| # taz.de -- Tanz in Dresden: Sichtbarkeit in der Stadt | |
| > Dresdens Tanzszene besitzt eine lange Tradition und gilt heute als vital. | |
| > Außergewöhnlich ist der Zusammenhalt unter den Tänzer*innen. | |
| Bild: Tanzschüler bei Improvisationen im Unterricht an der Palucca-Schule in D… | |
| Dresden taz | Dresdens kulturelles Erbe – das ist weit mehr als die barocke | |
| Architektur eines Matthäus Daniel Pöppelmann oder die klassische Musik Carl | |
| Maria von Webers. Besonders für den Zeitgenössischen Tanz war Dresden eine | |
| der Vorreiterstädte Deutschlands. Ikonen des modernen Tanzes wie Mary | |
| Wigman und Gret Palucca prägten das kulturelle Leben hier in der ersten | |
| Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dafür brauchten sie nicht einmal | |
| Ballettschuhe. Sie waren barfuß und bewegten sich nicht nach den Regeln des | |
| klassischen Tanzes. | |
| Die Dresdner Tänzerin und Choreographin Cindy Hammer ist überzeugt, dass | |
| Dresden auch heute noch ein wichtiger Ort für Tanz ist. Hammer machte ihre | |
| Ausbildung an der Palucca Hochschule in Dresden. Sie beschreibt die | |
| Zeitgenössische Tanzszene ihrer Stadt als vital und produktiv. „Wir können | |
| das alle tun, wir wollen das alle tun und wir stehen auch dafür ein, dass | |
| wir das alle tun“, sagt Hammer. | |
| Charakteristisch seien zudem die vielen verschiedenen künstlerischen | |
| Handschriften und Organisationsstrukturen. Ihre eigene Kompanie „go plastic | |
| company“ ist gut mit anderen Tanzstilen, Gruppen und Vereinen vernetzt. | |
| Auch wenn sie meist unabhängig voneinander agieren, sind sie doch | |
| füreinander transparent und in der Stadt sichtbar. | |
| Zu dieser Tanzszene gehören neben der Freischaffenden auch Stätten wie | |
| „HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste“, das Societätstheater, die | |
| Dresdner Semperoper, die Staatsoperette, die Villa Wigman. Ebenso die | |
| Palucca-Schule, die bundesweit ein hohes Ansehen hat und die einzige | |
| Tanzhochschule Deutschlands ist. „ Aus meiner Sicht ist Dresden innerhalb | |
| Deutschlands ein Tanzzentrum mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten“, | |
| sagt André Schallenberg, Programmleiter für Tanz und Theater in Hellerau. | |
| ## Gute Vernetzung der freien Szene | |
| Das Besondere an Dresden ist die gute Vernetzung in der freischaffenden | |
| Szene. Cindy Hammer spricht über das „Tanznetz Dresden“. Wenn sie in den | |
| Tanzkalender schaut, eine vom Tanznetz Dresden erstellte Monatsübersicht zu | |
| Tanzveranstaltungen in Dresden, dann ist sie verwundert: „Warum Dresden | |
| gefühlt eher Musikstadt als Tanzstadt ist, verstehe ich an der Stelle gar | |
| nicht. Weil, ich gucke mir das an und denke, krass: Du kannst fast jeden | |
| Tag irgendwo in dieser Stadt Tanz sehen“. | |
| Zudem biete das Tanznetz Training für Profitänzer:innen, Austauschformate | |
| und verschafft Raum für verschiedene Präsentationsformate an Dresdner | |
| Spielorten und in Kunsträumen. Dieses Netzwerk ist in dieser Form | |
| deutschlandweit wohl einmalig. Inzwischen gibt das Tanznetz Dresden auch | |
| anderen deutschen Städten Input zum Aufbau einer starken tänzerischen | |
| Organisationsstruktur. Das zeigt aber auch, dass deutschlandweit noch viel | |
