# taz.de -- Parteichefin über Volt-Erfolg in Hamburg: „Es geht nicht gegen d… | |
> Der Erfolg von Volt bei den Hamburger Bezirkswahlen kam überraschend. | |
> Landesvorsitzende Kira Kristin Junge peilt jetzt die Bürgerschaft an. | |
Bild: Themen-Kopplung: Das Zusammentreffen von Europa- und Bezirkswahl hat Volt… | |
taz: Frau Junge, Sie sind mit Volt in fünf Hamburger Bezirksversammlungen | |
eingezogen. Hatten Sie damit gerechnet? | |
Kira Kristin Junge: Dass wir direkt überall in Fraktionsstärke einziehen, | |
ist eine Überraschung. Wir haben jetzt eine Aufgabe, mit der wir Mitte Mai | |
noch nicht gerechnet haben. | |
taz: Woran lag es? | |
Junge: Es hat uns geholfen, dass wir die Bezirkswahl [1][zusammen mit der | |
Europawahl] haben, weil wir als Europa-Partei wahrgenommen werden und damit | |
eine Themen-Kopplung stattgefunden hat. Wir haben Wähler:innen im | |
demokratischen Spektrum, im Mitte-links-Bereich, eine Alternative geboten. | |
Wir waren unglaublich viel auf der Straße und im Gespräch mit Bürger:innen. | |
Das hat, denke ich, sehr viel Vertrauen aufgebaut. | |
taz: Sie hatten ja auch eingängige Slogans wie „Für mehr Eis“. | |
Junge: Dabei ging es natürlich im Subtext um Gletschereis. Das Plakat hat | |
sich auf den Klimanotstand bezogen und darauf, dass wir dort dringend in | |
Aktion treten müssen – ein klares Statement für mehr Klimaschutz und | |
Umweltschutz. Und für neue Wege in der politischen Kommunikation. | |
taz: Und jetzt stecken Sie in Hamburg Nord plötzlich in | |
Koalitionsgesprächen mit SPD, CDU und FDP. Geht das alles gerade sehr | |
schnell? | |
Junge: Ja, die [2][SPD hat uns Gespräche angeboten]. Weil wir angetreten | |
sind für konstruktive, themenbezogene Zusammenarbeit in den Bezirken, haben | |
wir die Gespräche erst mal nicht abgelehnt, aber auch ganz klare rote | |
Linien formuliert. Mit denen nehmen wir an den Gesprächen teil – und zwar | |
nur so lange, wie wir nicht komplett gegen unsere Programmatik handeln | |
müssen. Wenn wir keine Einigung finden, dann gehen wir. | |
taz: Ihr Hamburger Programm ist sehr weitgehend mit dem der Grünen | |
kompatibel. Trotzdem arbeiten Sie an einer Mehrheit gegen die Grünen, die | |
die stärkste Fraktion stellen. Warum? | |
Junge: Für uns ist es kein „gegen die Grünen“. In vielen Teilen der | |
Programmatik sind wir definitiv ähnlich aufgestellt. Es ist nicht alles das | |
Gleiche, aber man sieht die Schnittmenge. Aber wie Konstellationen zustande | |
kommen können, mit oder ohne die Grünen oder wie auch immer, liegt nicht in | |
unserer Hand. Wir können nur versuchen, bestmöglich unsere Themen | |
einzubringen, zu schauen, ob es dafür reicht und ob man damit irgendwie | |
Kooperationen und Kompromisse schaffen kann oder eben nicht. Wir können ja | |
keine Mehrheit mit den Grünen aus dem Hut zaubern. | |
taz: Mehrere Bezirksbündnisse der Grünen scheinen gescheitert, weil CDU und | |
SPD bei der Verkehrswende nicht mitziehen wollten. Werden Sie es damit | |
leichter haben, aus der Junior-Position? | |
Junge: Wir haben andere Schnittmengen mit den anderen Parteien, und | |
vielleicht lässt sich dadurch dann auf einer anderen Ebene kommunizieren. | |
Aber das ist etwas, was wir jetzt rauszufinden haben: Haben wir die | |
Möglichkeit, unsere Themen zu platzieren, oder werden wir nur | |
hereinkomplimentiert? Entsprechend werden wir uns in den Gesprächen | |
verhalten. | |
taz: Das heißt, die Chance des Scheiterns ist real. | |
Junge: Genau, wir gehen ergebnisoffen rein, aber das ist natürlich auch | |
kein Versprechen, dass es funktioniert. Wenn die Gespräche nicht zeigen, | |
dass es die Möglichkeit für Kooperation und Kompromiss gibt, dann sind wir | |
auch nicht dabei. | |
taz: Was für Rückmeldungen bekommen Sie von Ihrer Basis zu den | |
Verhandlungen? | |
Junge: Das ist sehr unterschiedlich. Wenn man die Möglichkeit hat, das zu | |
erklären, dann erzeugt das auch durchaus Verständnis. | |
taz: Passt das zum Selbstverständnis von Volt als unideologische Partei? | |
