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# taz.de -- Leichnam von Alexei Nawalny: Ein niederträchtiges Schauspiel
> Nach tagelanger Suche hat die Mutter des russischen Oppositionspolitikers
> seinen Leichnam sehen können. Wie er bestattet wird, bestimmen die
> Behörden.
Bild: Die Mutter des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny steht vor de…
Moskau taz | Tagelang war sie von einem Ort im eisigen Nordwestsibirien zum
nächsten gefahren, von der Strafkolonie, zur Klinik, zum Leichenschauhaus.
Ihren Sohn, den in der russischen „Besserungskolonie Nummer 3“ hinterm
Polarkreis plötzlich verstorbenen russischen Oppositionspolitiker Alexei
Nawalny, hatte Ljudmila Nawalnaja zunächst dennoch nicht gefunden. Hat ihn
nicht finden dürfen.
Am Donnerstagabend ging es dann offenbar ganz schnell: „Heimlich brachten
sie mich in die Leichenhalle, wo sie mir Alexei zeigten“, [1][sagte sie in
einer eineinhalbminütigen Videobotschaft] danach. Das niederträchtige
Schauspiel um den Leichnam des Mannes, der vor drei Jahren einen
Giftanschlag russischer Geheimdienste überlebt hatte und dessen Namen der
russische Präsident Wladimir Putin nie in den Mund nimmt, spielt das Regime
jedoch weiter.
„Ich habe die Sterbeurkunde unterschrieben, in der steht, dass Alexei eines
natürlichen Todes gestorben ist. Laut Gesetz hätten sie mir sogleich den
Leichnam übergeben müssen. Doch das haben sie bisher nicht getan.“
Stattdessen werde ihr gedroht, sagte Ljudmila Nawalnaja. „Die Zeit spielt
gegen Sie“, habe ihr ein Ermittler gesagt, der Körper verwese. Sie werde
erpresst: Stimme sie den Bedingungen der Behörden nicht zu, würden diese
„etwas mit dem Leichnam meines Sohnes anstellen.“
Sie solle eine geheime Bestattung ihres Sohnes akzeptieren, hieß es am
Donnerstag. „Sie wollen mich an den Rand eines Friedhofs bringen, in die
Nähe eines frischen Grabes und mir sagen:,Hier ruht Dein Sohn'. Ich bin
damit nicht einverstanden,“ sagte sie im Video.
## „Putin, du zerstörst traditionelle Werte“
Nach russisch-orthodoxem Glauben – und Nawalny war ein tiefgläubiger Mensch
– ist es Usus, den Toten nach drei Tagen zu beerdigen. [2][Die Bitten der
Familie aber schlugen die Behörden aus]. Sie hören auch nicht die Hilferufe
russischer Oppositioneller, Sänger*innen, Schauspieler*innen, Tänzer*innen,
Journalist*innen, den toten Sohn seiner Mutter zu übergeben.
„Traditionelle Werte? Du Putin zerstörst diese traditionellen Werte, die du
so anpreist“, sagte die Sängerin Nadeschda Tolokonnikowa – einst nach ihrem
Punk-Gebet mit der Band „Pussy Riot“ in der größten Kirche Russlands zu
mehrjähriger Haft verurteilt – in einer Videobotschaft. [3][Das Regime
verhöhne die Hinterbliebenen], demütige sie, auch über Nawalnys Tod hinaus,
ist fast jeder solchen Bitte zu entnehmen.
Putin gibt sich derweil vollkommen gelassen und gratulierte am Freitag den
„Kämpfern der militärischen Spezialoperation“. „Sie sind echte Volkshel…
Ihnen gehört die wahre Liebe unseres Volkes“, sagte er in einer
Fernsehbotschaft. Russland feiert am 23. Februar seinen „Tag des
Vaterlandsverteidigers“, es ist ein arbeitsfreier Tag, die Mädchen haben im
Kindergarten für die Jungen aus ihrer Gruppe Panzer aus
Streichholzschachteln gebastelt, die Väter bekommen selbstgemalte Porträts
ihrer Kinder überreicht. Diese sowjetische Tradition, die Armee zu
verehren, war nie verschwunden aus Russland.
Die Behörden, die sich stets stark und siegesgewiss geben, zittern offenbar
vor der Beerdigung Nawalnys. „Sie sagen das offen: Wir haben Angst, dass
das Leichenhaus gestürmt wird. Deshalb müsse alles im Verborgenen
stattfinden“, sagte Iwan Schdanow, der Leiter von Nawalnys
Antikorruptionsstiftung FBK, in einer YouTube-Sendung.
Wann, wie und wo Nawalny beerdigt wird, ist weiterhin unklar.
23 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=w2iysafhiXM
[2] /Nach-dem-Tod-von-Alexei-Nawalny/!5992800
[3] /Umgang-des-Kremls-mit-Nawalnys-Tod/!5990214
## AUTOREN
Inna Hartwich
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