| # taz.de -- Ostdeutsche Identität: La „Ostdolce Vita“ | |
| > Auf der Suche nach dem, was ihre Identität geprägt hat, hält Olivia | |
| > Schneider die Kamera drauf. Den Osten will sie nicht verherrlichen. | |
| Bild: „Ostfluencerin“ Olivia Schneider @tumvlt im August im DDR-Museum in P… | |
| Pirna taz | Die „Ostfluencerin“ Olivia Schneider läuft über das | |
| Kopfsteinpflaster der Pirnaer Altstadt. Die bunten Häuserfassaden kennt | |
| die 28-Jährige noch aus ihrer Schulzeit. Sie hat die Sonnenbrille in die | |
| blonden Haare geschoben und bleibt dann vor dem AKuBiZ stehen. Den Verein, | |
| der sich seit über 20 Jahren gegen Diskriminierung und für Demokratie | |
| einsetzt, hat sie vor Kurzem auf ihrem Instagram-Account vorgestellt. | |
| Dort folgen ihr unter dem Namen „[1][tumvlt]“ mehr als 21.100 Menschen. | |
| „Ich sehe der Landtagswahl sehr pessimistisch entgegen. Ich versuche | |
| zumindest die zu unterstützen, die sich echt gegen rechts engagieren und | |
| finanzielle Unterstützung brauchen. Ich versuche, ihnen irgendwie | |
| Sichtbarkeit zu geben.“ | |
| Sie erstellte tumvlt 2017 im Rahmen ihres Diplomkunststudiums in Dresden. | |
| Was der Name bedeutet? Nichts. Nach dem Abschluss studierte sie Soziale | |
| Arbeit und der Account lag still. Bis vor einem Jahr, da postete sie ein | |
| Reel, in dem sie Momente ihres Sommers unter dem Titel „Ostdeutsche Vita“ | |
| festhielt. „Das ging ziemlich viral und dann hatte ich Lust, mehr zu dem | |
| Thema zu machen“, sagt Schneider. Das Thema: Leben und Identität junger | |
| Menschen in Ostdeutschland. | |
| Für tumvlt kocht sie DDR-Rezepte, stöbert in sächsischen Trödelläden oder | |
| macht Ausflüge in der Region. Die kurzen Videos sind manchmal nachdenklich, | |
| oft ironisch: „Ich suche nach Dingen, die irgendwie meine Identität geprägt | |
| haben. Bautzner Senf wird zum Beispiel krass abgefeiert. Ich fand es | |
| lustig, dann alle möglichen Produkte wie eine Senftorte zu machen.“ | |
| Vier Stunden braucht sie in etwa für ein Video. Neben ihren beiden Jobs in | |
| der Betreuung und Pflege ist gerade nicht viel Zeit dafür, obwohl ihre | |
| Liste mit Ideen lang ist. | |
| Heute will sie das DDR-Museum in Pirna besuchen. Auf dem Weg dorthin | |
| erzählt Schneider, dass sie vor vier Jahren das Buch „Ostbewusstsein“ von | |
| Valerie Schönian las und merkte: Der Osten hat etwas mit mir zu tun. Ich | |
| bin hier aufgewachsen und kann damit selbstbewusst umgehen. Das will sie | |
| auch mit tumvlt zeigen: „Mir schreiben Menschen, die sagen, dass sie ihr | |
| Ossisein irgendwie immer abgewertet haben und das jetzt annehmen können.“ | |
| ## Ostdeutsche Menschen und Dinge wertschätzen | |
| Angekommen im Museum, stehen dort auf zwei Etagen Tausende Relikte aus der | |
| DDR-Zeit: Eine komplett eingerichtete Küche, Autos, ein Café mit typischen | |
| Produkten, die Gäste sind große Puppen, über die Schneider schmunzelt. Den | |
| Ort würde sie nicht auf ihrem Account präsentieren: „Ich mag die Ästhetik | |
| mancher Dinge, aber es geht mir nicht darum, die DDR irgendwie abzukulten.“ | |
| Sie erzählt, einige der Exponate besitze sie auch, wie die orangefarbenen | |
| Eierbecher oder den Badehocker: „Meine Eltern finden das komisch. Sie haben | |
| alles damals weggeschmissen.“ | |
| Olivia Schneider erzählt, jemand habe sie auf Instagram gefragt, wie sie es | |
| aushalte, im Osten zu leben. Die Person meinte, sie wolle am liebsten | |
| eigenhändig die Mauer wieder aufbauen. „Das ist total abwertend. Was habe | |
| ich davon? Man könnte auch sagen, dass es ein Problem gibt, das man | |
| gesamtdeutsch lösen muss. Dass es Menschen und Initiativen gibt, die sich | |
| übelst engagieren und die man unterstützen sollte.“ | |
| „Ostdeutschland“, das Wort ist politisch aufgeladen. Als Schneider ihr | |
| „Ostdeutsche Vita“-Reel hochlud, folgten ihr plötzlich | |
| AfD-Anhänger:innen. Sie habe alle blockiert: „Es gibt eben einen | |
| Unterschied zwischen Ostdeutschland und Ostdeutschland in Frakturschrift.“ | |
| Ihr ginge es darum, Menschen und Dinge wertzuschätzen, sie wolle nichts | |
| verherrlichen, auch das starke Abgrenzen vom Westen oder die Besinnung auf | |
| Heimat findet sie schwierig. | |
| Mit ihren Freund:innen würde sie selbst oft schlecht über den Osten | |
| reden, nach außen habe sie das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen: „Ich | |
| hasse diesen Satz, weil er so abgedroschen ist: Es gibt eben auch coole | |
| Leute.“ Sie sei hier aufgewachsen, lebe jetzt in Dresden, Freund:innen | |
| und Familie, ihr Leben sei hier. Weggehen sei keine Option. | |
| Paula Meister, 24, aufgewachsen in Markkleeberg, Sachsen. Bachelor in | |
| Politik- und Sozialwissenschaften, derzeit Masterstudium und Ausbildung zur | |
| Redakteurin in München an der LMU und Deutschen Journalistenschule. | |
| 29 Aug 2024 | |
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| [1] https://www.instagram.com/tumvlt/?hl=de | |
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| Paula Meister | |
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