine weitere Vergiftung Nawalnys. Offenbar aus der Kategorie der
organischen Phosphorverbindungen, zu der auch Nowitschok gehört, wie
Polupan The Insider mitteilte.
Alle Ausführungen über die letzten Lebensminuten Nawalnys und die
entnommenen Proben seien aus späteren Dokumenten verschwunden, schreibt The
Insider. Warapajew, der sich tagelang weigerte, Nawalnys Leiche
herauszugeben, hatte Julia Nawalnaja in diesem Sommer mitgeteilt, dass
keine Hinweise auf Gewalteinwirkungen vorlägen.
Für die Behörden war der Fall Nawalny damit abgeschlossen. Für sie stand
fest, dass der 47-Jährige nach einem Bluthochdruckschub an
Herzrhythmusstörungen gestorben sei. Viele chronische Erkrankungen hätten
dazu geführt. Julia Nawalnaja hatte diese Erklärungen zurückgewiesen, da
bei ihrem Mann all die aufgeführten Krankheiten nie diagnostiziert worden
seien. Nun will The Insider weiter recherchieren und die an dem Tod
Beteiligten ausfindig machen.
4 Oct 2024
## LINKS
[1] /Nach-dem-Tod-von-Alexei-Nawalny/!5992935
[2] /Russischer-Dissident-Alexei-Nawalny-tot/!5992745
## AUTOREN
Inna Hartwich
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