| zu tun ist. | |
| Ein ebenso feinmaschiges Tänzer:innen-Netzwerk hat sich die | |
| Breakdancegruppe „The Saxonz“ aufgebaut. Doch in der Hiphop-Kultur spricht | |
| man nicht vom Breakdance, sondern von Breaking. Lehmi, bürgerlich Philip | |
| Lehmann, erzählt, dass seine Gruppe seit 2013 existiert. Gründungsimpuls | |
| war das Zusammenbringen von kleineren Tanzgruppen und Tänzer:innen, um das | |
| Potenzial zu bündeln, etwa um bei bundesweiten Wettbewerben besser | |
| abschneiden zu können. | |
| Danach waren sie als Crew national und international unterwegs und | |
| plötzlich bekam Breaking auch mehr Aufmerksamkeit vom sächsischen | |
| Nachwuchs. Und so kommen die 23 Tänzer:innen von „The Saxonz“ aus | |
| Dresden, Leipzig und Chemnitz – im deutschen Breaking ist diese Größe und | |
| Verteilung ein Alleinstellungsmerkmal. Darüber hinaus entstanden weitere | |
| Projekte, so auch das Battleformat „Floor on Fire“ für „HELLERAU“. | |
| ## 100 Jahre moderner Tanz, 10 Jahre Tanz-Battle | |
| Der Kulturbetrieb der Stadt Dresden auf dem Gelände des Festspielhauses | |
| Hellerau im gleichnamigen Stadtteil nahm schon vor über 100 Jahren eine | |
| wichtige Rolle in der Entwicklung des Modernen Tanzes ein. Émile | |
| Jaques-Dalcroze eröffnete hier 1911 eine Schule für Musik und Rhythmus. | |
| Eine seiner Schülerinnen war auch Mary Wigman. Heute ist es ein Gastspiel- | |
| und Koproduktionshaus, das zeitgenössischen Künsten wie Tanz, Theater und | |
| Musik eine Bühne bietet. | |
| Das Battle-Format, bei dem sich die Teilnehmer:innen tänzerisch | |
| duellieren, ist nun schon fast zehn Jahre alt. Tänzer:innen | |
| verschiedener Stile treten hier unabhängig ihrer Herkunft oder politischer | |
| Ansichten gegeneinander an. Wer man ist, zeigt allein das Tanz-Battle, das | |
| ein großes Publikum in Hellerau findet. | |
| Auch Cindy Hammer hat schon bei diesem Format mitgewirkt. Den Sinn ihrer | |
| Arbeit sieht sie in der Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen und sie mit | |
| dem eigenen Körper in Beziehung zu setzen. Für Hammer und Lehmi schafft die | |
| Kulturstätte Hellerau viel Raum für Neues und Diverses. | |
| ## Keine Trennung zwischen lokal und international | |
| Dresden ist vielfältig und die Dresdner:innen sind diskussionsbereit, | |
| sagt auch André Schallenberg. HELLERAU schafft einen Ort der Begegnung, der | |
| soll so offen wie möglich gehalten werden. Schallenberg sieht hier aktive | |
| Bürger:innen, die ein reges Interesse am Austausch haben. „Die Welt nach | |
| Dresden holen“ – durch ein breites internationales und lokales Angebot – | |
| das möchte Hellerau, sagt Schallenberg. „Das ist eigentlich der Anspruch, | |
| dass man gar nicht so die Trennung macht zwischen lokal und international, | |
| sondern wir wollen Künstler:innen präsentieren, die tolle Sachen | |
| machen“, betont Schallenberg. | |
| Diese Einstellung ist gar nicht so selbstverständlich. Denn gerade die | |
| internationalen großen Gastspiele ziehen viele Besucher:innen nach | |
| Hellerau. Dabei ist es aber auch wichtig, die hiesige Szene zu | |
| unterstützen. HELLERAU bietet internationalen und nationalen | |
| Künstler:innen Residenzen an, um vor Ort an neuen Projekten zu arbeiten. | |
