| # taz.de -- Beraterin über gerechte Verkehrsplanung: „Frauen fahren weniger … | |
| > Gendergerechte Verkehrsplanung bedeutet, die Bedürfnisse aller | |
| > Beteiligten in den Blick zu nehmen. Juliane Krause hilft Kommunen, das | |
| > umzusetzen. | |
| Bild: Wenn nicht mehr aller Platz dem Auto gehört: Fahrradstraße im Berliner … | |
| taz: Frau Krause, was hat Mobilität mit Geschlecht zu tun? | |
| Juliane Krause: Die Wahl des Verkehrsmittels ist abhängig vom Geschlecht. | |
| Das zeigen bundesweite Erhebungen. Frauen gehen mehr zu Fuß, nutzen mehr | |
| die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus und Bahn und fahren weniger Auto, | |
| sind dafür öfter Beifahrerinnen. Mit dem Rad sind sie ungefähr gleich | |
| unterwegs. | |
| taz: Warum ist das so? | |
| Krause: Männer besitzen im Schnitt häufiger ein Auto als Frauen. Der Anteil | |
| der Pkw-Halterinnen beträgt circa 33 Prozent. Das hat mit dem Einkommen zu | |
| tun, das bei Männern in der Regel höher ist. Alleinerziehende – das sind | |
| immer noch mehr Frauen als Männer – können sich nicht unbedingt ein Auto | |
| leisten. Weil Frauen immer noch viel Haus- und Familienarbeit übernehmen, | |
| sind ihre Wege häufig komplexer. | |
| taz: Was meinen Sie damit? | |
| Krause: Die sogenannten komplexen Wegeketten haben Menschen, die neben der | |
| Erwerbstätigkeit auch noch Haus- und Familienarbeit machen. Einfache Wege | |
| sind: von zu Hause zur Arbeit, danach eventuell noch Einkaufen oder zum | |
| Sport, zurück nach Hause. Komplexer wird es, wenn zwischen zu Hause und | |
| Arbeit Kind eins in die Kita und Kind zwei in die Schule gebracht werden | |
| müssen, das Einkaufen in der Mittagspause passieren muss und nach der | |
| Arbeit die Kinder wieder eingesammelt werden. Die Wege in der Freizeit sind | |
| bei Männern und Frauen etwa gleich. Die Wege, die wir als Care-Wege | |
| bezeichnen, haben eben vermehrt Frauen. Dafür müssen die Verkehrssysteme | |
| ausgerichtet sein. | |
| taz: Geschlechtergerechtigkeit muss also ein Kriterium in der | |
| Verkehrspolitik sein? | |
| Krause: Es geht nicht nur um die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen, | |
| sondern auch von anderen Gruppen wie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen | |
| oder Behinderungen, Kinder und Jugendliche. Eben Gruppen, die nicht | |
| unbedingt über einen eigenen Pkw verfügen. Deren Mobilität zu sichern, muss | |
| Prinzip bei der Planung sein. | |
| taz: Ist das schon so? | |
| Krause: Es ist nicht die höchste Priorität. Aber es dreht sich langsam. | |
| Denn auch die Pläne zum [1][Klimaschutz] im Verkehr stärken ja Rad-, | |
| Fußverkehr und ÖPNV. Das kommt diesen Gruppen zugute. | |
| taz: Wo hakt es noch? | |
| Krause: In den entscheidenden Positionen sitzen Leute, die diese einfachen | |
| Wegeketten haben; Männer zwischen 40 und 60, die mit dem Auto zur Arbeit | |
| und zurück fahren. Die machen eher [2][autozentrierte Planung]. Männer | |
| haben manchmal ein Aha-Erlebnis, wenn sie den Kinderwagen schieben und | |
| merken, dass der Bordstein nicht abgesenkt oder die Ampelphase zu kurz ist. | |
| taz: Die Studie, die Sie in Bremerhaven vorstellen, thematisiert auch das | |
| Sicherheitsgefühl von Frauen im öffentlichen Raum. | |
| Krause: Die Studie zeigt, dass Angst im öffentlichen Raum ein spezifisches | |
| Thema für Frauen ist. Es ist zwar so, dass mehrheitlich junge Männer | |
| angegriffen werden, aber Frauen Angst haben vor Anmache und möglichen | |
| sexuellen Übergriffen. Sie meiden abends und nachts bestimmte Räume. Es ist | |
| ein nicht freiwilliger Verzicht auf [3][Mobilität]. | |
| taz: Was bedeutet das für die Verkehrsplanung? Ist es ihre Aufgabe, darauf | |
| Rücksicht zu nehmen? | |
| Krause: Für die [4][Verkehrsplanung] bedeutet das, dass auf das subjektive | |
| Sicherheitsempfinden von Frauen Rücksicht genommen werden muss und die | |
| öffentlichen Räume dementsprechend gestaltet werden müssen: gut erreichbar, | |
| gut beleuchtet, einsehbar, keine dunklen Ecken. | |
| 12 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Götz | |
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