# taz.de -- Kohle-Aus in Großbritannien: Das Ende einer Ära des Kapitalismus | |
> Der deutsche Energiekonzern Uniper macht das Licht aus: Mit dem Kraftwerk | |
> Ratcliffe-on-Soar schließt das letzte Kohlekraftwerk Großbritanniens. | |
Bild: Die Schlote des Kohlekraftwerks Ratcliffe-on-Soar werden künftig keine T… | |
Berlin taz | In Großbritannien geht an diesem Montag ein Zeitalter zu Ende: | |
Mit dem Kraftwerk in Ratcliffe-on-Soar wird das letzte Kohlekraftwerk im | |
Land abgeschaltet. Ausgerechnet hier, im [1][Mutterland des Kapitalismus]: | |
Das weltweit erste Kohlekraftwerk ging 1882 in London in Betrieb. Die neue | |
Technologie verbesserte die Produktivität erheblich und half, die | |
ökonomische Macht des Empire auszubauen. In seiner Hochzeit produzierte | |
Großbritannien mehr als 80 Prozent seines Stroms aus Kohle. | |
Bezeichnenderweise ist es ein deutsches Unternehmen, das bis zum Schluss an | |
der Kohle in UK festgehalten hat. Uniper ist 2016 aus Eon hervorgegangen, | |
der ehemals größte Fossilkonzern Europas gründete damals all seine | |
schmutzigen Kraftwerke aus. 2022 geriet Uniper in wirtschaftliche | |
Schieflage, die Bundesregierung musste mit 15 Milliarden Euro Steuergeld | |
einspringen, seitdem befindet sich Uniper im Staatsbesitz. Und obwohl die | |
Bundesregierung in den Sonntagsreden Klimaschutz propagiert, betreibt | |
Uniper immer noch Kohlekraftwerke in Deutschland, beispielsweise die | |
Kraftwerke Staudinger und Datteln. | |
In Großbritannien ist die Kohle längst unwirtschaftlich. 2008 beschloss die | |
Regierung den Climate Change Act, das erste nationale Klimaschutzgesetz der | |
Welt. Um dieses umzusetzen, wurde bereits 2013 eine CO2-Steuer eingeführt: | |
Kraftwerke, die klimaschädliches Kohlendioxid produzieren, müssen dafür | |
zahlen. Die Energiekonzerne stiegen in rasantem Tempo aus: Waren 2010 noch | |
21 Kohlekraftwerke am Netz, so sank die Zahl vor fünf Jahren auf 6. Heute | |
nun gehen die letzten gigantischen Kühltürme des Kraftwerks | |
Ratcliffe-on-Soar in Mittelengland aus. | |
Allerdings macht das Großbritannien nicht automatisch zum Vorreiter im | |
Klimaschutz. Die Briten haben jahrelang versäumt, die erneuerbare Energien | |
auszubauen. Während in Deutschland der Ausbau durch das | |
[2][Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)] vorangetrieben wurde, setzten die | |
Briten auf ein Quotenmodell, bei dem der Staat Projekte für Sonne und Wind | |
ausschrieb. Erst als die Regierung ebenfalls auf eine Art EEG setzte, ging | |
der Ausbau in Großbritannien voran: Die Erneuerbaren decken heute 43 | |
Prozent des Strombedarfs, in Deutschland waren es im ersten Halbjahr mehr | |
als 60 Prozent. In Deutschland gilt nun aber auch ein Quotenmodell, unter | |
anderem deshalb wird 2024 nicht einmal die Hälfte des regierungsamtlichen | |
Ausbauziels bei der Windkraft geschafft. | |
## Labour will Stromversorgung bis 2030 dekarbonisieren | |
32 Prozent der Elektrizität Großbritanniens werden aus fossilem Gas | |
hergestellt, Atomstrom liefert zwölf Prozent, der Rest wird importiert. | |
Immerhin hat die neue Labour-Regierung als Priorität ausgegeben, | |
„Supermacht in sauberer Energie“ zu werden. Demnach soll die Stromerzeugung | |
bis 2030 komplett dekarbonisiert werden – fünf Jahre eher, als es die | |
konservative Vorgängerregierung angepeilt hatte. Um das zu erreichen, hat | |
die Regierung GB Energy gegründet, einen neuen Staatskonzern, der saubere | |
Energieprojekte voranbringen soll. | |
Trotzdem setzt Großbritannien weiter auf Atomkraft. Zum Beispiel mit dem | |
[3][AKW Hinkley Point C]: 2017 begannen in Südwest-England die Bauarbeiten, | |
die Kosten haben sich von 21 Milliarden auf rund 38 Milliarden fast | |
verdoppelt. Damit wird das AKW das teuerste der Welt und nie Gewinn | |
abwerfen. | |
30 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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