Junge: Ja. Auf kommunaler Ebene gibt es eine Menge Themen, bei denen wir zu | |
den Grünen passen. Aber wir haben auch andere Themenbereiche. Etwa die | |
Digitalisierung oder die Förderung des Einzelhandels. Deswegen werden | |
gerade in der Start-up- und Selbstständigen-Szene Hoffnungen in uns | |
gesetzt. Darüber müssten wir mit den Grünen nicht streiten. Inhabergeführte | |
Geschäfte und kleinteilige, diverse Ladenbereiche sind nichts | |
Superkontroverses. Aber den Fokus oder auch das Augenmerk darauf zu legen, | |
ist noch mal was anderes. | |
taz: Rechnen Sie damit, im kommenden Jahr auch in die Hamburger | |
Bürgerschaft einzuziehen? | |
Junge: Damit zu rechnen, wäre vermessen. Aber wenn wir antreten, dann haben | |
wir auch das Ziel einzuziehen. Bei uns wird gerade ein Wahlprogramm | |
geschrieben, wo jetzt schon total viele, starke Ideen drin stehen. Und ich | |
habe Bock drauf, die auf die Straße zu bringen. Dann werden wir sehen, ob | |
das reicht. Die fünf Prozent in den Bezirken haben auf jeden Fall gezeigt, | |
dass es nicht unmöglich ist. | |
taz: Könnten Sie dann auch bei der Senatsbildung den Königsmacher geben? | |
Junge: Erst mal müssen wir einziehen, und dann kann man sich überlegen, ob | |
man dafür in einer Konstellation zur Verfügung stehen kann. | |
taz: Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt gut, wenn so ganz junge Parteien | |
gleich in die Regierungsverantwortung kommen, wie jetzt [3][vielleicht das | |
BSW in Thüringen]? | |
Junge: Ich würde noch mal einen großen Unterschied zwischen dem BSW und uns | |
machen. Wir werden jetzt zum zweiten Mal zur Bürgerschaft antreten. Unsere | |
Programmatik ist deutlich weiter als die vom BSW. Beim BSW habe ich bisher | |
noch keine größere Programmatik lesen können. Die Frage ist, wie | |
zuverlässig eine junge Partei in Regierungsverantwortung sein kann. Die | |
müssen wir uns auch stellen, wenn wir einziehen. | |
12 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Volt-holt-drei-Sitze-bei-EU-Wahl/!6016753 | |
[2] /Vier-Parteien-Buendnis-gegen-Gruene/!6028348 | |
[3] /Brombeerkoalitionen-aus-CDU-und-BSW/!6032265 | |
## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
## TAGS | |
Partei Volt | |
Hamburg | |
Bezirkswahlen Hamburg | |
Bezirksversammlung | |
Grüne Hamburg | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Verkehrswende | |
Partei Volt | |
Hamburg | |
SPD Hamburg | |
Hamburg | |
Bezirke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kleinparteien vor der Bundestagswahl: Volt setzt auf die U30 | |
Volt will in den Bundestag einziehen, als unverbrauchte Alternative. Ein | |
Politikwissenschaftler ist da skeptisch – der Partei fehle es an Themen. | |
Mobilitätswende in Hamburger Bezirken: Zurück in die Auto-Zukunft | |
Ein Bündnis warnt vor der Wende zur autogerechten Stadt in Hamburg-Nord. Im | |
Nachbarbezirk Wandsbek werden schon Poller für mehr Parkplätze | |
rausgerissen. | |
Bezirkspolitik in Hamburg: Volt vollzieht die Wende | |
Die junge Partei steigt aus den Koalitionsverhandlungen in Hamburg-Nord | |
aus. Grund seien „wesentliche Differenzen“ in der Mobilitätspolitik. | |
Hamburger Ex-Linke gründen Liste: Immer mehr linke Angebote | |
In Hamburg wollen drei frühere Linken-Abgeordnete mit einer neuen Liste in | |
die Bürgerschaft. Ob sie Chancen haben, liegt auch daran, was das BSW tut. | |
Regierungsbildung in Hamburg-Harburg: Nonstop Nonsense | |
In Hamburg-Harburg soll eine neue Bezirksamtsleitung gewählt werden. | |
Abtrünnige SPDler und ein belauschtes Gespräch beim Friseur erschweren das | |
stark. | |
Vier-Parteien-Bündnis gegen Grüne: Ex-Partner will nicht mehr | |
Bei der Hamburger Kommunalwahl blieben die Grünen trotz Verlusten stärkste | |
Kraft im Bezirk Nord. Doch die SPD sucht neue Bündnispartner. | |
Volt in Hamburger Bezirksparlamenten: „Durchaus ein Gesprächspartner“ | |
Volt zog in fünf Hamburger Bezirksversammlungen ein und ist in dreien | |
möglicher Koalitionspartner. Die Partei wirkt wie die kleine Schwester der | |
Grünen. |