| In Dresden wird getanzt, so viel ist klar. Cindy Hammer und Lehmi | |
| versuchen, den Tanz nicht auf bestimmte Orte zu beschränken. Gerade bei den | |
| Saxonz gehört ein ständiger Ortswechsel für das Training auch zum Konzept. | |
| Jeden Tag wird trainiert und jeden Tag wird ein neuer Ort ausgewählt. Im | |
| Sommer spielt sich das meist draußen ab. „Also, ich finde es wichtig, auch | |
| an unterschiedlichen Orten in unserer Stadt immer wieder zu tanzen, einfach | |
| um Input zu bekommen“, sagt Lehmi. | |
| Draußen in der Stadt verteilt zu tanzen, bedeutet auch, Sichtbarkeit für | |
| die eigene Kunst zu schaffen. Den Probenraum und auch die Bühne verließ | |
| Hammer 2019 mit ihrem Stück „We are used to being darker“. Die Performance | |
| fand auf der Bowlingbahn im Hellerauer Sporttreff statt. „Was einfach mit | |
| sich bringt, dass du in andere Kreise kommst. Du konfrontierst andere | |
| Menschen.“ Hammer beschreibt, wie in diesem Fall die Sportwelt und der | |
| Zeitgenössische Tanz aufeinandergeprallt sind. Das hat für Irritationen, | |
| aber auch für Neugierde und gegenseitiges Interesse gesorgt. | |
| ## Hellerau und ähnliche Kulturräume in Gefahr | |
| Solche Räume braucht es in einer Stadt wie Dresden. Und doch ist die | |
| Existenz des Kulturbetriebs zuletzt immer wieder aufgrund fehlender | |
| Förderung und fehlender Anerkennung für diese Art der künstlerischen Arbeit | |
| bedroht. Dass Geld, Zeit und Raum in der Kultur fehlen, ist kein Dresdner | |
| oder sächsisches Problem, sondern bundesweit akut. Rechte Parteien, wie die | |
| AfD, verstärken das Problem. So sehen sie für kulturelle und künstlerische | |
| Institutionen wie Hellerau, die mit ihrer Offenheit und Internationalität | |
| gegen das Ressentiment rechtspopulistischer Akteur*innen arbeiten, | |
| keinen Platz. | |
| Sich dagegen durchzusetzen, ist keine einfache Aufgabe. Doch die Wünsche | |
| und Hoffnungen der Kulturschaffenden liegen gar nicht so weit auseinander. | |
| „Es (die Dresdner Tanzszene, d.A.) hat schon so viel Stärke, Vielfalt und | |
| Potenzial. Und ich glaube, ich würde das gerne einfach weiter nähren“, sagt | |
| Cindy Hammer. Für sie ist Dresden der richtige Ort zum Tanzen und sich | |
| weiterzuentwickeln. Sie möchte die Dresdner Tanzszene und das Netzwerk | |
| weiterhin stärken. Auch Lehmi wünscht sich noch mehr Austausch zwischen den | |
| verschiedenen Tanzrichtungen. | |
| André Schallenberg sieht die Vorzüge Dresdens und die Chance einer starken | |
| Kultur- und Tanzszene: „Das macht mir Hoffnung, dass wir umgekehrt ganz | |
| viele Angebote hier in Dresden haben, die gewachsen sind. Wir haben ein | |
| super reges Kulturleben. Und das kann man nicht einfach zerstören.“ Umso | |
| feinmaschiger spannen die Tänzer*innen ihr Netz, um die lokale und | |
| internationale Szene weiterhin miteinander zu verknüpfen. | |
| Maxie Liebschner (31) wuchs in einem kleinen Ort bei Dresden auf und war in | |
| Medien, Theater und Tanzkunst unterwegs. Derzeit volontiert sie an der B. | |
| erlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. | |
| 2 Sep 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Maxie Liebschner | |
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