# taz.de -- Mückenplage im Klimawandel: Gegen Mücken-Summen | |
> Sprays, Ultraschall, Duftstoffe: Auf dem Markt gibt es viele | |
> Anti-Mücken-Mittel. Zwei Expert*innen verraten, wie sie wirken. Und | |
> helfen sie wirklich? | |
Bild: Frau schützt Kind mit Mückenspray bei Spaziergang | |
Für Stechmücken ist das Jahr 2024 ein Paradies, denn das feucht-milde Klima | |
bietet ihnen ideale Brutbedingungen. Mückenweibchen legen ihre Eier in | |
stehenden Gewässern ab: in Pfützen, Regentonnen und ungenutzten | |
Planschbecken. Diese wurden dieses Jahr zuverlässig mit Regenwasser | |
gefüllt. | |
Schon im April ging es los, einige Wochen früher als sonst. Vertraut man | |
mittelfristigen Wetterprognosen, bleibt es auch bis Ende September warm und | |
zeitweise regnerisch. Die Mücken haben uns in den vergangenen Jahren immer | |
länger begleitet, das wird sich also auch in diesem Jahr nicht ändern. | |
Wer sich an Seen oder Flüssen aufhält, heftig auf Mückenstiche reagiert | |
oder nachts vor lauter Summen nicht schlafen kann, greift zu Schutzmitteln. | |
Früher haben Menschen Mücken mit alten, verschwitzten Socken angelockt und | |
diese möglichst weit von ihrem Bett entfernt aufgehängt. | |
Heute gibt es Methoden, die weniger stinken. Bewährte Hausmittel | |
konkurrieren mit künstlich hergestellten Wirkstoffen und modernen | |
Technologien. Aber wie erwiesen ist ihre Wirksamkeit wirklich? Und wie | |
beeinflussen sie unsere Gesundheit und Umwelt? | |
## Sprays | |
Die besten Mittel gegen Stechmücken sind chemisch, sagt die | |
Weltgesundheitsorganisation. Insbesondere wenn man sich in Gebieten | |
aufhält, [1][in denen Krankheiten wie das Denguefieber durch Mücken | |
übertragen werden können], raten Experten zu sogenannten Repellents. Das | |
sind Wirkstoffe, die von Mücken über den Geruchssinn wahrgenommen werden | |
und sie abschrecken, ohne sie zu töten. | |
Als wirksam gelten etwa die Stoffe Diethyltoluamid (DEET) und Icaridin. | |
DEET wurde von der US-Armee entwickelt, um Soldaten vor Mücken zu schützen, | |
und im Vietnamkrieg eingesetzt. DEET ist heute in beliebten Sprays wie | |
„Anti Brumm“ enthalten und soll bis zu acht Stunden vor Mückenstichen | |
schützen. | |
Icaridin hat eine etwas kürzere Wirkungsdauer, gilt aber als besser | |
verträglich. DEET könne die Schleimhäute und Augen reizen und sollte | |
deshalb nicht an empfindlichen Stellen und dauerhaft aufgetragen werden, | |
warnt Tristan Jorde, Fachbereichsleiter für Umwelt und Produktsicherheit an | |
der Verbraucherzentrale Hamburg. Hersteller raten dringend davon ab, | |
Kleinkinder mit DEET einzusprühen. „Bei Kleinkindern sollte man auf | |
Icaridin oder natürliche Alternativen wie Zitroneneukalyptus-Sprays | |
ausweichen“, sagt Ökologe und Stechmückenforscher Renke Lühken. | |
Außerdem schade der Wirkstoff in höheren Dosen Lebewesen und kleinen | |
Wasserorganismen wie Algen und Larven. Deshalb sollten chemische Sprays nur | |
angewendet werden, wenn wirkliche Gefahr durch Mücken bestehe, so | |
Verbraucherschützer Jorde. | |
## Ultraschallgeräte | |
Ultraschall-Insektenvertreiber werden oft [2][als schonende Alternative zu | |
schädlichen Insektiziden vermarktet]. Das Versprechen: Kleine Geräte oder | |
Smartphone-Apps senden hohe Töne aus, die für Menschen kaum hörbar sind, | |
aber Mücken vertreiben sollen – ohne sie zu vergiften oder zu töten. Die | |
Geräte sind allerdings nachweislich wirkungslos. | |
„Die Grundidee, Tonfrequenzen zu nutzen, ist gar nicht so dumm“, sagt | |
Ökologe Lühken. Nur führe sie in dieser Ausführung möglicherweise zu einem | |
umgekehrten Effekt. „Stechmücken nutzen Flügelschlagfrequenzen, um ihre | |
Partner zu finden.“ Er glaube deshalb, dass die Mücken von den | |
Ultraschallgeräten eher angelockt als vertrieben werden. Mückenfallen, die | |
ebenfalls auf Tonfrequenzen setzen, aber wirksam sind, sind noch nicht auf | |
dem Markt. | |
„Ich halte davon gar nichts“, sagt Verbraucherschützer Jorde. Wenn es darum | |
geht, Mücken aus Innenräumen fernzuhalten, rät er stattdessen zu | |
Moskitonetzen. Draußen setzt er auf lange Kleidung. Ob Mücken Ultraschall | |
wahrnehmen können, ist umstritten. US-amerikanische Forscher*innen | |
fanden heraus, dass ihre Hörgrenze bei etwa 2.000 Hertz liegt. Als | |
