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# taz.de -- Asyldebatte bei den Grünen: Abschieben mit Herz und Verstand
> Die Grünen ringen um ihre Rolle in der nach rechts ausufernden
> Migrationsdebatte. Eine Dreifachstrategie soll ihnen auf ihrer
> Klausurtagung helfen.
Bild: Protest beim Parteitag der Grünen 2023: Die Grünen tragen Verschärfung…
Berlin taz | Immerhin: Noch können sie lachen. Seit Mittwoch läuft in
Berlin die Klausur des Grünen-Fraktionsvorstands, und als dessen Mitglieder
am Vormittag gesammelt ins Tagungshotel marschieren, zeigten sie für die
Fotografen am Eingang ihr schönstes Lächeln. Strahlendes Wetter, strahlende
Grüne.
Dabei gibt das Klausurprogramm keine gute Laune her. Auf der Tagesordnung
stehen unter anderem die Nachlese zu den Landtagswahlen und [1][die eigene
Rolle in der Abschiebedebatte]. Erst am Dienstagabend endete ein
Migrationstreffen zwischen Ampel und Union ohne Beschlüsse.
CDU-Chef Friedrich Merz klagte hinterher, die Koalition sei nicht bereit,
Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen. Unter Journalist*innen wurde
gestreut, die Grünen seien das Problem. Die Partei selbst, in Vertrauen auf
die vereinbarte Verschwiegenheit, sagte erst mal nichts – und steht nun
wieder als Blockiererin da.
Die Grünen frustriert diese Erfahrung zunehmend. Seit vergangenem Jahr
haben sie unter Schmerzen zig Asylrechtsverschärfungen mitgemacht. In der
öffentlichen Debatte werden sie aber nicht daran gemessen, was sie gemacht
haben, sondern daran, wo sie in Relation zu den anderen Parteien stehen.
Und weil die immer weiter nach rechts rücken, kommen sie selbst nicht
hinterher: Ihre Migrationspolitik erscheint immer noch zu weich und mit den
eigenen Themen dringen sie nicht durch.
## Kitas, Busse, Abschiebungen
Auf ihrer Klausur versuchen sie es kommunikativ mit einer
Dreifachstrategie. Erstens probieren sie, eigene Inhalte doch irgendwie zu
setzen. „Wir wollen ein Land, das einfach funktioniert“, sagt
Fraktionschefin Katharina Dröge am Nachmittag. Sie nennt funktionierende
Kitas, bezahlbare Wohnungen in den Städten und verlässliche Busverbindungen
auf dem Land. Als [2][Lehre aus den verlorenen Wahlen dieses Jahres]
könnten das auch zentrale Themen für den Bundestagswahlkampf werden. Die
Partei, so Dröge, müsse „die Lebensrealität der Menschen“ stärker in den
Mittelpunkt stellen.
Zweitens zählen die Grünen explizit auf, welche Verschärfungen in der
Migrationspolitik sie schon mitgetragen haben und noch mittragen wollen –
ein neuer Ton für eine Partei, die bisher selten mit Abschiebungen
hausieren gegangen ist. Von „mehr Klarheit auch in Fragen, die für uns
nicht die leichtesten sind“, spricht Dröge. „Wir müssen konsequent Recht
durchsetzen und Vollzugsdefizite auflösen“, sagt ihre Co-Vorsitzende Britta
Haßelmann.
Drittens grenzen sie sich aber auch von den heftigsten Vorschlägen in der
Debatte ab. „Wir prüfen alle Vorschläge offen, die helfen und mit
Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar sind“, sagt Haßelmann. Das ist
freundlich für: Die Merz-Forderung nach Rückweisungen ist populistischer
Unsinn. Wir schieben auch ab, aber mit Herz und Verstand – so könnte man
die Botschaft der Grünen in der Migrationspolitik zusammenfassen.
Über den richtigen Kurs in der Frage gibt es intern aber auch Diskussionen.
„Leute aus migrantischen Communities fühlen sich in der aktuellen Debatte
komplett vernachlässigt“, sagt ein Fraktionsmitglied. „Die sagen: Ich werde
jetzt komisch angeschaut, sobald ich auf die Straße gehe. Dieses Gefühl
sollten wir angehen, statt Schnellschüsse zu machen, die gesellschaftlich
langfristig mehr schaden als nutzen.“
In der Fraktion umstritten ist unter anderem das sogenannte
Sicherheitspaket, dem [3][in der Koalition vergangenen Woche der grüne
Vizekanzler Robert Habeck zugestimmt hat]. Dublin-Flüchtlingen sollen zum
Beispiel in vielen Fällen die Sozialleistungen gestrichen werden. Final
beschließen müsste das aber der Bundestag. Und dass die Abgeordneten das
Paket eins zu eins mittragen, so heißt es, ist zweifelhaft.
4 Sep 2024
## LINKS
[1] /Gruene-im-Sachsen-Wahlkampf/!6033270
[2] /Gruenen-Niederlage-im-Osten/!6033626
[3] /Reaktionen-auf-Asylrechtsverschaerfungen/!6033472
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Bündnis 90/Die Grünen
Migration
Asylverfahren
Abschiebung
Ampel-Koalition
Asyl
Ampel-Koalition
Wahlen in Ostdeutschland 2024
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