Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Leistungen für Dublin-Flüchtlinge: Das eigentliche Problem übers…
> Die Ampel will Dublin-Geflüchteten alle Leistungen streichen. Doch das
> wird nichts bringen, da die eigentlich zuständigen EU-Staaten
> Abschiebungen verhindern.
Bild: Geflüchtete verlassen die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen am Stando…
Die Ampel-Koalition will Leistungen für Dublin-Flüchtlinge in vielen Fällen
auf null reduzieren. Das ist einer der wesentlichen Punkte [1][des
sogenannten Sicherheitspakets, das die Ampel-Koalition am
Donnerstagnachmittag vorstellte].
Von Dublin-Flüchtlingen spricht man, wenn ein Flüchtling nach den
Dublin-Regeln der EU Anspruch auf ein Asylverfahren in einem anderen
EU-Staat hat, insbesondere weil er dort erstmals EU-Boden betrat. Dann muss
er in diesen Staat zurückkehren.
Die Koalition hat nun beschlossen, dass Asylsuchende in Deutschland keinen
Anspruch mehr auf Sozialleistungen haben, sobald der eigentlich zuständige
Staat der Rücküberstellung zugestimmt hat. Justizminister Marco Buschmann
(FDP) hofft, dass Betroffene dann freiwillig in das zuständige Land
ausreisen.
Buschmann hatte bereits Ende 2023 gemeinsam mit FDP-Chef Christian Lindner
gefordert, dass Dublin-Flüchtlinge nur noch die Fahrkarte in den
zuständigen EU-Staat erhalten sollen.
## Bett, Brot und Seife ist bereits aktuelle Praktik
Manche Medien berichten nun, dass ausreisepflichtige Dublin-Flüchtlinge nur
noch „Bett, Brot und Seife“ bekommen sollen. Das ist wohl ein
Missverständnis. Die Reduzierung der Leistungen für ausreisepflichtige
Dublin-Flüchtlinge auf Essen, Unterkunft sowie „Körper- und
Gesundheitspflege“ ist bereits derzeitige Rechtslage. Nur bei besonderen
Umständen können auch weitergehende Leistungen für den persönlichen Bedarf
gewährt werden. Diese bereits 2015 eingeführte Kürzungsmöglichkeit wird von
den Ausländerbehörden auch genutzt.
Bei der nun geplanten Reform geht es tatsächlich um einen völligen
„Ausschluss“ der Leistungen. Wie dies in der Praxis dann aussehen wird, ist
allerdings noch offen. Faktisch wird wohl niemand hungern müssen, aber dann
vielleicht nur noch Sachleistungen für Obdachlose erhalten. Aber das ist
derzeit noch Spekulation.
## Wahrscheinlich rechtmäßig
Die Organisation Pro Asyl hat die Pläne der Koalition massiv kritisiert,
sie seien „absehbar verfassungswidrig“. Zu Recht weist Pro Asyl darauf hin,
dass Sozialleistungen nicht zur bloßen Abschreckung gestrichen oder
willkürlich gekürzt werden dürfen.
Allerdings geht es hier nicht um abstrakte Abschreckung, sondern um
Durchsetzung der geltenden Dublin-Regeln. Flüchtlinge haben danach in der
EU zwar Anspruch auf ein Asylverfahren, können sich aber den Zielstaat
nicht aussuchen. Es dürfte daher nicht verfassungswidrig sein, Asylsuchende
darauf zu verweisen, dass sie in anderen EU-Staaten Anspruch auf Ernährung
und Unterkunft haben.
So hat das Gericht bereits 2022 in einem anderen Fall erklärt, dass der
Gesetzgeber von Asylsuchenden durchaus verlangen kann, „an der Überwindung
ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit
gar nicht erst eintreten zu lassen“. Dazu passt auch die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV-Sanktionen von 2019. Danach können
die Sozialleistungen ausnahmsweise vollständig versagt werden, wenn die
„Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit“ abgelehnt wird. Denn damit
habe es der Bedürftige in der Hand, seine menschenwürdige Existenz selbst
zu sichern.
## Die Reform wird kaum etwas ändern
Das eigentliche Problem [2][ist das Dublin-System selbst], wonach
Deutschland fast nie für Asylverfahren zuständig wäre, weil es keinerlei
EU-Außengrenzen hat. Das ist offensichtlich ungerecht und es ist deshalb
gut nachvollziehbar, dass die EU-Staaten, die an den EU-Außengrenzen
liegen, das Dublin-System unterlaufen, wo es geht.
Da die Streichung der Sozialleistungen für Dublin-Flüchtlinge zu Recht an
die konkrete Aufnahmebereitschaft des zuständigen EU-Staats geknüpft ist,
wird es also wohl auch künftig viele Dublin-Flüchtlinge geben, die in
Deutschland bleiben können und auch versorgt werden – weil nicht sie die
Überstellung verhindern, sondern der zuständige EU-Staat.
31 Aug 2024
## LINKS
[1] /Neues-Asylpaket/!6029267
[2] /Asylrecht-in-der-Europaeischen-Union/!5979217
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Migration
Ampel-Koalition
Solingen
Dublin-System
GNS
Migration
Migration
Schwerpunkt Afghanistan
Wahlen in Ostdeutschland 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Migrationspolitik in der EU: Europas Wartesaal
Das Flüchtlingslager auf der Insel Kos gilt als Blaupause für die neue
europäische Migrationspolitik. Die zeigt: Das Konzept ist zum Scheitern
verdammt.
Migrationspolitik der Ampel: Fortschrittskoalition is over
Eine härtere Asylpolitik hilft nicht gegen islamistischen Terror. Doch die
Ampel will den Rechten zeigen, dass sie auch etwas gegen Ausländer hat.
Afghanistan wieder Abschiebeziel: Abflug zu den Taliban
28 Personen wurden am Freitag überraschend nach Afghanistan ausgewiesen.
Die Frage, was sie verbrochen haben, lässt die Bundesregierung
unbeantwortet.
Abschiebedebatte nach Solingen: Die AfD regiert
Thüringen und Sachsen wählen erst am Sonntag neue Landtage. Doch die AfD
regiert schon längst: Sie bestimmt das politische Handeln der
demokratischen Parteien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.