Ultraschall gelten Frequenzen ab 20.000 Hertz. | |
## Ätherische Öle und Armbänder mit Duftstoffen | |
Ätherische Öle aus Zitrusfrüchten oder Lavendel können gegen Mücken helfen | |
– allerdings nur für kurze Zeit. „Mit der Chemokeule konkurrieren können | |
sie definitiv nicht, da müsste man sich schon permanent in eine Duftwolke | |
einhüllen“, erklärt Jorde. Auch Lühken meint: Ätherische Öle können zwar | |
dafür sorgen, dass die Mücken ihren Wirt nicht mehr als solchen wahrnehmen, | |
aber das funktioniere nur, wenn das Öl auf den ganzen Körper verteilt | |
würde. | |
Doch damit sollte man vorsichtig sein. Ätherische Öle rufen bei einigen | |
Menschen starke allergische Reaktionen hervor. Außerdem schwitzen Menschen | |
weniger, wenn sie ihren ganzen Körper einölen. Denn ätherische Öle | |
regulieren die Körpertemperatur und damit auch die Schweißproduktion. Das | |
wiederum könne zu weiteren Symptomen führen: Kopfschmerzen, Unwohlsein, | |
Kreislaufproblemen. | |
Als weitestgehend unwirksam erweisen sich Mückenschutz-Armbänder, die | |
Mücken durch den Ausstoß von Duftstoffen vertreiben sollen. Besonders | |
beliebt sind Citronella-Armbänder. Sie werden von den Herstellern als | |
wasserfest, bequem und langlebig beworben. „Rund um das Armband wird sich | |
sicherlich nicht viel ansiedeln“, sagt Jorde. „Aber Mücken an der Wade sind | |
von der Duftwolke am Handgelenk wahrscheinlich nicht sonderlich | |
beeindruckt.“ | |
## Rauch | |
Mücken werden [3][von verschiedenen menschlichen Ausdünstungen angezogen]. | |
So können sie etwa das ausgeatmete und über die Haut ausgeschiedene | |
Kohlendioxid wahrnehmen. Je mehr CO2 jemand ausatmet, desto größer ist die | |
Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie gestochen wird. Wie attraktiv Menschen | |
auf die Tiere wirken, hängt auch von der Zusammensetzung des Schweißes ab. | |
Carbonsäuren, die für den typischen Schweißgeruch verantwortlich sind, | |
wirken laut mehrerer Studien besonders anziehend. In jedem Fall ist es | |
hilfreich, sich regelmäßig zu duschen. | |
Eine Möglichkeit, den ausgeprägten Geruchssinn von Mücken zu täuschen, | |
besteht darin, sich nah an einem offenen Feuer aufzuhalten. In der Nähe | |
eines Grills oder eines Lagerfeuers ist es für Mücken schwierig, Menschen | |
zu orten. „Wenn man als Mensch von Rauch eingenebelt ist, ist die | |
Wahrscheinlichkeit geringer, dass man gestochen wird“, sagt Ökologe Lühken. | |
Ein Räucherstäbchen oder eine Zigarette seien hingegen weniger wirksame | |
Mittel, denn hier entstehe der Rauch nur punktuell, so Verbraucherschützer | |
Jorde. | |
## Kühlmittel und Hitzestifte | |
Wer trotz Mückenschutz gestochen wird, kann den Juckreiz und die Schwellung | |
auf unterschiedliche Weisen lindern. Hilfreich ist es, die Einstichstelle | |
zu kühlen. Viele in der Drogerie erhältliche Roll-ons oder Salben enthalten | |
deshalb flüchtige Alkohole, die kurzfristig Kühlung verschaffen. | |
Tristan Jorde bevorzugt dafür ein altes Hausmittel, „schön angenehm und | |
überall verfügbar“, den Spitzwegerich. Für seine kühlende Wirkung | |
verantwortlich sind Schleimstoffe, die gleichzeitig den Juckreiz lindern. | |
Der Spitzwegerich habe aber noch weitere Vorteile: Die enthaltenen | |
Gerbstoffe ziehen die Schwellung zusammen, was dazu führt, dass der Stich | |
weniger schmerzt. Auch kann die natürliche antibiotische Wirkung des | |
Spitzwegerichs eine Entzündung vermeiden. | |
Nicht nur kühlen, sondern auch das physikalische Gegenteil hilft: Hitze. | |
Sogenannte Hitzestifte sind Renke Lühkens Favorit. Man drückt sie für | |
einige Sekunden auf den Stich. Besonders praktisch ist die mobile Version | |
für Smartphones mit USB-C-Anschluss. Bei Bedarf wird das kleine Gerät | |
einfach an das Telefon angeschlossen. | |
Wie der batteriebetriebene Stichheiler genau funktioniert, ist allerdings | |
noch nicht abschließend geklärt. Als die plausibelste Erklärung gilt, dass | |
die Enzyme, die der Stechmückenspeichel enthält und die für den Juckreiz | |
verantwortlich sind, bei hohen Temperaturen denaturieren, also irreversibel | |
zerstört werden. Die kleine Heizplatte der Hitzestifte erreicht um die 50 | |
Grad. | |
9 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Federl | |
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